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bundes, beheben, der in den letzten Dezembertagen im Abgeordnetenhaus
stattfand. Radek, der Abgesandte der Moskauer Regierung, forderte
dort die deutschen Arbeiter auf, im Bunde mit den roten Armeen Ruß
lands am Rhein die Entscheidungsschlacht gegen das englische Kapital
zu schlagen. Zugleich zeigte sich überraschenderweise, daß Rosa Luxemburg
und Karl Liebknecht von ihren eigenen Anhängern an Radikalismus
bereits überholt waren. Denn während diese beiden Führer eindringlich
dazu aufforderten, sich an den Wahlen zur Nationalversammlung, sei ös
auch nur zu Zmrcken der revolutionären Propaganda, zu beteiligen,
lehnte der Parteitag die Wahlbeteiligung ab. Der frühere Reichstagsab
geordnete Otto Rühle predigte die Revolution auf der Straße und
erklärte: „Wird die Nationalversammlung von Berlin wegverlegt, so
errichtenwirtn Berlin eine neue Regierun 9." Der Ein
wand Rosa Luxemburgs, man dürfe sich nicht auf die Formel stellen:
„Maschinengewehre gegen Nationalversammlung!" fand Widerspruch und
keinen Beifall. Schließlich wurde mit 62 gegen 23 Stimmen ein Antrag
Rühle zum Beschluß erhoben, der die Anhänger im Reich auffordert, das
Zustandekomnien und die Tätigkeit der Nationalver
sammlung mit allen Mitteln zu verhindern.
Es blieb nicht bei bloßen Worten. Der Austritt der Unabhängigen
aus der Regierung wurde das Signal zum Ausbruch des großen Spar
takusaufstandes, der vom 5. bis 11. Januar 1919 dauerte. Das gesamte
Zeitungsviertel ging in die Hand der Aufständischen über, heftige
Kämpfe tobten um einzelne Regierungsgebäude, die Reichskanzlei war
tagelang eigentlich nur durch den Watt unbewaffneter Menschen geschützt,
den die herbeigeeilten sozialdemokratischen Arbeiter um sie bildeten. Zu
gleich konstituierte sich im Marstall eine aus Ledebour, Liebknecht und
Paul Scholze, dem Vorsitzenden der „revolutionären Obleute", zusammen
gesetzte Gegenregierung, der ihr ergebene Polizeipräsident Eichhorn leitete
vom Alexanderplatz aus den bewaffneten Aufstand.
Streiks im Ruhrrevier, Straßenkämpfe in Dortmund, Bremen,
Leipzig begleiteten und umkränzten diesen entscheidenden Vorgang der
sogenannten „zweiten Revolution".
Die Regierung hatte N 0 s k e beauftragt, die notwendigen Maß
nahmen zur Wiederherstellung der Ordnung und zur Sicherung der
unmittelbar bevorstehenden Wahlen einzuleiten. Da die Berliner Garnison
gespalten und als Ganzes zu einer einheitlichen Aktion nicht zu brauchen
war, blieb Noskc nichts anderes übrig, als außerhalb Berlins neue
Freiwilligentruppen zusammenzuziehen. Diesen gut ausgerüsteten und
straff disziplinierten Truppen gelang es rasch, Berlin von der
Schreckensherrschaft der Spartakisten zu befreien, leider be
gingen einzelne ' Elemente unter ihnen dabei selbst Ausschrei
tungen. die aufs schärfste verurteilt werden müssen. Rosa Luxem-
bürg und Karl Liebknecht wurden als wehrlose Gefangene ihre
Opfer. Aber diese unglücklichen Fanatiker hatten selbst den Bürgerkrieg
entfesselt, und wenn sie als Helden ihrer Ueberzeugung gefallen sind, so
sind sie doch nicht ohne schwere tragische Schuld. War der Versuch des
Spartakusbundes, seine eigene Gewaltherrschaft gegen den Willen des