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Auftakt.
Dezember 1918 — Januar 1919.
einem hellen Morgen im Revolutionswinter sah ich
/ \K' einen Revolutionssoldaten allein Parademarsch üben.
Er glaubte wohl. es sähe ihn niemand.
Ich staunte erst; beim Nachdenken verlor sich das Staunen.
Damit ich richtig verstanden werde — der Mann hatte
seine Beziehungen zur wilhelminischen Zeit völlig gelöst. Er
war ein (überflüssiger) Wachtposten, der das verwahrloste
Gewehr verkehrt umgehängt hatte und einen roten Winkel
am Arme trug. als Zeichen, daß er zu einer zusammen
gelaufenen Truppe gehörte, die der Volksmund „Rote Garde"
nannte.
Aber trotzdem man es nach diesen Feststellungen nicht
vermuten sollte, übte er Parademarsch — „Exerziermarsch",
wie es in der Vorschrift des näheren festgelegt ist. Er zog
leicht und sauber die Fußspitzen durch den Schnee, auf und
ab marschierend hinter seinen! Gartengitter.
Dieser rote Soldat war mir ein Sinnbild dafür, daß in
Deutschland der Militarismus einfach nicht sterben kann, und
wenn man mit allen Mitteln ihn totzuschlagen sucht. „Mili
tarismus," so in dem Sinne von Waffenfreude und
Lust an militärischem Tun, ist dem Germanen an
geboren, keinesfalls anerzogen „durch das System".
Deshalb mußte der gute Soldatengeist früher oder später
wieder zum Vorschein kommen, nachdem man ihn im unheil
vollen November unter den Trümmern der Revolution hatte
verschwinden sehen.