München.
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Sonst handelte es sich bei den Postenschießereien meistens
um Dummejungenstreiche von beiden Seiten. Die jungen
Soldaten, die noch nicht im Felde gewesen waren, litten an
Nervosität. Beim Vergleich der Nachtmeldungen konnte ich
einmal feststellen, daß zwei Wachen in Unkenntnis sich gegen
seitig beschossen hatten.
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Die Hauptaufgabe für die Truppe war, nachdem Ruhe
eingetreten war, die vollständige Entwaffnung der Bevölkerung.
Auch in den Kampftagen hatte man schon damit begonnen.
Es kam viel Unsinn dabei heraus, und viel Härten ließen
sich schlecht vermeiden. Ja, wenn mehr Feldgraue dagewesen
wären oder die Stadt nur ein Zehntel so groß, wenn die
Suchpatronillen aus untadeligen Gendarmen bestanden hätten
oder wenigstens aus Soldaten von 1914!
Das Oberkommando klebte Anschlagzettel an die Mauern:
Warnung! Alle Waffen sind sofort abzuliefern. Wer mit
den Waffen in der Hand ergriffen wird, wird erschossen!
Was sollte da ein Bürger mit durchschnittlichem Menschen
verstand machen? Abliefern, aber wie? Nahm er das Ge
wehr unter den Arm, um zur Waffensammelstelle zu gehen,
wurde er von einer zufällig ins Haus dringenden Patrouille
schon auf der Treppe totgeschossen; kam er bis zur Haustür
und öffnete sie, schoß alles auf ihn, weil er bewaffnet war;
wurde er so auf der Straße gefaßt, stellte man ihn an die
Mauer. Nahm er das Schießgewehr unter den Rock, war
die Sache noch schlimmer. Hob er es hoch mit dem Kolben
nach oben zum Zeichen friedlicher Absichten, hätte ihm doch
keiner getraut, und seül Leben oder seine Freiheit war noch
nicht sicher. Das war eine böse Zwickmühle, in der manch
einer geschwitzt hat.