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München.
sie war gar keine richtiggehende Braut, sondern ein Gschpusi
oder wie man das in München nennt.
* *
' Dann kam ein alter Oberst mit einem Zylinderhut; mit
blassem Kununer im Gesicht entfaltete er sein Offizierspatent
mit des Königs Unterschrift als Ausweis uud ließ sich seinen
ungeratenen Enkelsohn aus der Haft vorführen.
Der Enkel der vornehmen Familie sah ziemlich blut
rünstig und unrasiert aus, auch die Kleidung hatte gelitten.
Ich ließ die beiden eine halbe Stunde allein. Hoffentlich
hat die Unterredung genutzt, der junge Mensch weinte, als
er wieder abgeführt wurde.
„Haben Sie unseren Vater nicht? Der war bei den Roten
und ist bereits fünf Tage nimmer dagewesen," fing das
kleine, dreiste Mädchen an, „Mutter schickt mich, mir haben
nichts mehr zu essen." Den Vater konnten wir ihr nicht
geben, der stand bei uns nicht in der Liste. Essen bekam sie
natürlich mit.
Zu den Gefangenen-Sprechstunden, die jetzt regelmäßig
eingerichtet wurden, kamen die Familien reich beladen. Man
konnte an den Eßvorräten merken, daß München, trotzdem
es lange von der Nahrungsmittelzufuhr abgeschlossen ge
wesen war, den norddeutschen Städten darin viel voraus
hatte. Ich habe da köstliche Braten und „Mehlspeisen" ge
sehen und gerochen. Gegessen leider nicht. Sie wurden als
Gruß ihrer Lieben von den jungen Soldaten-Kerkermeistern,
die für diesen Dienst auch noch Zigarren geschenkt erhielten,
über die Treppen uud Gänge fortgetragen. Später, als ich
herausfand, daß die Brüder damit ins Lehrerzimmer ginge,:
und eigene Festessen veranstalteten, wurden einzelne Kerker
meister auf ganz schmale Kost, Wasser und Brot, gesetzt und
die Gefangenen bekamen das ihnen Zugedachte.