Kappenfest.
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leute nur mäßige Reiter, können die Pferde nicht so schnell
herumdrücken. Die Tiere rutschen und schlagen aufs regen
nasse Pflaster. Junge Soldaten glauben, daß man ihnen
den Kompagnieführer erschossen hat und feuern auf die Deckung
suchende Menge. — Im Vestibül des Adlonhotels liegen Tote.
Panik.
Auch bei einem Teil der Truppe Panik. Die Kompagnien
bilden Schützenlinien nach rechts und links ohne Befehl.
Gespanne werden scheu. Vou oben fällt eine Handgranate
anfs Pflaster und platzt. Verwundete Pferde rasen mit einem
Minenwerferwagen die Linden entlang stadteinwärts.
Dann dringt endlich das Kommando „Stopfen" durch.
In die Totenstille hört man die Regentropfen zischen und
das Tapsen vieler flüchtender Füße.
Die Truppe ordnet sich, der Marsch geht weiter.
Hinter dem Tiergarten schlägt noch einmal ein kurzes
Gruppenfeuer in einem herandrängenden Schwarm von
Moabiter Gesindel.
Wenn die Kugeln nur immer die Richtungen träfen.
Die Richtigen sind die gewissenlosen Hetzer und die ganz
Dummen, die marschierende Truppen in Aufstandszeiten für
Maskeradenzüge halten, an denen man sein Gaudi haben kann.
Die Kugel ist eine Törin. Sie hätte auch meinen Bruder
treffen können, der in Charlottenburg an der Bordschwelle
stand. Er war, wie viele Menschen aus der Provinz, in
Berlin zu Besuch und konnte bei der Bahnsperre nicht zurück.
Er hatte, wie andere auch, hungrige Tage gehabt im Hotel
und kein Geld, weil die Post nicht kam. Ein Generalstreik
trifft manchmal hart, aber die Verkehrten. Nun liefen wir
Brüder uns zufällig in den Weg unter den zwei Millionen
Bewohnern Berlins, und ich konnte ihn mitnehmen als Zeit-
freiwilligen. Dann hatte er Essen und Geld.