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Oberschlesien.
Über diesen Schilderungen hatte ich halb vergessen zn er
zählen, daß der Schutz an der Grenzlinie unsere eigentliche
Aufgabe war. Zur Besichtigung fuhr ich im Auto dorthin mit.
Myslowitz, eine Stadt mit viel Leben und dem fremd
ländischen Einschlag, den alle großen Grenzstädte haben. Die
Landschaft bricht mit einer Terrasse ostwärts zum Prczemsa-
flusse ab; taktisch betrachtet, eine gut zu verteidigende Linie.
Eine altersgraue breite Holzbrücke führt ins russische Polen.
Da kamen in Friedenszeiten Gänseherden herübermarschiert,
an Zahl so stark wie das preußische Heer. Die Stadt erhob
eineu kleinen Straßenzoll mit wenig poetischem Namen für
Gänse, drei Pfennig, glaube ich, auf den Kopf, und der
brachte im Jahre 90000 Mark. Früher hat man doch eigent
lich gut gelebt! Ehe die große militärische Beförderung der
Gänse zu Kochgeschirr-aspiranten einsetzte.. .
Zwischen den Brückenpfosten an unserer Seite hing ein
schlaffer Draht mit rostzerfressenen Zähnen als Sperre, und
dahinter standen unsere beiden kleinen Miuenwerfer, damit,
wenn es mal schlimm käme, die Brücke unter Feuer ge
nommen werden könnte.
Die Kompagnie lag auf der großen Grube, und die Posten
standen hoch oben auf dem Eisengerüst des Förderturmes,
wo das große dünne Rad sich schwindelnd dreht und den
eisernen Faden wickelt, der Menschen- und Kohlenfracht im
Schachte zieht. Der Mann, der diese wichtigste Maschine des
Bergwerks bedient, muß klare Nerven haben.
„Wenn das nun mal reißt?"
„Das darf nicht reißen!" die Antwort wie bei Zola.
Unten wurde gerade ein Festgenommener eingebracht, ein
jüngerer, bescheiden gekleideter und bescheiden aussehender
Mann.
Aus den Taschen holte man ihm hebräisch geschriebene