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Oberschlesien.
entstanden, nnd das Ergebnis war, daß die tadellosen Förder
anlagen, Schüttelbahnen, Drehscheiben und Aufzüge größten
teils leer liefen.
Man nahm das nicht so tragisch. Es lohnte sich doch
nicht so recht, meinte man, die Kohlen nach oben zu be
fördern, weil es an Eisenbahnwagen fehlte.
Nun, jedenfalls wußte ich endlich, warum die Kohlen so
selten und so teuer sind.
Mit den Bergleuten konnte man sich großartig unter
halten, so daß ich, als wir miteinander vertraut geworden
waren, auch endlich die Frage wagte: „Warum streikt ihr
so oft und mit solcher Ansdauer?"
Da sagte einer: „Wenn man soviel Geld verdient wie
wir, kann man sich auch schon mal einen kleinen Streik
leisten."
Die Antwort habe ich mir gemerkt. Sie ist bezeichnend,
sollte scherzhaft sein und hat einen ernsten Inhalt. Das
trostlose Lassallesche Lohngesetz, das angeblich die Arbeiter
im Joch der Arbeit hält, galt hier nicht. Die Häuer und
Wagenschieber verdienten mehr als das Lebensnotwendige.
Übrigens gönne ich meinen neugewonnenen Freunden ihren
reichlichen Schichtlohn von ganzem Herzen. Jedes Ding hat
zwei Seiten. Ein Spaß ist Bergmannsarbeit auch in Ober
schlesien nicht.
Als wir uns für unsere lieben Anverwandten in schöner
Gruppe mit Blitzlicht abnehmen ließen, prasselten ein paar
Zentner Kohlenklumpeu von der Decke herunter. Das nennt
der Fachmann einen „Bergmannsfloh" und beachtet ihn
nicht mehr als einen richtigen Floh. Man kann aber daran
sterben. Nebenbei war eine Zimmerwärme von 23° „vor
Ort" und auch einiger Staub. Eine lange Strecke, durch die
wir krochen, war kürzlich „zu Bruch" gegangen, dann wieder