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Sie befreien, auch die Möglichkeit haben, die Gegner nach Kriegs-
und Standrecht zu behandeln. ,Wenn so etwas noch einmal vor-
kommt, gehe ich mit Ihnen nicht weiter zusammen, denn dann ver-
derben Sie uns die Truppe.' Ich habe ihn dann um sein Einverständ-
nis gebeten, daß am 24. Dezember die Matrosendivision im Schloß
und im Marstall von unseren Truppen angegriffen wird. Ebert gab
sein Einverständnis. ... “*)
Daß Groener die Wahrheit sagte, beweisen auch die Enthüllungen
des damaligen Sekretärs in der Reichskanzlei, Walter Oehme. Er
schrieb in der Zeitung der USPD „Die Freiheit“ am 27. Dezember 1919
über die Vorgänge in der Nacht vom 23. zum 24. Dezember 1918 in
der Reichskanzlei:
„Im Arbeitszimmer Eberts saßen in den Nachtstunden Ebert,
Scheidemann, Landsberg, der Unterstaatssekretär Baarke und der
Kriegsminister Scheüch. ... Aus diesen Gesprächen ging hervor,
daß die Volksbeauftragten sich über die militärischen Maßnahmen
mit dem Kriegsminister vollkommen einig waren. ... Der Kriegs-
minister erhielt den entsprechenden Auftrag, gegen die Volks-
marinedivision mit allen Machtmitteln vorzugehen.“**)
Die Matrosen hatten inzwischen, sich auf Eberts Worte verlassend,
nicht nur die Reichskanzlei, sondern zum größten Teil auch den Mar-
stall und das Schloß verlassen, denn ein großer Teil nächtigte bei den
Familien bzw. hatte bereits Weihnachtsurlaub genommen. Im Schloß
blieben etwa 30 und im Marstall 70 bis 80 Matrosen zurück.
Noch in der Nacht befahl Scheüch sämtlichen Stäben und Truppen
von Groß-Berlin, daß sie sich dem Kommando des Generals Lequis
unterzuordnen haben. Der Regierung empfahl man, stets nachzufra-
gen, „welche Befehle General Lequis gegeben hat, damit Herr Ebert
im Bilde ist“. Schloß und Marstall wurden von großer Truppenmacht
systematisch umstellt. Die Kommandantur übernahm auf Scheüchs
Befehl Oberst Schwerk. Als um 3 Uhr früh der Adjutant des Kriegs-
ministers Scheüch beim Generalkommando Lequis besorgt nachfragte,
ob für ein „so schwieriges Unternehmen“ auch wirklich alles genü-
gend vorbereitet sei, ob vor allem ausreichende Kräfte herangeführt
seien, antwortete Major von Harbou, der Chef des Stabes des Gene-
ralkommandos Lequis: „Verlassen Sie sich darauf, der Film klappt.“
Der heimtückische Überfall auf die
Volksmarinedivision
Der Genosse Max Wirbeleit, der als Matrose der Volksmarinedivi-
sion angehörte, war am 24. Dezember schon sehr früh von Volksmarinedivi-
*) Der Dolchstoßprozeß in München, München 1925, S. 224.
**) "Die Freiheit“ vom 27. Dezember 1919.