Und die „Rote Fahne“ schrieb am 7. Dezember:
"... Arbeiter! Soldaten! Genossen! Die Revolution ist in höchster
Gefahr! Rettet, rettet, rettet Euer Werk des 9. November! Rettet die
Revolution, die Freiheit, den Sozialismus! Erhebt Eure Donner-
stimme und Eure Millionen Arme gegen die Verbrecherbande, die
Putsche, Anarchie und Morde veranstaltet!
Arbeiter! Soldaten! Genossen! 14 Leichen auf dem Pflaster Berlins!
Wehrlose, friedliche Soldaten, durch feigen Meuchelmord nieder-
gemacht! Zieht zur Verantwortung die Schuldigen dieses Ver-
brechens! Fegt hinweg von der Regierung die wahren Schuldigen,
die infamen Hetzer, die Verführer der unaufgeklärten Soldatenmasse,
die Wels, Ebert und Scheidemann ... !
Ihre Namen sind jetzt zum Schlachtruf der Gegenrevolution, zum
Feldzeichen der Anarchie und des Brudermordes, zum Banner des
Hochverrats an der Revolution geworden!
Energie! Geschlossenheit! Festigkeit! Es gilt zu handeln! Das blutige
Verbrechen muß geahndet, die Verschwörung der Wels-Ebert-Scheide-
mann muß mit eiserner Faust niedergemacht, die Revolution gerettet
werden ... Die ganze Macht an die Arbeiter- und Soldatenräte!
Ans Werk! Auf die Schanzen! Zum Kampf! Nieder mit den blut-
besudelten, feigen Veranstaltern des Putsches!
Hoch die Revolution!“
Auch der „Rote Soldatenbund“ forderte in einem Flugblatt den Sturz
der Regierung und zur Teilnahme an der Massendemonstration auf.
Diese Demonstration versuchten die Initiatoren der Ausschreitungen
vom Vortage doch noch zum Ausgangspunkt blutiger Kämpfe zu
machen, um den gewünschten Vorwand für das Einrücken der Front-
truppen zu erhalten. Hierüber berichtete der Genosse Emil Eichhorn:
„Vormittags sammelten sich die Demonstranten in der Siegesallee.
Ich fuhr selbst hin, um den ruhigen Verlauf zu überwachen.
Die Gefahr war nicht gering; schon als ich zur Siegesallee fuhr, be-
gegneten mir Panzerautos, und als ich sie anhielt, erfuhr ich, daß sie
nach der Kommandantur beordert seien. Als der Zug der Demon-
stranten in der Straße Unter den Linden bis in die Nähe der Uni-
versität unweit der Kommandantur gekommen war, schwärmten
plötzlich zahlreiche Trupps der Republikanischen Soldatenwehr gegen
die Spitze desselben aus. Ich eilte sofort herbei und ersuchte die Sol-
daten, sich sofort zurückzuziehen, sie gaben mir zur Antwort, sie
hätten den Auftrag, den Demonstrationszug zu sprengen. Gleichzeitig
entdeckte ich, daß die gärtnerischen Anlagen zwischen Opernhaus
und Kronprinzenpalais mit schußbereiten MG geradezu gespickt
waren. Unteroffiziere standen zur Bedienung an den MG. Wir, ich
und einige Genossen, mußten jedem einzelnen in die Arme fallen und
sie von den MG wegdrängen; mit allergrößter Anstrengung und
eigener Lebensgefahr gelang es so, die Truppen zum Abzug zu be-
wegen ... “*)
*) Emil Eichhorn, Über die Januarereignisse, Berlin 1919, S. 34/35.
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