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beiden da vorn weg.' Fünf Mann pirschen sich an die beiden und
ziehen sie an der Brücke auf den Bürgersteig. Es sind, ich kann nur
kurz hinschauen, ein Mann und eine Frau. Der Mann lebt noch.
Dann kommt der Feuerbefehl. Ich jage mit den anderen schwere
Feuerstöße gegen die Schloßfenster, aus denen ununterbrochen ge-
schossen wird. Peters hält den Patronengurt gut. Die Kugeln pfeifen
um uns herum; eine klatscht neben Peters in die Patronenkiste. In
der Hitze des Gefechts haben wir nicht gemerkt, daß wir auch aus
dem Marstall beschossen werden. 'Feuer 'rumreißen!‘ ruft Paul. Und
nun feuern wir zu den Fenstern des Marstalls.
Inzwischen hat sich von der Wasserseite her ein Matrose heran-
geschlichen. Paul verhandelt mit ihm und gibt dann den Befehl, den
Marstall zu stürmen. Gegen eine starke, königstreue Gruppe von Offi-
zieren, Kadetten, Fähnrichen und Schloßbeamten kämpfend, dringen
wir in den Marstall ein. Sie hatten kurz zuvor die Schloßwache über-
wältigt, die rote Fahne vom Schloß geholt und die herbeieilenden
Soldaten vom Arbeiter- und Soldatenrat mit einem Kugelhagel über-
schüttet. Nun saßen sie in einer Mausefalle und fielen restlos im
Kampf, der sich auf den Korridoren und Treppen abspielte. Unter
den Toten befanden sich mehrere Schloßbeamte, die ihren Wahnsinn,
dem nach Holland Geflüchteten noch weiter die Stange zu halten,
mit dem Leben bezahlten. Wir hatten ebenfalls vier Tote und zwei
Verwundete.“
Arbeiter und Matrosen
gründen die Volksmarinedivision
Der Obermaat Paul Wieczorek, der aus dem oberschlesischen Indu-
striegebiet stammte, war vor Beginn der Revolution als Marineflieger
auf dem Flugplatz Johannisthal bei Berlin stationiert. Er war bereits
an den ersten Meutereien in der kaiserlichen Flotte beteiligt gewesen.
Als mutiger und unerschrockener Kämpfer seiner Klasse genoß er das
Vertrauen seiner Kameraden. Am 9. November war er zusammen mit
dem Matrosen Fritz Radtke und anderen Matrosen nach Berlin geeilt,
um sich an der lang ersehnten Erhebung zu beteiligen.
Wieczorek berief für den 11. November mittags eine Matrosenver-
sammlung im Admiralsstab in der Bendlerstraße mit dem Ziel ein,
eine revolutionäre Matrosentruppe zu gründen. Sein Gefährte, Fritz
Radtke, traf auf dem Wege dorthin eine andere Matrosentruppe, die
mit Heinrich Dorrenbach vom Reichstag aus auf die Straße gegangen
war, um ebenfalls weitere Matrosen für die Schaffung einer revolu-
tionären Formation zu gewinnen. Radtke veranlaßte diese Gruppe, zum
Admiralsstab mitzukommen.
So war es möglich, dort bereits eine Organisationsbesprechung zur
Gründung der Matrosentruppe durchzuführen. Hier wurde der Druck
von Handzetteln organisiert, durch die alle in Berlin weilenden Ma-
trosen aufgefordert wurden, sich um 15 Uhr im Marstall einzufinden.
Der Vorschlag, dieses Treffen im Marstall durchzuführen, war von