geeignete» Zeitpunkt gekommen sahen. Den Männern der Regierung, besonders
Noske, ist es jedensfalls nicht zn danken, wenn der Putsch mißlang; Noske
hatte sogar noch am Freitag, den 12. März, nichts Besseres zu tun, als einen
unabhängigen Führer in Schutzhast zu nehmen, während ihm selbst schon
der Boden unter den Füßen wankte. Das Verfahren gegen die Schutzhast-
Gefangenen war langwierig. Hierin ist er immer noch von Leinert übertrofsen
worden, der es fertig bekam, sogar am 18. März einen Schutzhaftbefehl gegen
einen Angehörigen der U. S. P. mitzuunterzeichnen. Es wurden oftmals viele
Monate, bevor das Reichsmilitärgericht überhaupt zu einer Entscheidung kam,
ja, es sind sogar Fälle vorgekommen; in denen eine Entscheidung mit der Be-
gründung ausgesetzt wurde, man hätte nicht genügend Beweise zu der Berech
tigung der Schutzhast und müsse diese Beweise erst beschaffen; so geschah es
z. B, im Fall des Schriftstellers Worin, Auf diese Weise wurde den Prole
tariern und revolutionären Führern das einfachste Recht, das schon im alten
Preußen seit 1848 geachtet wurde, genommen, das Recht der persönlichen
Freiheit. Die Schutzhaft bedeutet eine der schlimmsten Formen des Terrors,
was aber nicht hinderte, daß sie von solchen angewandt wird, die sonst nicht
genug gegen die Diktatur des Proletariats als eine angeblich terroristische
Herrschaftsform wettern können. Schon hier mag auch darauf hingewiesen
werden, wie anders das Verfahren sich gestaltete, wenn Offiziere oder dergl.
in Schutzhaft genommen wurden. Das Reichsmilitärgericht konnte gar nicht
schnell genug in solchen Fällen zu einer Entscheidung kommen, und die Be-
schwerden der Inhaftierten hatten in diesen Fällen stets Erfolg. Hierfür braucht
nur auf die Affäre in Wilhelmshaven hingewiesen zu werden, in der die Offi
ziere fast schneller wieder entlassen wurden, als sie verhaftet worden waren.
Es ist eben in einem Klassenstaat, wie noch zu zeigen sein wird, ein großer
Unterschied, ob man Arbeiter und Revolutionär, oder ob man Offizier und
Reaktionär ist. Das wird man dann besonders einsehen, wenn man auch
hier sich vergegenwärtigt, wie das Reichsmilitärgericht besetzt ist, wenn es über
die Rechtmäßigkeit der Schutzhaft entscheidet; vier Reichsgerichtsräte und drei
Offiziere. In einem Fall hießen diese Offiziere Kapitän zur See Graf von
Zeppelin, Oberst von Scherwing, Major von Voß, wie man sieht, alle»
Männer, die von Hause aus dazu berufen sind, über Arbeiter zu Gericht zn
sitzen. Das nennt man dann den höchsten Gerichtshof einer vollendeten
Demokratie.
III. Prozesse gegen Offiziere und Reaktionäre
1. Liebknecht- und Rosa-Lurcmburg-Prozetz.
Die Unbilligkeit und Ungerechtigkeit dieser Justizhandhabung wird aber
erst recht eindringlich klar, wenn man sich der anderen Seite zuwendet, den
Urteilen, die gegen Offiziere und Reaktionäre gefällt worden find. Schon die
Namen wirken empörend: Mar loh, Hiller, v. Kessel, Oldwig
v. Hirjchfeld, Arco und die Mörder Liebknechts und Rosa
Luxemburgs. Während man den Proletariern gegenüber die schnelle
Gerichtsbarkeit der außerordentlichen Kriegsgerichte und die schnellere der
Standgerichte für zweckmäßig hielt, brauchte das Kameradengericht vier Monate,
ehe cs zu einer Verhandlung gegen die Mörder Liebknechts und Rosa Luxem
burgs kam. Inzwischen war man eifrigst bemüht gewesen, möglichst viel zu
vertuschen und zu verlöschen. Der Erfolg war denn auch außerordentlich.
Sechs Angeklagte wurden freigesprochen, ein Leutnant erhielt sechs
Wochen verschärften Stubenarrest und der Mörder Runge und der Mörder Vogel
erhielten zwei Jahre Gefängnis. Nach dem Urteilsspruch fand sich keine Stelle,
die sich für befugt hielt, das Urteil zu bestätigen oder nicht zu bestätigen.
Und als Schluß der Tragikomödie entwich der Mörder Vogel mit Hilf«
von Kameraden in das Ausland, während der Mörder Runge, nachdem er
einige Zeit gut und reich beschenkt im Lazarett zugebracht hat, spurlos in der
Versenkung verschwunden ist. Gegen die Urteile im Arcoprozeß und gegen
IS