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sich, eine Einigung erzielt zu haben. Doch der Finanzminister
hatte inzwischen Angst vor der eigenen Courage bekommen.
Er wollte die Vereinbarung nur unterschreiben, wenn Wels
mitunterschriebe. Heinig eilte also auch zu Wels, erläuterte
ihm die Vereinbarung und fügte besorgt hinzu; „Nach einiger
Zeit werde es nicht schwer sein, den Volksmarinerat auch aus
dem Marstall herauszubekommen.“ Wels, der an all dem gar
nicht mehr interessiert war, antwortete: „Ja, Ihr Plan hat viel
für sich, aber jetzt ist’s zu spät.“ 191
Die Matrosen indessen hielten sich an die Vereinbarung. Sie
glaubten um so mehr, daß diese ehrlich gemeint sei, als am
nächsten Tage schon ein Teil der Räume im Marstall zur Ver
fügung gestellt wurde. Heinig schreibt:
„Es wurden Räumungsbefehle gegeben. Man konnte sich
durch Augenschein davon überzeugen, daß wirklich gepackt
und über die Straße zum Marstall transportiert wurde.“ 192
Aus Zeugenaussagen von Matrosen vor dem Untersuchungs
ausschuß geht hervor, daß die Matrosen noch Monate später
daran glaubten, eine feste Vereinbarung getroffen zu haben. 193
Die Provokation des Stadtkommandanten Wels
Wels ließ, nachdem er Heinigs Vereinbarung verworfen hatte,
der Volksmarinedivision Räume außerhalb des Schlosses und
des Marstalls anbieten, die von solcher Beschaffenheit waren,
daß die Matrosen es ablehnen mußten, sie zu beziehen. Er
verlangte, daß die Matrosen nicht nur das Schloß, sondern
auch den Marstall räumten.
Am 21. Dezember erhielten alle in Berlin anwesenden Trup
pen außer der Volksmarinedivision ihre Löhnung. Daraufhin
bemühte sich die Leitung der Division bei den entsprechenden
Instanzen um die Bezüge auch für ihre Kameraden. Die Ma
trosen berichteten selbst darüber:
„Noch am 21. Dezember gab sich der Ausschuß die größte
Mühe, die Ansprüche der Volksmarinedivision zu befriedigen.
Man setzte sich mit allen möglichen Stellen in Verbindung und
zuletzt, um wenigstens die Löhnung am 23. Dezember aus-
191 Kurt Heinig, a, a. O., S. 95.
192 Ebenda.
193 Niederschriftenband UdPL, S. 8011.