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Die politische Haltung der Matrosen war nicht einheitlich.
Das hatte die Volksmarinedivision mit der gesamten Arbeiter
klasse gemein. Es gibt eine Reihe von Zeugnissen dafür, daß
von Anfang an keine einheitliche politische Zielsetzung das
Handeln der Matrosen bestimmte. Diese Zeugnisse lassen aber
zugleich erkennen, daß die vom Spartakusbund beeinflußten
Kräfte bei den Matrosen stärker vertreten waren als in der
Arbeiterklasse schlechthin. So sagte beispielsweise der Ma
trose Halves, der Leiter der Personalabteilung der Volks
marinedivision, vor dem Untersuchungsausschuß über die Ur
sachen der Januarunruhen 1919. in Berlin aus: „Die Leute,
wohl stark die Hälfte, sind damals (November bis Dezember
1918 — K. W.) linksradikal gewesen . . ,“ 70
Krieger berichtet, daß der Matrose Wilke (derselbe, der in
Wels’ Auftrag in Kiel gewesen war), „da eine Spaltung unter
den Matrosen entstand“, wenige Tage nachdem er Mitte No
vember Kommandant im Schloß geworden war, wieder ab
gesetzt wurde. 71 Krieger schreibt weiter: „Ein Teil hielt zur
Regierung, der andere neigte zu den Spartakisten. Der letztere
gewann nach und nach die Oberhand. Ungewollt mußte man
oft Zeuge lebhafter Debatten sein, die sich keineswegs immer
in parlamentarischen Formen bewegten.“ 72
Sehr ähnlich — nur seinen eigenen Standpunkt deutlicher
erkennen lassend — äußerte sich Rotheit: „Nach und nach
stellte sich das Problem so: Soll die Volksmarinedivision im
Sinne der Mehrheitssozialisten Ordnungswächter der Revolu
tion sein, oder soll sie unter dem Vorwand der Bekämpfung
der Gegenrevolution ein Werkzeug der Unabhängigen und
Spartakisten werden?“ 73
Bernstein erwähnt ärgerlich „die willige Aufnahme der
spartakistischen Schlagworte auch bei den Matrosen“. 74 Uber
die politische Haltung der Matrosen, die aus Cuxhaven kamen,
ist eine Äußerung des Matrosen Hirsch aufschlußreich:
„Während der langwierigen Eisenbahnfahrt waren wir von
Kupee zu Kupee gewandert, hatten überall Diskussionen ab-
70 Niederschriftenband UdPL, S. 8005 (siehe Quellenverzeichnis).
71 Bogdan Krieger, a. a. O., S. 18.
72 Ebenda, S. 27.
73 Rudolf Rotheit, a. a. O., S. 29.
74 Eduard Bernstein, Die deutsche Revolution, Berlin 1921, S. 104.