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Satz seines ersten Aufrufs, der behauptete, der Arbeiter- und
Soldatenrat habe den Generalstreik beschlossen. Das war nicht
nur eine Lüge, sondern eine unerhörte Niederträchtigkeit von
Leuten, die noch am Abend zuvor ihre Funktionäre angewiesen
hatten, den Ausbruch des Generalstreiks zu verhindern.“ 11
Auch auf die von Kiel her anrückenden Matrosen ver
suchten die Mehrheitssozialisten sofort Einfluß zu gewinnen.
Der „Deutsche Kurier“ schrieb am 9. November, daß ein
sozialdemokratischer Abgeordneter den Matrosen entgegen
gefahren sei, „um sich an ihre Spitze zu stellen“. Er meldete
auch, daß um siebzehn Uhr eine große Versammlung der See
flieger und Matrosen bei Aschinger am Bahnhof Friedrich
straße stattfinde, in der ein sozialdemokratischer Reichstags
abgeordneter sprechen würde.
Die für den nächsten Tag, den 10. November, zum „Vor
wärts“ eingeladenen Soldatenvertreter erschienen in großer
Zahl. Wels sprach zu ihnen und zu den ebenfalls bestellten
Betriebsvertrauensräten der SPD. Er erzählte ihnen von
einem „hinterhältigen Plan“, einem „Überrumpelungsversuch“,
den die revolutionären Obleute und der linke Flügel der USPD
mit ihrer für siebzehn Uhr in den Zirkus Busch einberufenen
Versammlung der Arbeiter- und Soldatenräte Groß-Berlins
vorhätten. Er hämmerte den Soldaten die Stichworte „Natio
nalversammlung“ und „Parität“ ein und erklärte, für den Fall,
daß die Unabhängigen es unter dem Druck ihres linken Flügels
ablehnen sollten, sich an der von Ebert und Scheidemann den
USPD-Führern Dittmann, Ledebour und Haase angetragenen,
paritätisch zusammengesetzten provisorischen Regierung zu
beteiligen, dann bliebe nur eine Regierung Ebert-Scheidemann
übrig. Er stellte ihnen die Haltung der Naumburger Jäger zur
SPD als Vorbild hin.
Die so beeinflußten, größtenteils jungen Soldaten, die von
der kaiserlichen Regierung als vermeintliches Bollwerk gegen
die Revolution nach Berlin geholt worden waren, zogen dann
geschlossen zum Zirkus Busch und hatten dort von vornherein
das Übergewicht. Es ist bekannt, wie dort unter ihrem Druck
das Prinzip der Parität von SPD und USPD sowohl bei der
Wahl des Rates der Volksbeauftragten als provisorische Re-
n Richard Müller, a. a. O., S. 41/42.