Die sowjetische Delegation war bereit, alle diese- Fragen
zu prüfen, aber der Lösung dieser Fragen werden alle mög
lichen Hindernisse in den Weg gelegt.
Sind diese Fragen aktuell? Selbstverständlich! Nehmen
wir beispielsweise die Versorgung der Bevölkerung mit Brenn
stoff. Schon jm Sommer haben die sowjetischen Besatzungs
behörden 500 000 cbm Brennholz für. die Bevölkerung des
Sowjetsektors freigegeben. Doch der Magistrat hat keinerlei
Maßnahmen züm Transport dieses Holzes nach Berlin ge
troffen. Außerdem haben die sowjetischen Besatzungs
behörden Waldstücke freigegeben und dem Magistrat vor
geschlagen, das selbständige Schlagen und Heranschaffen des
Holzes zu organisieren. Aber der Magistrat war nicht gewillt,
sich mit dieser Aufgabe überhaupt zu befassen, was aus dem
Brief von'Stadtrat KlingelHöfer an die Sowjetische Komman
dantur ersichtlich ist. Oder nehmen wir beispielsweise- die
Frage des Baues und der Instandsetzung von Wohnräumen.
Im vorigen Jahr wurden zu diesem Zweck 8 527 000 RM
verausgabt, im laufenden Jahre aber nur 2 717 000 RM.
Nehmen wir schließlich die Frage der Verabfolgung einer
warmen Mahlzeit in Groß- und Mittelbetrieben sowie bei
gesundheitsschädlichen Arbeiten, d. h. eine Frage, die die
Werktätigen unmittelbar betrifft. Auch sie ist bis jetzt nicht
entschieden. Wie Sie sehen, gibt es nicht wenig Fragen, um
deren Lösung sich der Magistrat in erster Linie kümmern
sollte.
Frage: Welches sind nach Ihrer Meinung die Hinter
gründe zu der Kampagne einiger Zeitungen und der SPD-
Führung um die sogenannte Verfassungskrise?
Antwort : Der ganze Verfassungsrummel wird aus
einem Zentrum inspiriert. Diese Kampagne bezweckt die
Diskreditierung des Prinzips der Viererverwaltung Berlins.
Aber sie verfolgt auch noch andere Ziele. Bekanntlich wird
Berlin im Winter möglicherweise vor großen Schwierigkeiten
stehen. Aber die führenden Leute des gegenwärtigen Magi
strats suchen keine Wege zur Lösung der Winterprobleme,
sondern versuchen auf jede Weise die Verantwortung für
die -Vorbereituifg auf den Winter von sich abzuwälzen und
ihre eigene Untätigkeit zu rechtfertigen, indem sie die Schuld
den Besatzungsbehörden, in erster Linie der Sowjetischen
Kommandantur zuschieben.
Anderseits versuchen diese Elemente in Berlin eine Politik
der Sabotage durchzuführen. Sie unternehmen alles mögliche,
um eine Besserung- in der materiellen Lage der Bevölkerung
Berlins zu hintertreiben und seine Industrie zu lähmen. Das
wird zu dem Zweck unternommen, um die Voraussetzungen
zur Spaltung Berlins und zur Unterordnung seiner westlichen
Sektoren unter die Bizone Zu schaffen. Selbstverständlich
wäre eine solche Politik -und besonders die Aufspaltung
Berlins ein großes Unglück für die Werktätigen und für
ganz Berlin.
Um zu beweisen, daß dies alles, von gewissen greisen
inspiriert und wie nach Noten gespielt wird, sei folgendes
Beispiel angeführt;
Die Sitzung der Alliierten Kommandantur über die er
wähnte Frage endete am 9. September um 18 Uhr, Doch
bereits um 14 Uhr erhielt der Berliner Magistrat von dem
britischen Verbindungsoffizier eine Erklärung des britischen
Kommandanten, die seine Antworten auf die Fragen ent
hält, die an die Kommandantur gerichtet wurden. Das zeugt
davon, daß die britische Delegation im voraus beschlossen
hätte, einen gemeinsamen Empfang der Delegation der
städtischen Selbstverwaltung zu anderen Fragen nicht zu
zulassen, daß sie ihre Antworten im- voraus vorbereitet hatte
und sich beeilte, sie dem Magistrat zu übergeben, ohne sich
auch nur die Mühe zu geben, den Schluß der Sitzung der
Alliierten Kommandantur abzuwarten.
Dieser kleine, aber charakteristische; Umstand wirft Licht
auf die Hintergründe des ganzen Rummels um die Erörterung
der sogenannten Verfassungsfragen.
Frage : Wohin kann die weitere Entwicklung dieser
politischen Linie der Berliner Selbstverwaltung führen?
A n t w o r t : Ich hege die Hoffnung, daß die nüchternen
Köpfe in der Stadtverordnetenversammlung und im Magistrat
endlich begreifen werden, daß der gegenwärtige Augenblick
dringend die Lösung der praktischen Fragen erfordert, die
sich aus den Bedürfnissen der Bevölkerung ergeben. Andern
falls würde sich die Krise immer mehr verschärfen, und
darunter kann nur die Bevölkerung Berlins leiden. (SNB).
(„Tägliche Rundschau" Nr. 212, Donnerstag, 11. Sept. 1947.)