B. Ersatz durch unterhaltspflichtige Angehörige
des Unterstützten
10. Die gesetzliche Unterhaltspflicht von Verwandten
wird durch die Gewährung der öffentlichen Unter
stützung nicht beeinträchtigt. Sie besteht daher für
die Zeit der Unterstützung eines Unterhaltsberechtlg-
ten fort, soweit der Unterhaltspflichtige während
dieser Zeit unrerhaltsfühig ist. Unterhaltspflich
tige Angehörige von Unterstützten können zu
Leistungen nur herangezogen werden, wenn im
Zeitpunkt der ünterstützungsgewäh-
r u n g Unterhaltsfählgkeit i>estand. Waren sie zu
dieser Zeit nicht unterhaltsfähig, so ist es nicht zu
lässig, Leistungen von ihnen zu fordern, auch wenn
sie später unterhaltsfähig geworden sind.
11. Unterhaltspflichtige Angehörige von Unterstützten
haften als solche für die entstandenen Aufwendungen
nicht selbstschuldnerisch. Nur wenn und so
weit sie während der Unterstützungs
zeit unterhaltsfähig waren, können sie
zu Unterhaltsleistungen herangezogen werden, die
alsdann zum Kostenersatz-verwendet werden.
12. Die Heranziehung von unterhaltspflichtigen An
gehörigen des Unterstützten hat alsbald nach Be
ginn der Unterstützung zu erfolgen.
13. Die Unterhaltsansprüche verjähren nach 4 Jahren
vom Ablauf des Kalenderjahres an. ln dem sie ent
standen sind.
C. Ersatz durch Versicherungsträger
14. Hat der Unterstützte Ansprüche gegen einen Ver
sicherungsträger (Krankengeld, Rente usw.), so ist
hei diesem der Anspruch auf Ersatz aus den Ver-
sicherungsleistuugen nach Maßgabe der dafür lie-
stehenden gesetzlichen Vorschriften geltend zu
machen (s, auch Rundschreiben Nr. 32 vom 16. 5.1946).
D. Ersatz durch andere Drittverpflichtete
15. Hat der Unterstützte gegen einen anderen Dritten
Rechtsansprüche auf Leistungen zur Deckung des
Lebensbedarfs, so gilt für deren Inanspruchnahme
das im Abschnitt B Ausgeführte sinngemäß. Für
das Maß und den Umfang der Heranziehung solcher
Drittverpfllchteten sind die besonderen Umstände
maßgebend, auf denen ihre Verpflichtung beruht,
16. Als Leistung zur Deckung des Lebeusbedarfs im
Sinne vorstehender Ziffer 15 sind nur solche Leistun
gen anzusehen, die ihrer Natur nach zur Beschaffung
des Lebensbedarfs gewährt werden. Es gehören dazu
nicht Ansprüche auf Auszahlung von Arbeitsverdienst,
von Kapitalerträgen, von Geschäftsanteilen, Hypo
theken oder sonstigen Darlehen usw. Dagegen fallen
z. B. hierunter die ünterhaltsansprüche unehelicher
Kinder gegen ihre Erzeuger, gegen Schadensersatz-
pflichtige, Altenteilsverpflichtete usw., auch soweit
sie lediglicli auf vertraglichen Vereinbarungen be
ruhen.
E. Ersatz durch die Erben des Unterstützten
17. Wenn ein Unterstützter stirbt, ist an seiner Stelle
grundsätzlich sein Erbe zum Ersatz der für den Ver
storbenen aufgewendeten Kosten verpflichtet. Der
Ersatzanspruch gegenüber den Erben ist eine Nach
laßverbindlichkeit im Sinne des § 1967 BGB., die von
Groß-Berlin nur als Nachlaßgläubigerin geltend ge
macht werden kann. Er erlischt ebenfalls nach
4 Jahren vom Ablauf des Jahres an. in dem die Unter
stützung gewährt wurde.
18. Die Haftung des Erben beschränkt sich auf den
Nachlaß, so daß das eigene Vermögen oder Einkom
men des Erben für die Fürsorgeaufwendungen für
den Verstorbenen nicht in Anspruch genommen wer
den kann.
19. Erben, die mit dem Unterstützten bis zu seinem
Tode nicht nur vorübergehend in häuslicher Gemein
schaft gelebt und ihn ohne rechtliche Verpflichtung
oder durch entsprechende Gegenleistung, wenn auch
in Erwartung einer Zuwendung von Todes wegen,
unterstützt oder gepflegt haben, können den Ersatz
verweigern, sofern und solange die Geltendmachung
ihnen gegenüber eine besondere Härte wäre.
20. Die Kosten der Bestattung eines Hilfsbedürftigen
gelten als dem Verstorbenen gewährt und gehören
daher zu den Nachlaß Verbindlichkeiten.
21. Wegen der Sicherstellung und Verwertung von Nach-
laßgegenständen gelten die Rundschreiben Nr. 53
vom 27. 7. 1946 und Nr, 69 vom 23. 9. 1946.
F. Allgemeine Bestimmungen
22. Für die Geltendmachung der Ersatz- und Unter-
tialtsanaprüche sind gegebenenfalls die ordentlichen
Gerichte zuständig (Gesuch um Erlaß eines Zahlungs
befehls, Klage beim örtlicli zuständigen Gericht).
23. An die Stelle der Anrufung der ordentlichen Gerichts
kann (jedoch nur für die Ansprüche gemäß Ab
schnitt B sowie gegen uneheliche Väter) das Ver
waltungsverfahren gemäß § 23 FV. und § 30 der
Preuß. Ausf.-VO. zur FA’, treten. Für dieses Ver
fahren, für das das Bezirksamt zuständig ist, von
dessen Sozialamt der Hilfsbedürftige zu betreuen ist,
gelten die DBl.-Verfügungeu Teil VIT Nr. 246/1935,
285/1936, 340/1938. Mit Rücksicht auf die noch be
stellenden Unklarheiten in bezug auf die sachliche
Zuständigkeit für dieses Verfahren empfiehlt es sich
jedoch, bis auf weiteres grundsätzlich sogleich die
ordentlichen Gerichte anzugehen,
24. Ais Unterstützter gilt derjenige, für den die Unter
stützungen gewährt wurden, auch wenn sie au einen
anderen ausgezahlt wurden. Bei gemeinsamen Unter
stützungen gilt das Familienhaupt mit der Gesamt-
unterstützung, jeder Familienangehörige in dem Ver
hältnis als unterstützt, in dem der bei der Fest
stellung des gemeinsamen Bedarfs für ihn angesetzte
Bedarf zum Gesamtbedarf steht,
25. Die Kostenersatzpflichtigeu und die Unterhalts
pflichtigen sind verpflichtet, über ihre und die wirt
schaftlichen Verhältnisse ihrer unterhaltspflichtigen
Angehörigen (Einkommens-, Vermögens- und Arbeits
verhältnisse) genaue und wahrheitsgemäße Auskunft
zu geben.
26. Die Arbeitgeber haben über Art und Dauer der Be
schäftigung, ülier die Arbeitsstätte und über den
Arbeitsverdienst von Ersatz- und Unterhaltspflich
tigen Auskunft zu geben. Gegen Arbeitgeber, die
diese Auskunft Innerhalb einer ihnen gesetzten Frist
von mindestens zwei Wochen unentschuldigt nicht
erteilen, kann durch den Bezirksbürgermeister des
das A T erfahren betreibenden Verwaltungsbezirks auf
Grund der Preuß. A'O. ülier die Festsetzung von
Ordnungsstrafen im Fürsorgeermittlungsverfahren
vom 27. 7. 1931 (GS. S. 139) eine Ordnungsstrafe
bis zu 150,— RM festgesetzt und beigetrieben werden.
27. Die Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, den aus
Anlaß der Kosteneinziehung an sie ergehenden Er
suchen der Sozialämter zu entsprechen. Das gilt auch
für die Organe der Vers!eherungsträger, die ins
besondere zur Auskunftserteilung über alle das Be-
schäftigungsverhältnis der Ersatz- und Unterhalts
pflichtigen betreffenden Tatsachen verpflichtet sind,
Audi die Finanzbehörden haben über die ihnen be
kannten Einkommens- und A’ermögensverhältnisse
der Ersatz- oder Unterhaltspflichtigen Auskunft zu
gelien.
28. Um eine sachdienliche Kosteneinziehung zu sichern,
sind mit der Bearlieitung dieser Angelegen hei ten
besonders dafür geeignete Angestellte zu beauftragen.
29. Die Richtlinien treten mit der Bekanntgabe ln Kraft.
II
Richtlinien
für die Berücksichtigung der Angehörigen von Hilis-
bedüritigen bei Gewährung von Fürsorgeleistnngen
{Anrechnungsrichtlinien)
A. Unterhaltspflichtige Angehörige
1. Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, ein
ander Unterhalt zu gewähren (5 1601 BGB.).