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Artikel 95
(1) Alle Berufstätigen haben das Recht, sich zu Verbänden
zusammenzuschließen, um ihr Verhältnis innerhalb "der Volks
gemeinschaft und ihre wirtschaftlichen Bedürfnisse gemein
sam wahrzunehmen. Die besonderen Pflichten, die sich aus
der Stellung der öffentlichen Beamten ergeben, bleiben
unberührt.
0) Der Staat anerkennf'insbesondere Gewerkschaften und
Unternehmervereinigungen. Er billigt ihnen das Recht zu,
Vereinbarungen miteinander zu treffen.
> Artikel 96 . . . ,
(1) Die Arbeiter und Angestellten sind berechtigt, in Ge
meinschaft mit dem Unternehmer an der Verwaltung, Gestal
tung und Entwicklung des Betriebes teilzunehmen. Die
Regelung der Arbeits- und Lohnverhältnisse bildet vornehm
lich den Gegenstand der auf gegenseitigem Vertrauen und
gegenseitiger Anerkennung und Achtung beruhenden Zu
sammenarbeit mit den Unternehmern. '
(2) Bei der Regelung der Zusammenarbeit der Arbeit
nehmer mit den Unternehmern sind die besonderen Bedürf
nisse der Klein- und Mittelbetriebe zu berücksichtigen. Der
auf Fortschritt gerichtete freie Entschluß der Unternehmer
solcher Betriebe darf nicht gehemmt werden.
(3) Die Arbeitnehmer haben Anspruch auf gerechten Lohn,
auf ausreichende Freizeit und auf Urlaub.
(4) Ein Arbeitsrechtsgesetz bestimmt das Nähere.
Artikel 97
(1) Der Staat anerkennt das Streikrecht als Recht der
Arbeitnehmer auf gemeinsame, geregelte Einstellung der
Arbejt zur Erhaltung ihrer Lebensgrundlage und zur Er
reichung günstiger Arbeits-, insbesondere Lohnverhältnisse.
(2) Die Gewerkschaftsleitung entscheidet darüber, ob und
in welchem Umfang die Arbeitnehmer in den Streik treten.
Sie ist verpflichtet, die Wirkung des Streiks auf das Gemein
wohl zu erwägen und' den Streik nur zu beschließen, nach
dem Verständigungsversuche gescheitert sind.
(3) Der Staat Sorgt für die Fortbildung des Schlichtungs
wesens als der staatlichen Einrichtung, die dazu dient, wirt
schaftliche Gegensätze zwischen Arbeitnehmern und Arbeit
gebern friedlich auszugleichen.
Artikel 98
(1) Rohstoffe und Erzeugnisse, die zum lebenswichtigen
Bedarf des Volkes gehören, insbesondere Bodenschätze,
ferner Wasserkräfte sowie Verkehrsmittel und. andere Groß
betriebe können, wenn die Rücksicht auf das Gemeinwohl
dies erfordert, durch Gesetz gegen eine Entschädigung, die
den Rechtsgedanken des Artikels 15 Abs. 3, entspricht, in
Gemeineigentum überführt werden,
(2) Ein Gesetz regelt die Überführung" in Gemeineigen
tum. 1 , .
Artikel 99
(1) Der Zusammenschluß von Unternehmungen, ins
besondere in der Form von Kartellen oder Konzernen, wird
nicht zugelassen, wenn sein Zweck sich dahin richtet, wirt
schaftliche Macht zusammenzuballen, ein Monopol zu bilden,
die breiten Massen der Bevölkerung auszubeuten oder den
selbständigen gewerblichen oder kaufmännischen Mittelstand
zu vernichten.
(2) Preisabr?den, die denselben Zweck verfolgen, sind
nichtig.
Artikel 100 . .
Die Sozialversicherung ist in ihrem Bestand zu erhalten-
und folgerichtig weiter auszubauen.
Abschnitt XI
Die Ehe und die Familie
Artikel 101
(1) Auf Ehe und Familie bauen Gemeinde und Staat sich
auf. ln der Familie werden Gehorsam und Ehrfurcht, Gefühl
für Verantwortlichkeit, 'Gemeinsinn, gegenseitige Liebe und
Treue gepflegt.
(2) Der Staat achtet Ehe und Familie als wichtigste Grund
lagen sittlichen und geordneten Zusammenlebens. Er schützt
und fördert sie.
Artikel 102
(1) Die der Familie gewidmete häusliche Arbeit der Frau
wird der Berufsarbeit gleich geachtet.
(2) Das gesetzliche Güterrecht soll so gestaltet werden,
daß die Frau an dem während der Ehe erworbenen Ver
mögen angemessen teil hat.
Artikel 103
Kinderreiche Familien, haben Anspruch auf angemessenen
Ausgleich.
Artikel 104
(1) Uneheliche Kinder stehen im beruflichen und öffent
lichen Leben den ehelichen Kindern gleich.
(2) Elternlose Kinder, die nicht in einer Familie unter
gebracht werden können, werden in Heime aufgenommen,
die ihnen die Familie soweit als möglich ersetzen.
Artikel 105
(1) Dem Staat und den Gemeinden liegt es ob, die Jugend
davor zu schützen, daß sie ausgebeutet, leiblich, geistig oder
sittlich gefährdet oder verwahrlost wird.
(2) Die freie Wohlfahrtspflege nimmt an der Erfüllung
dieser Aufgabe teiL - 1
(3) Eine Fürsorgemaßnahmc im Wege des Zwangs findet
nur auf Grund des Gesetzes statt.
Abschnitt XII
Die Erziehung und der Unterricht
• 4 Artikel 106
, Die Kinder zu brauchbaren Gliedern der menschlichen
Gesellschaft zu erziehen, ist zuvörderst Recht und Pflicht der
Eltern oder der Erziehungsberechtigten, die kraft Gesetzes
an ihre Stelle treten, aber auch Aufgabe des Staates und der
Kirchen oder anderer Religionsgemeinschaften.
I Artikel 107
(1) Jeder junge Mensch soll ohne Rücksicht auf Herkunft
oder wirtschaftliche Lage so erzogen werden, wie dies seinen
erkennbaren Fähigkeiten und seiner inneren Berufung ent
spricht.
(2) Begabten soll der Zugang zu den mittleren und höheren
Schulen sowie zu den Hochschulen olfenstehen.
(3) Zu diesen Zwecken werden erforderlichenfalls öffent
liche Mittel zur Verfügung gestellt.
Artikel 108
(1) Alle Kinder sind zum Besuch der Volksschule und der
Berufsschule verpflichtet.
(2) An diesen Schulen wird unentgeltlich unterrichtet. Die
Schüler werden mit den erforderlichen Lernmitteln versehen.
Artikel 109
Soweit dies mit der Aufgabe der Erziehung und mit einem
geordneten Schulbetrieb vereinbar ist, wird der Wille der
Erziehungsberechtigten im gesamten Schulwesen berück
sichtigt. .
Artikel HO
Der Staat beaufsichtigt das gesamte Schulwesen. Er übt
die Schulaufsicht durch "hauptamtlich tätige, fachmännisch vor
gebildete Beamte aus.
Artikel 111
(1) Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können ver
mitteln, sondern auch den guten Willen und die sittliche
Festigkeit bilden.