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Die Stadtvertretung kann die Verwaltung bestimmter
Geschäftszweige oder die Erledigung einzelner Geschäfte
beschließenden Ausschüssen übertragen. Diese erledigen
die ihnen übertragenen Angelegenheiten an Stelle der
Stadtvertretung. Die Stadtvertretung ist berechtigt, die
Ausschußbeschlüsse aufzuheben oder abzuändem, sofern
der Bürgermeister oder ein Drittel der« Mitglieder des
Ausschusses binnen einer von der Stadtvertretung in der
Geschäftsordnung bestimmten Frist dies beantragt.
Das Entscheidende ist also, daß hier die Ausschüsse eine
eigene Initiative entfalten und selbständige Beschlüsse fassen
können.
Zwischen den Vorschlägen des Deutschen Städtetages zur
Reichsstädteordnung und dem damaligen Entwurf eines
Selbstverwaltungsgesetzes der SPD für die Stadt Groß-Berlin
besteht insofern ein Unterschied, als den Vorsitz bei den
Verwaltungsausschüssen des SPD-Entwurfs der Bürgermeister
oder einer seiner Vertreter führt, während nach dem Entwurf
einer Reichstädteordnung ein Stadtverordneter den Vorsitz
führt, der aus der Mitte gewählt wird.
Dann scheint mir zweitens der Herzsche Entwurf in der
Regelung der Funktionen der Bezirksämter inter
essant zu sein. Bürgermeister Dr. Acker hat bereits in
seinem Referat darauf hingewiesen, daß er sich vergeblich
nach den Aufgaben umgesehen habe, die die Bezirksverord
netenversammlungen zu lösen haben. Dieselbe Formulierung
kommt irgendwo •— ich weiß nicht mehr, ob in der Debatte
der Stadtverordnetenversammlung oder in der Aussprache
des Preußischen Landtags — vor. Audi dort hat man schon
einmal dieses Problem aufgeworfen und gesagt: was. für
Funktionen hat denn eigentlich noch die Bezirksverordneten
versammlung? Der SPD-Entwurf hat damals einen radikalen
Schluß daraus gezogen,- er hat eigentlich die Bezirks
verordnetenversammlungen aufgehoben. Wenn
in dem SPD-Entwurf von einem Bezirksamt die Rede ist,
so hat dieses Bezirksamt eine völlig andere Bedeutung als
das, was heute unter einem Bezirksamt verstanden wird.
Unter dem Bezirksamt wird nämlich verstanden ein Gremium,
das sich aus dem Bezirksbürgermeister und den Bezirks-
verordneten zusammensetzt, die gemeinsam tagen, .gemein
sam die Geschäfte führen, und zwar im allgemeinen nicht in
öffentlicher Sitzung tagen, sondern nur ausnahmsweise in
bestimmten Zeitabständen öffentlich tagen. Sie haben im
Grunde gemeinsam die Beratung zu führen. Das Bezirksamt
war nicht wie heufe das amtliche Verwaltungsgremium,
sondern ein Gremium, das beamtete und ehrenamtliche Funk
tionäre der St^Jtverwaltung zusaramenfaßte, um gemeinsam
die Verwaltungsaufgaben zu lösen. Es ist also so, daß die
Bezirksämter praktisch überhaupt nur noch Verwaltungsauf
gaben zu lösen haben, keine gesetzgeberische Initiative, auch
nicht im lokalen Rahmen des,Bezirks, zu entfalten haben«
Es ist dann in dem Herzschen Entwurf der Versuch ge
macht worden, das Verhältnis der Stadtgemeindeverwaltung
zur Bezirksverwaltung zu lösen, wobei ein Grundsatz,.der
meines Wissens zum erstenmal von Lorenz von Stein in
der preußischen Verfassungsdebatte des 19. Jahrhunderts
entwickelt wurde, verwirklicht wurde, der im Prinzip besagt,
daß die Zentrale die Direktiven geben und die Verwaltung
weitgehend dezentralisiert werden soll. Es ist in dem Gesetz
entwurf eine Lösung für die Verteilung der Aufgaben ge
funden, die weitgehend den Richtlinien entspricht, die in
unserer Debatte zum Ausdruck kamen. Ich möchte empfeh
len, daß wir bei der Formulierung vielleicht auf die §§ 54
und 55 dieses SPD-Entwurfs zurückgreifen. Sie lauten:
§ 54
Die Verwaltungsaufgaben zwischen der Stadtgemeinde
verwaltung und der Bezirksverwaltung sind von der Stadt- ,
Vertretung in der Weise zu verteilen, daß. durch die Stadt-
gemeindeverwaltung (zentral) nur solche Angelegenheiten
zu verwalten sind, kei denen ihre Eigenart oder ein über
geordnetes Gemeinschaftsinteresse dieT-eitung und Aus
führung von einer Stelle aus unerläßlich macht, Ales
* übrige ist auf die Bezirke zu übertragen.
Die Bezirke sind insbesondere berufen, für ihr Gebiet die
Geschäfte zu führen, die sich aus der der Stadt oder ihren
Organen obliegenden Ausführung der Reichs- und Landes
gesetze, aus der Durchführung der von der Stadt über
nommenen Gemeinschaftsaufgaben ergeben.
5 55
Die Bezirke führen die Verwaltung im Rahmen der von
den Organen der Stadtgemeindeverwaltung zur Ausfüh
rung dieses Gesetzes erlassenen allgemeinen Verwaltungs
vorschriften.
Allgemeine Verwaltungsvorschriften in diesem Sinne sind;
1. die Grundsätze der Stadtvertretung
— das ist die Stadtverordnetenversammlung —,
2. die Ansführungsvorschriften des Hauptaüsschusses,
3. die allgemeinen Bestimmungen des Oberbürgermeisters.
Innerhalb dieses Rahmens haben die Bezirke die Selb
ständigkeit eigenen Ermessens.
Das Entscheidende bei dieser Arbeitsteilung scheint mir
zu sein, daß auf der einen Seite zwar die Bezirksverord
netenversammlung gegenüber dem gegenwärtigen Zustand
in ihren Rechten verkümmert ist, auf der andern Seite aber
durch die Dezentralisation der Verwaltungsaufgaben die
Bezirksämter noch höhere Rechte bekommen, als sie sie
heute haben.
Ich glaube jedoch, daß dieser Gesetzentwurf zumindesten
eine erwägenswerte Lösung für die schwierige Ausbalan
cierung zwischen Zentralismus und Dezentralismus gefunden
hat. In der Debatte, die sich an den Gesetzentwurf der
SPD geknüpft hat und in der insbesondere der Ministerial
direktor Dr. von Leyden hervorgetreten ist, hat es sich
denn auch besonders um die Zahl der Bezirke ge
handelt. Schon damals ist die Frage aufgeworfen worden,
ob es richtig sei, die Zahl der Bezirke mit 20 festzusetzen,
oder ob es nicht zweckmäßiger sei, die Zahl der Bezirke
zu verringern und evtl, auf 10 Bezi'rke herabzugehen. Das
bedeutet nicht nur die Schaffung größerer Verwaltungs
einheiten, sondern je mehr man die Zahl der Bezirke ver
ringert, desto stärker ist in der Debatte der Gedanke anf-
getaucht, nun die Bezirksbürgermeister unmittelbar an der
zentralen Verwaltung teilnehmen zu lassen.
In dem Herzschen Entwurf ist die Bürgermeisterversamm
lung unter Führung des Oberbürgermeisters von vornherein
vorgesehen. In der Debatte darüber, die im Preußischen
Landtag von allen Parteien geführt wurde, ist der Gedanke
aufgeworfen worden, wie weit evtl, bei Beschränkung der
Bezirke die Bezirksbürgermeister Mitglieder des
Magistrats werden könnten, ob man nicht evtl, den
Magistrat aus dem zentralen Oberbürgermeister und den
Bürgermeistern bilden sollte, indem man die bisherigen
Stadträte durch die Bezirksbürgermeister ersetzte. Damit
glaubte man eine engere Zusammenarbeit zwischen der Zen
trale und den Bezirken von vornherein zu gewährleisten.
Auf der anderen Seite wurde aber sofort darauf hingewiesen,
daß ein solches Gremium wahrscheinlich noch weniger
arbeitsfähig sein würde als ein fachlich gegliederter Magistrat,
weil die Kinhturminteressen jedes Bezirks so stark wirken
würden, daß dieser Magistrat niemals die einheitlichen Be
schlüsse fassen könne. Ich habe überall in der gesamten Ver
waltung, in der Staats- wie auch in der Gemeindeverwaltung,
aber auch in der Gewerkschaftsbewegung im ganzen^ 19. Jahr
hundert das Bestreben feststellen können, allmählich von einem
regionalen Prinzip zu einem fachlichen Atbeitsprinzip über-
zugehen. Ich hielt es für richtig, den Gedanken der Bildung
eines Magistrats durch die Bezirksbürgermeister hier mit zu