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Der hinzugezogene Sachverständige des Baustoff
handels, Herr KÜnkel, bezeichnet die ermittelten Pro
zentsätze der Fehlmengen bei losem Material als unter
dem Durchschnitt liegend, während seines Erachtens
der Verlustsatz bei Sackmaterial an der Höchstgrenze
des allgemein anerkannten Kalkulationssatzes für
auftretenden Materialverlust liegt. Auf der anderen
Seite behauptet die Abteilung für Bau- und Woh
nungswesen, daß anfänglich die Baustoffe zum größ
ten Teil in Säcken angeliefert worden sind und
schließt daraus, daß die Mengen, über die die Ge
schäftsführung der Baustoffbeschaffung GmbH, ohne
Anweisung des Magistrats verfügt hat, bedeutend
höher liegen müssen als die von der Wirtschaftbera
tung AG. festgestellten Jahresdurchschnittssätze. Die
Abteilung für Bau- und Wohnungswesen behauptet,
daß auf Grund ihrer Errechnungen 9%% der ange
lieferten Gesamtmenge verschwunden sind, ln ihren
Ausführungen weist die Abteilung für Bau- und Woh
nungswesen darauf hin, daß eine zum Vergleich her
angezogene Firma, die unter denselben Bedingungen
wie die Baustoffbeschaffung GmbH, arbeitet, nur
einen Verlustsatz von 3%% ausweist. Demgegenüber
erklärt wiederum die Baustoffbeschaffung GmbH.,
daß ihre Verlustsätze im Durchschnitt erheblich nied
riger sind als die des privaten Baustoffhandels und
daß deshalb die sowjetische Zentralkommandantur die
Anweisung erteilt habe, daß die Baustoffbeschaffung
GmbH, nur noch solche Handelsfirmen im Strecken
geschäft einschalten dürfe, deren Verlustsätze nicht
höher sind als die der Baustoffbeschaffung GmbH.
Der Grundsatz der Buch- und Bilanzklarheit ist
seitens der Geschäftsführung auch bei der buch
mäßigen Erfassung der Aufwendungen für Repräsen
tationsgelder nicht in ausreichendem Maße berück
sichtigt worden. Es stellt einen Handelsbrauch dar,
daß Vertretern, Einkäufern oder sonstigen Ange
stellten von Firmen in ähnlicher Vertrauensstellung
zur Durchführung ihrer Aufgaben seitens der Firmen
leitung sogenannte Repräsentationsgelder zur Verfü
gung gestellt werden, aus denen die genannten Per
sonen berechtigt sind, von Fall zu Fall Aufwendungen
zur Durchführung ihrer Aufgaben zu bestreiten. Diese
Aufwendungen finden grundsätzlich zum überwiegen
den Teil in den Reisekostenrechnungen ihren Nieder
schlag, sollten aber in der Gewinn- und Verlustrech
nung besonders ausgewiesen sein. Bei dem derzei
tigen Warenmangel ist die Handhabung dieses Han
delsbrauchs insofern geändert, als die Firmen
leitungen ihren hierfür in Betracht kommenden An
gestellten oder Mitarbeitern die Waren oder Gegen
stände, die sie früher nach eigenem Ermessen aus
den ihnen zur Verfügung gestellten Repräsentations
geldern beschaffen mußten, möglichst in natura zur
Verfügung stellen. Demgemäß hat die Geschäftsfüh
rung der Baustoffbeschaffung GmbH, auch Aufwen
dungen für den Kauf von Zigaretten gemacht, die sie
ihren Einkäufern und Vertretern zur leichteren und
schnelleren Abwicklung ihrer Aufträge aushändigte.
Diese von der Geschäftsführung gemachten Aufwen
dungen wurden, wie aus einem vom Rechtsamt unter
suchten Fall hervorgeht, auf die Reisekostenrech
nungen umgelegt. Dabei hat die Geschäftsführung
den Verdacht nicht widerlegen können, daß solche
Anrechnungen stattfanden, auch wenn an die betref
fenden Angestellten tatsächlich oder in dem umge
legten wertmäßigen Umfang Zuteilungen gar nicht
erfolgt sind. Diese Maßnahmen sind zu beanstanden,
da sie die tatsächlichen Aufwendungen der Gesell
schaft verschleiern und einer materiellen Buchprü
fung nicht die Möglichkeit einer genauen Kontrolle
geben. Ein solches Vorgehen ist auch im Interesse
der Geschäftsführung selbst abzulehnen, da sie gege
benenfalls Anschuldigungen dritter Personen über
einen sachlich nicht gerechtfertigten hohen Ziga
rettenverbrauch, wie sie vorliegend tatsächlich er
hoben worden sind, nur Vorschub geleistet wird. Die
von der Geschäftsführung für Zigarettenkäufe ge
machten Aufwendungen müssen als solche in den
Büchern festgehalten und über die Gewinn- und Ver
lustrechnung bilanziert werden, damit die tatsäch
liche Unkostenlage der Firma, in bezug auf die ein
zelnen Geschäftsvorgänge, klar ersichtlich ist. Auch
aus steuerlichen Gründen ist das von der Geschäfts
leitung beobachtete Umlegungsverfahren zu bean
standen. Denn die Frage, ob diese Aufwendungen in
der Steuerbilanz als gewinnschmälernde Aufwen
dungen im Sinne der einschlägigen Bestimmungen
anerkannt werden, ist ausschließlich vom zuständigen
Finanzamt zu entscheiden. Dem Finanzamt ist je
doch eine Entscheidung über diese Frage nur dann
möglich, wenn diese Aufwendungen tatsächlich ent
sprechend ihrem Charakter in der Gewinn- und Ver
lustrechnung ausgewdesen sind. Die Geschäftsführung
mag sich auch hier der Tragweite ihrer Handlungen
nicht bewußt gewesen sein. Es muß aber Vorsorge
getroffen werden, daß in bezug auf die Behandlung
dieser Geschäftsvorgänge der Grundsatz der Buch-
und Bilanzklarheit gewahrt bleibt. Der der Geschäfts
führung in diesem Zusammenhang in der Tagespresse
gemachte Vorwurf, daß sie die Zigaretten für persön
liche Zwecke mehr oder weniger verwandt hat, hat
einer Nachprüfung durch das Rechtsamt nicht Stand
gehalten. Auf der anderen Seite ist die Geschäfts
führung aber den Nachweis schuldig geblieben, daß
der bekanntgewordene Vorgang eine Ausnahme
darstellt.
Zumindesten bis Oktober 194-6 hat auch die Lager
buchführung der Gesellschaft nicht immer den Grund
sätzen einer ordnungsmäßigen Buchführung ent
sprochen. Es muß besonders beanstandet werden, daß
Anweisungen des Geschäftsführers herausgegeben
wurden, die in ihrer Primitivität nicht der Stellung
und Bedeutung der Baustoffbeschaffung GmbH, ent
sprechen. In diesen Anweisungen waren fast durch
weg die Empfänger der angewiesenen Mengen nicht
enthalten. Die Herren Schiede und Matthee, die
früher zeitweise die Einkaufsabteilung leiteten, und
die als hauptsächlichste Belastungszeugen aufge
treten sind, behaupten weiterhin, daß sie eine münd
liche Anweisung erhalten haben, diese handschrift
lich angefertigten Anweisungen nach Abschluß des
Geschäftes zu vernichten oder an den Geschäftsführer
persönlich zurückzugeben.
Ein Mangel in der Lagerbuchführung muß auch
darin erblickt werden, daß aus der Buchhaltung die
tatsächlichen Lagerbestände nicht hervorgehen und
diese lediglich neben der Buchführung nur statistisch
ermittelt werden können. Der Einbau eines Zwischen
kontos bzw. eines Abgrenzungskontos, das die Men
gen aufzunehmen hätte, die bereits verkauft sind
und sich somit nicht mehr in dem Eigentum der Ge
sellschaft befinden, aber noch bei der Firma lagern,
erscheint unbedingt notwendig. Die Mängel, die in
der Lagerbuchführung bis Oktober 1946 bestanden,
wurden auch von dem jetzigen Verkaufsleiter, Herrn
Sledz, und der Geschäftsführung selbst bestätigt. Bei
Übernahme seines Arbeitsgebietes mußte Herr Sledz
eine Verlustbuchung von größerer Menge vornehmen,
um die Lagerbuchführung annähernd in Überein
stimmung mit dem tatsächlichen Lager zu bringen
und um andererseits Fehlabrufe in Zukunft zu ver
meiden, Die Geschäftsführung exkulpiert sich in
diesem Zusammenhänge damit, daß die bisherigen
Verkaufsleiter, insbesondere Herr Schiede und Herr
Matthee, keine ausreichenden Fachkenntnisse be
sessen haben. Diese Einwendungen der Geschäftsfüh
rung können wohl als Erklärung aber nicht als Ent
schuldigung anerkannt werden. Die Verantwortung
trägt ausschließlich die Geschäftsführung.
In den Kreisen seiner Untersuchungen zog das
Rechtsamt auch die Autokäufe sowie die Aufwen
dungen für die Reparaturen der gekauften Autos ein,
zumal die Behauptung aufgestellt wurde, daß auch
für die Anschaffung der Autos Baustoffmengen (in
einem Einzelfall werden 300 Ztr. genannt) abgegeben
sein sollen. Die in dieser Richtung vom Rechtsamt
getroffenen Feststellungen decken sich mit dem Be
richt der Wirtschaftsberatung AG., wonach die Ver
hältnisse durchaus undurchsichtig sind. Es muß als
ein Mangel in der Organisation der Buchführung be
zeichnet werden, daß keine klare Trennung zwischen
den im persönlichen Eigentum des Geschäftsführers