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Volume 145 ([1086-1120])

Full text: Drucksache (Public Domain) Issue1946/1948, 101-150 (Public Domain)

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Versorgung der Bevölkerung mit Textilien und Schuh 
waren durchgeführt werden kann. Auf Grund dieses 
Beschlusses wird nunmehr die unten abgedruckte 
Anordnung erlassen werden. 
Die Einwohner der westlichen Besatzungszonen 
haben bereits vor Monaten erstmalig und jetzt noch 
mals Punktmarken zum Einkauf von Spinnstoff- 
und Schuhwaren erhalten, an die Einwohner der 
sowjetischen Besatzungszone wird demnächst eine 
Punktkarte ausgegeben werden. Deswegen soll nun 
mehr auch den Berlinern die Möglichkeit gegeben 
werden, Textil- und Schuhwaren künftig nicht wie 
bisher nur auf Bezugschein, sondern in erster Linie 
auf eine Punktkarte ^inkaufen zu können. In den 
letzten Monaten sind bereits — zuerst für den briti 
schen, dann auch für den amerikanischen Sektor 
durch die sog. „Seifenkarten-Aktion“ und für den 
französischen Sektor auf andere Weise — einige 
Lockerungen des starren Bezugscheinsystems vorge 
nommen worden. Diese seinerzeit getroffenen, für die 
einzelnen Sektoren verschiedenartigen Behelfsmaß 
nahmen halben der Bevölkerung manche Erleichte 
rung beim Einkauf gebracht und sich auch für die 
Wirtschaft und die Verwaltung im allgemeinen be 
währt. Nunmehr wird eine für längere Zeit wirk 
same und für die drei westlichen Sektoren einheit 
liche Neuregelung des Verfahrens für die Einkäufe 
von Spinnstoff- und Schuhwaren getroffen. 
Wir haben die Vorschriften über die Punktkarte 
bewußt so einfach wie möglich gefaßt. Deswegen 
haben wir — abgesehen von den Karten für die 
Säuglinge — auch von einer Trennung der Karten 
nach Alter und Geschlecht abgesehen, außerdem, die 
Übertragbarkeit und auch eine Koppelung mehrerer 
Karten zu einem Einkauf zugelassen. Diese Rege 
lung soll in erster Linie auch den größeren Familien 
die Möglichkeit geben, die aufgerufenen Punkte der 
Karten aller Angehörigen zu den jeweils dringendsten 
Einkäufen, zusammenzufassen. 
Auf die Karten kann freizügig in jedem belie 
bigen Geschäft der drei Sektoren eingekauft werden; 
die bisherige Beschränkung der Einkäufe nur auf 
Geschäfte des Wohnsitz-Bezirks oder -Sektors fällt 
also weg. Auf dies,e Weise wird die von uns schon 
immer angetrebte gleichmäßige Versorgung der Be 
völkerung aller vier Sektoren nun wenigstens für 
drei Sektoren erreicht und vor allem auch die Vor 
aussetzung dafür geschaffen, daß dort eingekauft 
werden kann, wo die dem Käufer zusagende und 
passende Ware vorrätig ist. Wir hoffen, daß die so 
eröffnete Freizügigkeit des Einkaufs auch die Ini 
tiative des Handels beleben wird. 
Auf die Textil- und Schuhkarte können nicht 
nur Kleidungsstücke und Schuhe sondern auch alle 
übrigen Spinnstoffwaren, so z. B- Bett-, Haus- und 
Küchenwäsche, bezogen werden. Durch die Einbe 
ziehung dieser weiteren Waren in das Kartensystem 
werden der Bevölkerung Wege zu den Kartenstellen 
auch bei derartigen Anschaffungen erspart. Die da 
mit geschaffene erhöhte Warendeckung wird den 
Aufruf einer höheren Punktzahl und somit mehr 
Einkäufe nach freier Wahl ermöglichen. 
Die Abschnitte der Textil- und Schuhkarte kön 
nen nicht nur für Neuanschaffungen sondern auch 
bei der Erteilung von Aufträgen zur Ausführung 
solcher Reparaturen an Spinnstoff- und Schuh- 
waren verwendet werden, für welche der Reparatur 
betrieb aus seinen Beständen Material hergibt. Wir 
hoffen, auf diese Weise der Bevölkerung Gelegen 
heit zu geben, insbesondere an Kleidungsstücken im 
Laufe der Zeit auch solche Ausbesserungen zu nor 
malen Preisen ausführen zu lassen, die bisher meist 
an dem Fehlen geeigneten Materials gescheitert sind. 
Durch die Textil- und Schuhkarte wird zunächst 
nur das Verfahren bei der Abgabe von Waren durch 
den Einzelhandel und das Handwerk an die einzel 
nen Verbraucher neu geregelt. Für die Beschaffung 
der Waren durch die Unternehmungen des Einzel 
handels und Handwerks sowie auch für die Waren 
bewegungen beim Großhandel und der Industrie ver 
bleibt es mindestens zunächst bei dem bisherigen 
Verfahren. Wir werden aber prüfen, ob auch diese 
Warenbewegungen dem nunmehr geschaffenen 
Punktsystem angepaßt werden können. 
Der Beschluß vom 1. 7. 1948 — Vorlage 118/897 
— hat damit für die Stadtverordnetenversammlung 
seine Erledigung gefunden. 
Berlin, den 11. November 1948 
Magistrat von GroB-Berlin 
Dr. Friedensburg Klingelhöfer 
Anordnung 
über die Einführung einer Textil- und Schnhkarte 
und einer Säuglingskarte 
für den amerikanischen, britischen und französischen 
Sektor von Groß-Berlin 
Auf Grund der Verordnung über den Warenver 
kehr in der Fassung vom 11. Dezember 1942 (RGB1.I 
S. 686) wird angeordnet: 
Spinnstoff- und Schuhwaren dürfen im amerika 
nischen, britischen und französischen Sektor von 
Groß-Berlin nur nach Maßgabe folgender Bestim 
mungen abgegeben und bezogen werden; 
§ 1 
(1) Zum Bezüge von Spinnstoff- und Schuhwaren 
wird für die Einwohner des amerikanischen, briti 
schen und französischen Sektors von Groß-Berlin — 
mit Ausnahme der Kinder im 1. Lebensjahr — eine 
einheitliche Textil- und Schuhkarte ausgegeben. 
(2) Für Kinder bis zum vollendeten 1. Lebens 
jahr wird auf Antrag der werdenden Mutter vom 
5. Monat der Schwangerschaft ab eine Säuglings 
karte ausgegeben. 
(3) Diese Regelung gilt nur für die Einwohner 
des amerikanischen, britischen und französischen 
Sektors, die dort ihre Lebensmittelkarten beziehen. 
§ 2 
(1) Die Textil- und Schuhkarte enthält 100 Be 
zugsabschnitte (Punkte), außerdem Bezugsnachvteise 
für Nähmittel und Strümpfe, sowie einige Sonder 
abschnitte. 
(2) Die Säuglingskarte enthält 150 Bezugsab 
schnitte (Punkte) und einige Sonderbezugsnachweise. 
(3) Zum Einkauf von Schuhwaren berechtigen 
nur die dafür kenntlich gemachten Abschnitte. Diese 
Abschnitte dürfen auch zum Einkauf von Spinnstoff 
waren verwendet werden. 
(4) Die Zahl der jeweils fälligen Abschnitte und 
Nachweise wird durch Aufruf festgelegt. Fällig ge 
wordene Abschnitte und Nachweise behalten wäh 
rend der gesamten Laufzeit der Karte ihre Gültigkeit 
(5) Die Abschnitte und Nachweise der Karten 
sind übertragbar. Abschnitte mehrerer Textil- und 
Schuhkarten können gemeinsam zu einem Einkauf 
verwendet werden. 
- § 3 
(1) Auf die Karten können im Rahmen der auf 
gerufenen Abschnitte und Nachweise Spinnstoff- und 
Schuhwaren nach Maßgabe einer vom Magistrat, 
Abteilung für Wirtschaft, aufgestellten Punktliste 
abgegeben und bezogen werden. 
(2) Die Abgabe von Abschnitten der Textil- und 
Schuhkarte für die Ausführung von Reparaturen an 
Spinnstoff- und Schuhwaren richtet sich nach einer 
besonderen vom Magistrat, Abteilung für Wirtschaft, 
aufgestellten Punktliste. 
§ 4 
(1) In Fällen eines dringenden Bedarfs können 
die Kartenstellen Vorgriffe durch Abstempelung noch 
nicht aufgerufener Abschnitte oder Nachweise zu 
lassen.
	        
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