1855—1870. Sonstige Veränderungen bis 1870.
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1849 und vom 21. Juli 1852 bewirkten Änderung der Vorschriften über das
Disziplinarverfahren thatsächlich in Wirksamkeit geblieben. Wie erwähnt, waren
gerade Rücksichten auf seine Zusammensetzung von wesentlicher Bedeuiung gewesen
für die durch Allerhöchste Kabinetsordre vom 27. September 1854 genehmigten
Veränderungen in der Abteilungsbildung.
Nachdem indessen in einem Spezialfall die ordnungsmäßige Besetzung des
Disziplinarhofes angefochten war, sah sich das Staatsministerium veranlaßt, in
eine Prüfung der Frage einzutreten, ob die seit 1838 bestehende Zusammensetzung
des Disziplinarhofes nach der neueren, durch das Disziplinargesetz vom 21. Juli
1852 geschaffenen Rechtslage noch aufrecht erhalten werden könne. In seinen
Beschlüssen vom 6. Juni 1855 und 16. Mai 1856 gelangte das Staatsministerium
zu dem Ergebnis, daß nur die erste Abteilung des Polizeipräsidiums als Pro
vinzialbehörde im Sinne des § 24 des Gesetzes vom 21. Juli 1852 angesehen
werden könne, und daß demgemäß nach § 31 a. a. O. nur die etatmäßigen Mit
glieder dieser Abteilung oder solche etatsmäßigen und mit der Befähigung der
Räte bei den höheren Landeskollegien ausgestatteten Mitglieder des Polizei
präsidiums, welche bei der I. Abteilung beschäftigt würden, an den für die Ent
scheidung der Disziplinarsachen bestimmten Plenarsitzungen teilnehmen dürften.
Ein Antrag des Ministers des Innern, durch besondere Bestimmung die bisherige
Zusammensetzung des Disziplinarhofes beizubehalten, hatte nicht die Znstimmnug
des Staatsministeriums gefunden.
Durch Erlaß vom 8. Juni 1856 wurde das Polizeipräsidium dem Beschluß
des Staatsministeriums entsprecheud verständigt.
2. Die Einrichtung der Sanitätskommission erfuhr beträchtliche Veränderungen
durch ein Reglement vom 27. August 1865.’ Die Abteilungen wurden wieder auf
zwei beschränkt, denen ausschließlich beratende Funktionen zustanden, die Snb-
kommissionen der ärztlichen und der von den städtischen Behörden deputierten Mit
glieder; thatsächlich traten diese Subkommissionen seit langem überhaupt nicht mehr
zusammen. Als ausführendes Organ der Kommission wurde ein aus dem Polizei
präsidenten, dessen Stellvertreter, dem Medizinalrat und dem Magistratsdeputierten
bestehender Ausschuß eingesetzt, der unter der Bezeichnung „Königliche Sanitäts
Kommission" verfügt und berichtet.
Dieser Ausschuß, dem ein städtisches Bureaupersonal zur Verfügung steht,
nimmt seitdem in ständiger Thätigkeit eine Reihe von gesundheitspolizeilichen Ob
liegenheiten wahr; die laufenden Geschäfte erledigt einer der Medizinalbeamten
unter der Leitung des Polizeipräsidenten oder seines Vertreters. Daneben tritt
in besonderen Fällen das Plenum der Kommission — das im Jahre 1890 er
heblich verstärkt wurde — zusammen.
4. Die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vom 21. Juni 1869
hatte für eine große Anzahl der von den Verwaltungsbehörden in Gewerbe
angelegenheiten zu treffenden Entscheidungen ein förmliches Verfahren in zwei
Instanzen eingeführt, von denen die eine kollegialisch organisiert sein sollte. Für
Berlin erschien es angezeigt, die erstinstanzliche Entscheidung in diesen Angelegen
heiten, die im übrigen in Preußen den kollegialisch organisierten Regierungen und
Landdrosteien übertragen war, dem mit den örtlichen Verhältnissen am nächsten
vertrauten und daher zu einer erschöpfenden Beurteilung am besten befähigten
Polizeipräsidium zu belassen.
Durch Allerhöchste Kabinetsordre vom 20. August 1869 wurde demgemätz
der ersten Abteilung für diejenigen Fälle, in welchen sie nach der Gewerbe
ordnung und den Ausführungsbesttmmungeu zu dieser als Landespolizeibehörde
gleich den Provinzialregierungen zu entscheiden haben würde, die Verfassung
einer kollcgialischen Behörde gleich den Abteilungen der Provinzlalregierungen
und nach den für deren Verfassung und'Geschäftsgang erlassenen Bestimmungen
verliehen.