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Charlottenburg. Abteilung IV.
verstanden. Die Mittel zur Bestreitung der durch Einführung der Kontrolle ent
stehenden laufenden und einmaligen Kosten sind in den Etat pro 1900 gestellt,
so daß die mit einer regelmäßigen Zwangsuntersuchung verbundene Sittenkontrolle
nach Annahme des Etats im hiesigen Polizeibezirk mit dem 1. Juni 1900 in
Kraft treten konnte.
Die Sittenpolizei bildet eine Unterabteilung der Abteilung IV. Ein Bureau-
personal der Sittenpolizei existiert jedoch noch nicht, die Eintragungen in die
Journale erfolgen noch durch die Exekntivbeamten, zur Zeit aus 1 Kriminal
kommissar, 1 Kriminalwachtmeister und 4 Kriminalschutzmännern bestehend. Bei
Einführung der Sittcnkontrolle standen der letzteren 6 Schutzmänner zur Ver
fügung, es mußten jedoch später 2 Schutzmänner zur Verstärkung der politischen
Polizei abgegeben werden. Das gegenwärtig noch vorhandene Personal ist kaum
imstande, die ihm gestellten Aufgaben mit Erfolg zu bewältigen.
Mit Einführung der Sittenkontrolle ist für die Sittenpolizei eine besondere
Registratur eingerichtet, für welche General-, Spezial-, Personal- und Vorakten
angelegt sind. Außer diesen Akten werden noch folgende Journale, Bücher und
Blätter geführt:
1 Hauptbuch, 1 Kontrollbuch, 1 Buch für protokollarisch verwarnte
Frauenspersonen, 1 Buch für die Berliner prostituierten und protokollarisch
verwarnten Frauenspersonen, 1 Sittenjournal mit Index, 1 Sistier-
journal, 1 Buch über Kontrolle der Lokale mit weiblicher Bedienung,
1 Liste der Zuhälter und Kuppler, 1 Liste der Hurenquartiere und Kupple
rinnen, Registerblätter der Prostituierten, der verwarnten Frauenspersonen
und der Kellnerinnen.
Es wurden im Jahre 1900 von Juni bis Dezember 889 Sachen bearbeitet.
Die Schanksachen, Berichte über verzogene Personen, Kellnerinnen wurden, da es
an Bureaukräften fehlt, nicht registriert.
Zur Handhabung der sittenpolizeilichen Befugnisse sind im wesentlichen
Formulare, Vorschriften und Kontrollbücher nach Maßgabe der für Berlin geltenden
Bestimmungen unter Berücksichtigung der diesseitigen besonderen Verhältnisse in
Anwendung gebracht worden. Neu ist die Einführung doppelter Kontrollbücher,
in welche der Untersuchungsbefund eingetragen wird. Neben dem bisherigen an
Amtsstelle zu belassenden Buche wird noch ein zweites der Prostituierten zugestellt,
das sie stets bei sich führen muß, um es den sie in Anspruch nehmenden Männern
zum Ausweise ihres Gesundheitszustandes vorzuzeigen. Einen besonderen Wert
wird die Einführung dieser doppelten Kontrollbücher erst erlangen können, wenn
Photographien zur Feststellung der Identität in die Kontrollbücher geklebt werden,
was znm 1. April 1901 in Aussicht genommen ist.
Die Untersuchung der Dirnen erfolgt bis auf weiteres regelmäßig Dienstag
und Freitag von 10 bis 11 Uhr vormittags durch den Kreisphysikus, dem zur
Unterstützung (Reinigung der gebrauchten Instrumente u. s. w.) eine Bedienungs
frau bcigegcben ist. Die Prostituierten werden wöchentlich nur einmal untersucht,
was ausreicht, da, abgesehen vom ersten Monat nach Einführung der Sitte, in
welchem fünf unter Kontrolle gestellte Frauenspersonen krank befunden wurden,
die durchschnittliche Krankheitszahl pro Monat sich nur auf 1 stellt.
Die Stellung unter Sittenkontrollc erfolgt nach dem gleichen Verfahren und
nach den gleichen Grundsätzen wie in Berlin.
Die Exekutivbeamten haben in erster Linie die Pflicht, die Aufrechterhaltung
der Kontrollvorschriften zu überwachen. Die Schutzmänner werden zu nächt
lichen Patrouillen, sowie zur Revision der Hurenquartiere, der Schanklokale
mit weiblicher Bedienung, Theater, Konzertgärten u. s. w. kommandiert. Sie
nehmen zweimal wöchentlich an den Konferenzen und am Unterricht durch die
Kommissare teil.