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Charlottenburg. Abteilung II.
Soweit die Unternehmer versicherungspslichtiger Betriebe letztere nicht freiwillig
nnd fristgemäß zur Anmeldung brachten, wurde dieses von Amts wegen bewirkt.
Sämtliche Betriebsanmeldnngen wurden den zuständigen Berufsgenossenschaften
und umgekehrt die von den Berussgenossenschaften erteilten Mitgliedscheine den
betreffenden Unternehmern übermittelt. Die versicherten Betriebe wurden, nach
Berufsgenosfenschaften geordnet, in einem besonderen Verzeichnis geführt. Nicht
selten wurde von Betriebsunternehmern Einspruch gegen ihre Heranziehung zur
berufsgenossenschaftlichen Mitgliedschaft oder gegen ihre Abweisung erhoben. Die
erforderlichen Feststellungen machten eingehende und meistens recht schivierige Er
hebungen notwendig. So wurden 37 Katasterbeschwerdcn dem Reichs-Versicherungs
amt überwiesen. In entsprechender Weise wie bei der Anmeldung wurde verfahren
bei Betriebsabmeldungen. Auch die Ermittelung sogenannter Regiebauten lag der
Polizeidirektion ob. Das Ergebnis wurde vierteljährlich dem hiesigen Magistrat
mitgeteilt, welcher auf Grund dieser Unterlagen das Weitere veranlaßte, um
die fraglichen Unternehmer zur Prämienzahlung heranzuziehen. Besonders bei
den „Schwindelbauten" kam es häufig vor, daß die seitens der Versicherungs
anstalt der Baugewerks - Berufsgenossenschaft in Anspruch genommenen Bau
herren hiergegen Einspruch erhoben. Der Polizeidirektion lag es gemäß
ß 26, 3 des Bauunfallversicherungsgesetzes vom 11. Juli 1887 ob, zunächst
in derartigeil Streitigkeiten Entscheidung zu treffen. Ganz besonders diese
Sachen erforderten in jedem einzelnen Falle eingehendste Klarlegung aller er
denklichen, bei Errichtung und Finanziierung von Bauten angewandten Mani
pulationen, da die „Bauherren" meistens darauf ausgingen, alle Handlungen,
wodurch sie die Bauleitung gerade in Händen zu behalten suchten, auf jegliche
Weise zu verschleiern. Es kamen hier 71 Prämienbeschwerden zur Entscheidung;
die Entscheidungen sind mit wenigen Ausnahmen vom Reichs-Versicherungsamt
bestätigt worden.
Am umfangreichsteil gestaltete sich die Bearbeituilg der zur Anmeldung gelangten
Betriebsunfälle. Über diese wurde den gesetzlichen Bestimmungen gemäß eiil be
sonderes Verzeichnis geführt. Sofern die Verletzung auch nur möglicherweise über
die 13. Woche hinaus eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des Verletzten
zur Folge haben kann — besonders bei Kopfverletzungen, Quetschungen edler
Organe —, beschränkt sich die Polizeidirektion nicht lediglich darauf, festzustellen,
daß der Verletzte seine Arbeit wieder aufgenommen hat. Derartige Unfälle werden
auch ohne besonderen Antrag der Berufsgenossenschaften stets untersucht und die
Akten letzteren zur Kenntnisnahme übermittelt. Entschädigungsansprüche aus solchen
Unfällen, welche in nicht versicherten Betrieben sich ereignet haben, lvurden gemäß
§ 59, 4 des Gesetzes vom 6. Juli 1884 ziemlich oft angemeldet, mußteil jedoch
nieistens zurückgewiesen werden, da eine Versicherungspflicht nicht anerkannt werden
konnte.
Ferner wurden alljährlich durch Zusammenstellung der hier domizilierten,
wahlberechtigten Kralikenkassen und entsprechende Weitergabe dieser Listen die
notigen Unterlagen beschafft, um diesen Kassen die Ausübung des ihnen gemäß
§§ 41 ff. des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 zustehenden Rechtes
zur Wahl von Beisitzern zum Schiedsgericht u. s. w. zu ermöglichen. Die Be
fähigung der von den Krankenkassen zwecks Teilnahme an den Unfalluntersuchungs
terminen gewählten Bevollmächtigten wurde nach den gesetzlichen Gesichtspunkten
geprüft, die Höhe des denselben durch Wahrnehmung der Uilfalltermine entgangenen
Arbeitsverdienstes wurde diesseits festgesetzt. Beauftragte von Berufsgenossen-
schaften wurden mehrfach vereidigt, in einigen Fällen wurden Geldstrafen gegen
Verletzte wegen Nichtbeachtung ergangener Unfallverhütungsvorschriften festgesetzt,
auch kamen vereinzelt Streitigkeiten zur Entscheidung, in welchen sich Arbeitgeber
weigerten, Krankenkassen die gemäß § 5 Absatz 9 des Unfallversichernngsgesetzes
gezahlte Differenz zu erstatten.