Kriminalpolizei.
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Seine volle Bedeutung erhielt der Meßdienst jedoch erst, nachdem die Bundes
regierungen im Jahre 1897 auf Vorschlag ihrer zu einer Konferenz eingeladenen
Vertreter die allgemeine Einführung des Bertillon'schcn Meßsystems beschlossen
hatten und Berlin zur Centrale bestimmt war.
Zur Zeit befinden sich im Deutschen Reiche 59 Meßstationen, zu denen in,
Laufe dieses Jahres noch die preußischen Strafanstalten treten.
Die Berliner Meßkartenregistratur zählt jetzt 21 000 Meßkarten, von denen auf
Männer 15983, auf Frauen 1556 und aus Jugendliche (18 bis 20 Jahr) 3461 entfallen.
Identifiziert wurden durch die Meßkarten
1896 . . 3 Verbrecher 1899 . . 159 Verbrecher
1897 . . 26 - 1900 . . 214
1898 . . 89
Einbegriffen in diese Zahl sind diejenigen Personen, welche durch Korrespondenz
mit den Auslandscentralen, von denen namentlich Wien. Paris, Bern und Zürich
mit der diesseitigen Centrale in sehr regem Verkehr stehen, festgestellt worden sind.
Der Vornahme der Messungen wie auch der photographischen Aufnahme
wird seitens der verhafteten Personen nur sehr selten Widerstand entgegengesetzt.
Trotzdem ist cs mit Genugthuung zu begrüßen, daß das Reichsgericht durch
Urteil vom 2. Juni 1899 (Entscheidung in Strafsachen Band 32 Seite 199) die
Befugnis der Polizeibehörden zur Anordnung und Durchführung beider Maß
regeln anerkannt hat, da das Bekanntwerden einer abweichenden rcichsgericht-
lichen Auffassung die Thätigkeit des Erkennungsdienstes ohne iveitcres lahm ge
legt hätte. Das Reichsgericht rechtfertigt die Aufnahme anthropometrischer
Signalements von verdächtigen Personen unter Hinweis auf die der Polizei ge
mäß § 10 II 17 des Allgemeinen Landrechts obliegende Unterstützung der Straf
rechtspflege, soweit die Verletzung oder Bedrohung der öffentlichen Sicherheit durch
strafbare Handlungen in Frage kommt.
Das Album ist von 10 Bänden (1890) auf 19 Bände angewachsen. Die
Vermehrung ist nicht allein auf den alljährlichen Zuwachs in den einzelnen Ver
brecherkategorien zurückzuführen, sondern auch auf den Umstand, daß für Kolli-,
Paletot-, Fahrrad- und internationale Diebe je ein besonderer Band angelegt
worden ist. Gegenwärtig zählt das Album 20 577 Photographien. Für das Jahr
1900 betrug die Zahl der Neuaufnahmen 1420, die der Rekognoszierungen 163.
Das Spitznamenocrzeichnis erweist sich in den nicht seltenen Fällen nützlich,
in denen ein Verhafteter nur die in Verbrecherkreisen gebräuchliche Bezeichnung
seiner Komplizen, nicht aber deren wirklichen Namen kennt oder zu kennen vor-
giebt. Das Register ermöglicht dann die Feststellung der bei jedem Spitznamen
verzeichneten bürgerlichen Benennung.
Seit deni 1. Oktober 1899 verfügt der Erkennungsdienst über ein eigenes
im Polizeidienstgebäude eingerichtetes photographisches Atelier, in welchem täglich,
im Durchschnitt 44 Photogramme hergestellt werden, teils von Verbrechern, teils
nach übersandten Bildern. An dieser Zahl sind beteiligt die Kriminalpolizei, die
politische Polizei (Abteilung VII) und auch auswärtige Behörden, welche sich von
vorhandenen Photographien Abzüge Herstellen lassen. Es ist vorauszusehen, daß
die Arbeiten des Ateliers wegen der wachsenden Inanspruchnahme durch aus
wärtige Behörden immer größere Dimensionen annehmen werden. Schon jetzt
muß den beiden im Photographieren ausgebildeten Beamten häufig ein dritter zur
Hülfe gegeben werden. Das Atelier verfügt auch über die erforderlichen Apparate
zur Anfertigung mikrophotographischer Aufnahmen von Blutspuren, Querschnitten
von Haaren, gefälschten Schriften u. f. w., sowie über einen besonders konstruierten
Apparat, der die Aufnahme eines Thatortes von oben und damit beispielswelle
die für die Untersuchung häufig sehr wichtige genaue Fixierung der Lage einer
Leiche ermöglicht.