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Abteilung 111.
vorhanden gewesenen thatsächlichen Zustandes um so schwieriger wurde. Bor-
allem aber erfuhr die fragliche Bestimmung durch die Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts eine Auslegung, welche zu erheblichen Bedenken
Anlaß geben mußte. Aus dem Grundsätze, daß es nur auf den bau
lichen Zustand eines Grundstückes im Momente der Verkündigung der Baupolizei-
ordnung ankomme, wurde gefolgert, daß diese rechtliche und für den Wert sehr-
erhebliche Eigenschaft eines Grundstücks als eines „bereits bebauten" räumlich dem
ganzen Grundstücke in allen seinen Teilen zustand und weder durch Ablauf der
Zeit noch durch spätere Veränderung in der Benutzungsart zerstörbar war. That
sächlich umfaßte nun ein solches Grundstück aber in den äußersten Teilen der
Stadt, für welche der Gesetzgeber gerade eine weniger dichte Bebauung zuzulassen
beabsichtigte, nicht selten 20 und mehr Morgen Landes, die nach dem Bebauungs
pläne vielleicht sogar durch verschiedene Straßenzügc in zahlreiche Blocks ein
geteilt waren. War aber auf einem so großen Grundstücke an dem kritischen
Tage auch nur ein kleines Wohngebäude mit einem Stockwerke über dem Erd
geschoß vorhanden gewesen, so stand allen den zahlreichen, nach und nach von
dem Stammgruudstücke abgeschriebenen Parzellen wie diesem selbst das Recht
der Dreiviertel-Bebaubarkeit zu. Damit war die Absicht der Verordnung, die dies
Recht nur dem mit dem Wohngebäude selbst besetzt gewesenen einzelnen Baugrund
stücke beigelegt wissen wollte, vereitelt, und es erwies sich demnach die Bestimmung
je länger je mehr nicht nur als hart und unbillig, sondern auch als zweckwidrig,
das öffentliche Interesse in hohem Grade schädigend.
Hier war Abhülfe dringend geboten. Die Beratungen der zunächst aus Ver
tretern des Ministers der öffentlichen Arbeiten und des Polizei-Präsidenten zu
sammengesetzten Kommission nahmen bereits im Jahre 1891 ihren Anfang und
führten Ende 1892 zur Aufstellung eines vorläufigen Entwurfs einer neuen Bau
polizeiordnung, der dem Architektenvereiue, der Vereinigung der Berliner Archi
tekten und dem Bunde der Bau-, Maurer- und Zimmermeister zu Berlin zur
gutachtlichen Äußerung zugefertigt wurde. Nach Eingang der Gegenvorschläge
dieser Vereinigungen wurden die kommissarischen Verhandlungen im Jahre 1893
unter Teilnahme von Vertretern der Minister des Innern und der geistlichen,
Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten, sowie des Ober-Präsidenten und des
Regierungs-Präsidenten zu Potsdam wieder aufgenommen und 1894 und 1895
unter Zuziehung von Vertretern der genannten Juteressentenvereinigungen fort
gesetzt. Der aus diesen Beratungen hervorgegangene Entwurf wurde Ende 1896
dem hiesigen Magistrate zum Zwecke gemeinsamer kommissarischer Verhandlungen
zugefertigt. Aus diesen Verhandlungen ging schließlich die Baupolizeiordnung in
der Fassung hervor, in der sie seitens des Polizei-Präsidenten dem Magistrat zur
Erteilung seiner Zustimniung in Gemäßheit des § 143 des Landesverwaltungs-
gesctzes demnächst übersandt wurde. Der Magistrat versagte seine Zustimmung.
Nachdem diese durch Beschluß des Ober-Präsidenten vom 9. August 1897 gemäß
§ 43 des Landesverwaltungsgesetzes ergänzt worden war, ist die neue Baupolizei-
ordnung unter dem 15. August 1897 erlassen worden.
Sie enthält gegenüber den Bestimmungen der Baupolizeiordnung vom
15. Januar 1887 folgende wesentliche Abänderungen:
1. Die Ermittelung der bebaubaren Fläche.
Der Ausgangspunkt für die Fassung der neuen grundlegenden Bestinnnungen
über die bebaubare Fläche war durch die oben dargelegte Rechtsprechung des
Königlichen Obervcrivaltuugsgerichtes vorgezeichnet: die Aufhebung der Unter
scheidung bisher bebauter und bisher nicht bebauter oder bis zu drei Vierteln
und zwei Dritteln bebaubarer Grundstücke. Es handelte sich darum, den Grund
gedanken, in den äußeren Stadtteilen im sanitären Interesse eine weniger dichte
Bebauung als in den älteren engbebauten inneren Stadtteilen zuzulassen, durch