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Abteilung II.
Das Formular der Wandergewerbescheine ist in der Bekaimtniachung des
Reichskanzlers vom 27. November 1896 der obenerwähnten Novelle entsprechend
geändert worden. An Personen, die im Stadtbezirke Berlin ihren Wohnsitz hatten,
sind Wandergeiverbescheine erteilt worden:
1891
. . . 3434
1896
1892
. . . 4148
1897
1893
. . . 2741
1898
1894
. . . 3079
1899
1895
. . . 2831
1900
. . 2902
. . 2753
. . 2607
. , 2508
. . 2495.
Es macht sich also gegenüber den Zahlen im Anfang des letzten Jahrzehnts ein
steter Rückgang bemerkbar. Das Jahr 1900 weist die niedrigste Zahl auf. An
Personen, die in Charlottenburg, Schöneberg und Rixdorf wohnen, sind seit dem
1. Oktober 1900 bis znni Schlüsse der Berichtszeit 165 Scheine von der Abteilung
ausgegeben worden. Die erteilten Scheine wurden, soweit es sich um Berliner
Antragsteller handelte, der Kgl. Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern
in Berlin, die übrigen an die Abteilung 111 der Kgl. Regierung zu Potsdam gesandt,
welch' letztere dann ihrerseits die Scheine den betreffenden Magistraten übermittelte.
Nach § 56d kann der Gewerbebetrieb im Umherziehen auch Ausländern
gestattet werden. Die hierauf bezüglichen Anordnungen des Bundesrates sind in
der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 27. November 1896 enthalten. Da
nach bedürfen auch Ausländer, sofern sie nicht ausschließlich den Verkauf roher
Erzeugnisse der Land- und Forstwirtschaft u. s. w. im Grenzverkehre betreiben
wollen, ebenfalls eines Wandergewerbescheines, auf dessen Erteilung und Versagung
die Vorschriften des Hl. Titels der Gewerbeordnung anzuwenden sind, soweit nicht
die Bekannünachung Sonderbestimmungen getroffen hat. Die wichtigste dieser Be
stimmungen ist, daß der erteilte Schein nur für den Bezirk der ausstellenden Be
hörde Gelümg hat und deshalb zu versagen ist, wenn ein Bedürfnis zur Ausstellung
eines Scheines für Ausübung des betreffenden Gewerbes im Bezirke dieser Behörde
nicht besteht oder sobald für das Gewerbe, für welches der Schein nachgesucht
wird, die den Verhältnissen des Verwaltungsbezirkes der Behörde entsprechende
Anzahl von Waudergewerbescheinen erteilt ist. Das Polizeipräsidium hat dieses
Bedürfnis für den Stadtbezirk Berlin fast durchweg verneint und deshalb Wander-
gewerbescheiue für Ausländer nur in den seltensten Fällen erteilt. Aus dem gleichen
Grunde ist die zum Gewerbebetriebe gemäß § 42 b für Ausländer durch die Polizei-
verordnung vom 13. März 1889 vorgeschriebene Erlaubnis nur ganz ausnahms
weise gewährt worden. In den letzten Jahren haben sich vielfach die Slow aken-
jungen lästig gemacht, die sich in Scharen mit Drahtbinderwaren iu den Straßen
und Häusern Berlins umhertriebeu und, da sie angeblich lediglich bei ihren Meistern
bestellte Ware ablieferten, weder einen Wandergewerbeschein noch die ortspolizeiliche
Erlaubnis zum Gewerbebetriebe nachgesucht hatten. Die mehrfach in Zeitungen
verbreiteten Nachrichten über die klägliche Lage dieser Jungen, die von ihren
Meistern ausgebeutet und mißhandelt würden, haben sich fast stets als unzutreffend
herausgestellt. Die Ermittelungen ergaben vielmehr, daß die Jungen, um von
mitleidigen Vorübergehenden Geldgeschenke zu erlangen, Krankheit und Erschöpfung
heuchelten und auf Befragen als Grund davon schlechte Beköstigung und Miß
handlung durch ihre Meister anzugeben pflegten. Um diesem Treiben Einhalt zu
thun, und um andererseits diese jungen Leute vor wirklicher Ausbeutung und Miß
handlung zu schützen, ist einer Anregung des Mnisters des Innern folgend der
Gewerbebetrieb der Meister und der von ihnen beschäftigten Jungen einer ein
gehenden Prüfung und ständigen Beaufsichtigung unterzogen worden, wodurch es
gelungen ist, viele Meister zur Entlassung der von ihnen beschäftigten ausländischen
Leute zu veranlassen und den ferneren Zuzug der Slowakenjungen von der Reichs-
hauptftadt fernzuhalten.