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Abteilung II.
der Polizeibehörde oder der Armendirektion zur Last fallen. Ein behördliches
Einschreiten gegen diese Praxis der Verinittler ist, soweit es sich nicht um
Jnvalidenversicherungs-Quittungskarten handelt, zur Zeit nicht möglich.
6. § 35 der Reichs-Gewerbeordnung.
Im Gegensatze zu § 34 der Reichs-Gewerbeordnung verlangt, der § 35 keine
Erlaubnis. Doch kann den in letztgenannten Paragraphen aufgeführten Gewerbe
treibenden der Gewerbebetrieb untersagt werden, wenn Thatsachen vorliegen, tvelchc
die Unzuverlässigkeit der Geiverbekreibenden in Bezug auf dieseit Gewerbebetrieb
darthun.
Um die hiernach erforderliche Kontrolle zu ermöglichen, sind die Gewerbe
treibenden gehalten, bei Eröffnung ihres Betriebes der zuständigen Behörde Anzeige
zu machen. Zuständige Behörde in diesem Sinne ist nach der preußischen Aus
führungsanweisung vom 9. August 1899 die Ortspolizeibehörde des Wohnsitzes.
Über die erstatteten Anzeigen sind von dieser fortlaufende Verzeichnisse zu führen.
Die genannte Anweisung schreibt ferner vor, daß bei der Prüfung der Zuverlässig
keit möglichst auch die Polizeibehörde des Geburtsortes des Gewerbetreibenden um
Auskunft zu ersuchen ist. Ist die Unzuverlässigkeit dargethan, so ist er vorerst zur
freiwilligen Einstellung des Gewerbes aufzufordern und erst dann, wenn er dieser
Auffordemng keine Folge leistet, Klage auf Untersagung zu erheben. Zur Klage
erhebung ist die Ortspolizeibehörde zuständig, in deren Bezirk das Gewerbe
betrieben wird. Die Klage ist beim Bezirksausschuß anzubringen. Von der erfolgten
Untersagung ist der Ortspolizeibehörde des Geburtsortes Kenntnis zu geben. Nach
der Novelle zur Reichs-Gewerbeordnung vom 6. August 1896 kann die Landes-
Centralbehörde oder eine andere von ihr zu bestimmende Dieusfftelle die Wieder
aufnahme des Gewerbebetriebes gestatten, wenn seit der Untersagung mindestens
ein Jahr verflossen ist.
Auf den Geschäftsbetrieb der in Abs. 2 und 3 des § 35 aufgezählten Gewerbe
treibenden findet mit Ausnahme der Losehändler, der Auskunfteien (Detektiv
institute) und der Auktionatoren die Polizeiverordnung vom 18. März 1885 noch
immer Anwendung. Die Aufsicht wird durch die Reviere und das Gewerbe-
kommissariat ausgeübt. Von den unter § 35 fallenden Gewerbetreibenden, ein
schließlich der Gesindevermieter, Stelleuvermittler und Theateragenten und unter
Ausschluß der Trödler waren am Schluffe der Berichtszeit 1966 vorhanden.
Im einzelnen ist nachstehendes zu bemerken:
Für das Trödelgewerbe sind folgende gerichtliche Entscheidungen wichtig.
Der Strafsenat des Kgl. Kammergerichts (Entscheidungen vom 22. Dezember 1890
und vom 26. September 1892) und das Kgl. Oberverwaltungsgericht (Erkenntnis
vom 24. November 1893) haben übereinstimmend den Ausdruck „gebrauchte
Kleider" als identisch mit „gebrauchte Kleidungsstücke aller Art" erklärt, sodaß
also auch der Handel mit alten Schuhen und Stiefeln, was bis dahin zweifelhaft
ivar, als Trödelhandel im Sinne des tz 35 anzusehen ist. Der Strafsenat des
Kgl. Kammergerichts hat ferner in dem Erkenntnisse vom 15. Dezember 1898 aus
gesprochen, daß unter „altem Metallgerät und Metallbruch" Gerät und Bruch nicht
nur von unedlen, sondern auch von edlen Metallen (Gold und Silber) zu ver
stehen sei. Beides ist bei der Kontrolle der Trödler entsprechend berücksichtigt
worden. Sämtliche hiesige Trödclgeschäste sind alljährlich zweimal einer ein
gehenden Revision durch das Gewerbekommissariat unterzogen worden. Ende
1900 belief sich die Zahl der Berliner Trödler auf 774, während sie am Schluffe
des Jahres 1890 588 betrug.
Durch die am 1. Januar 1897 in Kraft getretene Gewerbeordnungsnovelle
vom 6. August 1896 ist auch der Handel mit Losen von Lotterien und
Ausspielungen oder mit Bezugs- und Anteilscheinen auf solche Lose unter