Gewerbepolizei.
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zu treiben. Anfangs war der Charakter der Bars ein guter und der in ihnen
herrschende Ton derart, daß kein Grund vorlag, ihren Wirten die erbetene Polizei
stunde bis 2, 3 und 4 Uhr nicht zu gewähren. Als jedoch wahrscheinlich infolge
des guten Geschäftes, das die ersten Barinhaber bei den außerordentlichen hohen
Preisen machten, immer mehr derartige Lokale entstanden, verschlechterte sich ihr
Charakter sehr. Es wurden von den Bardamen die Gäste zu den unsinnigsten
Ausgaben verleitet und oft wüste Gelage veranstaltet. Auch gewannen Angehörige
der offenen und geheimen Prostitution in vermehrter Weise Eingang, sodaß schließ
lich, um dem Unwesen zu steuern, durchgreifende Maßregeln erforderlich wurden.
Alle bestehenden Bars wurden in der Polizeistunde auf 2 Uhr herabgesetzt, neue
aber erhielten eine Verlängerung der Polizeistunde über 11 Uhr abends hinaus
überhaupt nicht. Infolgedessen ist eine Anzahl neugegründeter Bars bald darauf
eingegangen. Andere aber haben die Bardamen abgeschafft und dm Charakter
als Bar aufgegeben, sodaß gegenwärtig dieser neuen Art von Animierkneipen
kräftig Einhalt gethan ist. So ist z. B. in der Friedrichstraße ihre Zahl auf 11
zurückgegangen, während im Mai 1900 dort noch 21 vorhanden waren.
Eine Einschränkung der Polizeistunde hat auch bei den Lokalen mit Kellne
rinnenbedienung stattgefunden. Zwar ist ihr Schluß nicht auf eine frühere
als die allgemeine Polizeistunde, wohl aber ist der Beginn des Geschäfts statt auf
4 Uhr, ans 7 Uhr morgens verlegt. Ans diese Weise wird mit Erfolg verhütet,
daß Personen, die sich in den Nachtstunden dem Alkoholgennß hingegeben haben,
noch in den frühen Morgenstunden in einem Zustande geschwächter Willenskraft
und herabgemindeter Verstandesthätigkeit den Lockungen der Kellnerinnen und den
Ausbeutungen gewissenloser Schankwirte anheimfallen.
'Da es sich herausgestellt hatte, daß gerade die Lokale mit Kellnerinnen
bedienung sich zum Teil zu wahren Höhlen des Lasters heranbildeten, so sind
außer dieser in der Polizeiverordnung vom 27. Juli 1892 getroffenen Beschränkung
der Polizeisümde gleichzeitig in dieser Verordnung noch weitere Vorkehrungen ge
troffen worden, um die Zustände in diesen Lokalen zu bessern und die Gefahr,
die in ihnen der öffentlichen Sittlichkeit droht, soweit wie möglich zu beseitigen.
Es sind in den Schankräumen dieser Lokale darnach alle Einrichtungen verboten,
durch die Räume oder Plätze versteckt, verhüllt oder in irgend einer Weise dem
freien Einblick oder Überblick entzogen werden. Die Wirte sind verpflichtet, dem
örtlich zuständigen Polizeirevier ein Verzeichnis ihrer Kellnerinnen einzureichen und
jeden Ein- und Austritt einer Kellnerin binnen 24 Stunden zu melden. _ Die im
Schankgewerbe thätigen Kellnerinnen haben anständige, am Halse geschlossene und
durchaus unauffällige, bis an die Füße reichende Kleidung zu tragen. Sie dürfen
weder an den Fenstern oder Thüren des Lokales oder des Hauses in auffälliger
Weise verweilen, noch Personen zum Betreten des Lokales verlocken. Sie sollen
ferner weder für sich noch für andere Speisen oder Getränke von den Gästen er
bitten, auch diese nicht zum Trinken auffordern oder bereden und nicht mit ihnen
am Gasttische Platz nehmen. Es kann behauptet werden, daß die Durchführung
dieser Vorschriften eine erhebliche Einschränkung der im vorigen Berichte hervor
gehobenen Mißstände über die Zunahme und die verderbliche Wirkung der
Animierkneipen bewirkt hat. Die Geschäftsführung der Wirte ist im allgemeinen
eine ordnungsmäßigere, das Benehmen der Kellnerinnen ein weniger auf
dringliches und der in diesen Lokalen herrschcride Ton im ganzen anständiger als
früher geworden. Die Zahl dieser Lokale hat sich außerdem beträchtlich ver
ringert. Während im Jahre 1890 924 dieser Lokale mit 2022 Kellnerinnen vor
handen waren, sind trotz der Zunahme der Bevölkerung und der fortschreitenden
Vermehrung der Schankstätten jetzt nur noch 808 solche Lokale mit 1768 Kellnerinnen
vorhanden.
Über die Zahl der gesamten in Berlin vorhandenen, unter §33 fallen
den Gewerbebetriebe spricht sich nachstehende Zusammenstellung aus: