Medizinal- und Sanitäts-Polizei.
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staubfreie Müllabfuhr ist zur Durchführung gelaugt; die wilden Müllablagcrungen
sind wirksam bekämpft; die Entfernung der Müllstapelplätze aus dem Weich-
bildc von Berlin und dessen nächster Umgebung ist angebahnt und zum
großeil Teil vollendet. Ein wirklich befriedigendes Resultat ist damit freilich noch
nicht erreicht.
In den mannigfachen Verhandlungen, die in deni vergangenen Jahrzehnt
über die Frage der Müllbeseitignng zwischen dem Magistrat imb dem Polizei
präsidium geführt worden sind, hat das letztere stets die Ansicht vertreten, daß
eine Lösung der Aufgabe nur durch Übernahme der Müllabfuhr und Müll
beseitigung in städtische Regie, also durch Schaffung eines Ortsstatuts, welches die
observanzmäßige Verpflichtung der Hauseigentümer gegen Erhebung entsprechender
Gebühren auf die Stadtgemeinde übernimmt, erreicht werden könne. Nur auf
diesem Wege sei eine einheitliche, den sanitären und wirtschaftlichen Rücksichten
in befriedigender Weise Rechnung Nagende Organisation zu erwarten. Das
Polizeipräsidium hat ferner stets betont, daß auch die Hinausschiebung der
Abladestellen auf iveite Eiltfermuigeir keine durchgreifende Abhülfe gewähren
könne. Denn, wie auch hin irnd wieder in Spreenhagen hervorgetreten sei,
müsse Proteste, die zur Zeit von Infektionskrankheiten einen sehr erbitterten
Charakter anzunehmen pflegen, aller Orten erwarten. Es sei daher nicht eine
Stapelung, sondern eine eigentliche Beseitigung, also eine Veimichtuug oder
in sanitärer Hinsicht zufriedenstellende Verarbeittmg der Müllmassen in Aussicht
zu nehmen.
Der Magistrat teilte diese Ansichten im Prinzip, nahm aber ben Stand
punkt ein, daß die Stadt erst dann die Organisation der Müllabfuhr in
die Haild nehmen könne, wenn ein den in wirtschaftlicher und hygienischer
Beziehung zu stellenden Ansprüchen genügendes Verfahren für die Beseiti
gung des Btülls zu Grunde gelegt iverden könne. Auf die Ermittlung eines
solchen Verfahrens habeil die städttschen Behörden unter thätiger Anteilnahme
des Polizeipräsidiums während der Berichtsperiode ein eingehendes Studmm
verwandt.
Es kam zunächst die Verbrennung der Hausabgänge in Betracht, welche in
England allgemein üblich ist und auch in Hamburg mit gutem Erfolge angewandt
wirb. Nach einer im September 1893 von Kommissareil des Magistrats nach
Eiiglaud unternommeneil Informationsreise stellte die Stadtgemeinde in Berlin
Verbrennungsöfen nach englischem Muster auf. Über den Verlauf der vor
genommenen Versuche sind von dem Magisttat eingehende, im Jahre 1896 ab
geschlossene Berichte erstattet worden, auf welche hier Bezug genommen werden
kann. Das Ergebnis war kein völlig befriedigendes. Es zeigte sich, daß in dem
Berliner Hausmüll ein großer Prozentsatz von Kohleubrikcttasche enthalten ist, der
der Verbrennung große Hindernisse bereitet. Eiire Verbreniruirg trat, ivie die
Proben ergaben — abgesehen von der warmen Jahreszeit —, nur dam: ein,
wenn das 'Müll enttveder gesiebt oder mit einem nicht unerheblichen Zusatz von
Brennmaterial versehen wurde, Erschwernisse, die in England und Hamburg fort
fallen und die Kosten beträchtlich vergrößern.
Im Jahre 1897 wurde von privater Seite auf die Vernichtung der Abfall
stoffe mittels Schmelzung aufmerksam gemacht. Nach Vornahme vorr Versuchen,
welche die Möglichkeit einer Schmelzrmg nach dem Patent Wegener ergaben, ttat
eine Gesellschaft „Müllschmelze" zrrsammen und baute auf dem Grundstück Git-
schiuerstraße 15 einen Schmelzofen, der am 1. Oktober 1898 in Angriff genommeir
und am 1. März 1899 vollendet wurde. Die hier vorgenommenen Versuche
wurden voir dem Polizeipräsidiuni und dem Magistrat eingehend verfolgt. Sie
führten indes zu keinem positiven Resultat. Zu bemerken ist, daß die Kosten sich
ziemlich hoch stellten und daß das Mauerwerk des Ofens häufige Reparaturen
erforderlich machte. Für die Beurteilung der Frageil, ob und in welchem Um-