Medizinal- und Sanitäts-Polizei.
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Im Bezirk des 57. Reviers machte sich die Zunahme der mibefugten Ab
lagerung wieder durch eine Vermehrung der Anzeigen bemerkbar, deren Zahl im
Jahre 1896 sich auf 197 stellte. Insbesondere hatten aber infolge der bereits
besprochenen Eiiiivirkuug der Polizeiverorduung vom 26. Juni 1893 die Vororte
zu leiden. Die Landräte der Kreise Niedcr-Barnim und Teltow führten Klage
darüber, daß in den au Berlin angrenzenden Teilen der Vororte die stets zu
nehmende Müllablagerung eine Kalamität schwerwiegender Art bilde, die sich
immer mehr zuspitze und die gesunde Entwickelung der Berliner Nachbargemeinden
zil uirterbinden drohe. Auf ihre Anregung erließ der Regierungs-Präsident in
Potsdam unterm 17, März 1898 für seinen Bezirk eine Verordnung, welche zum
Zweck hatte, jeden Übertritt voit Berliner Müll in das Gebiet der Kreise Nieder-
Barnim und Teltow zu verhindern. Um gleiche Verhältnisse zu schaffen, erließ
das Polizei-Präsidium eine entsprechende, die Einführung auswärtigen Mülls in
das Berliner Weichbild ausschließende Verordnung vom 2. März 1899. Beide
Polizeiverordnungen verboten, wie beiläufig erwähnt werden soll, neben deni Ab
laden und der Lagerung des auswärtigen Mülls auch dessen Einbringen und Be
förderung, wurden aber, nachdem das Kammergericht durch Entscheidung vom
7. September 1899 diese Ausdehnung für rechtsungültig erklärt hatte, unterm
15. Februar und 18. Mai 1900 auf das Verbot des Abladens und der Lagerung
beschränkt.
Inzwischen hatten sich indes bereits Veränderungen vollzogen, welche auf eine
Unterdrückung der wilden Müllablagernngen besser hinwirkten, als polizeiliche
Verbote.
Wie im vorigen Abschnitte erwähnt, war am 1. Januar 1899 die staubfreie
Müllabfuhr zur Durchführung gelangt. Diejenigen Unternehmer, die nur mit
einem oder wenigen Gespannen die Müllabfuhr betrieben, hatten durchweg ihr
Geschäft eingestellt. Hiermit waren diejenigen Elemente in Fortfall gekommen, die
naturgemäß am meisten dazu neigten, sich auf dem Wege derartiger Kontraventionen
kleine Verdienste zu verschaffen. Unternehmer mit größerem Geschäftsbetriebe, die
nach einem wirtschaftlichen Kalkül planmäßig vorgehen müssen, können mit solchen
Einnahmen nicht rechnen und haben an ihnen wenig Interesse.
Hierzu kam der gleichfalls schon besprochene Erlaß der die observanzmäßige Ver
pflichtung der Hauseigentümer zur Müllbeseitigung festlegenden Polizeiverordnung
vom 2. August 1898. Durch § 3 derselben wurden die Hauseigentümer aus
drücklich angehalten, Vorsorge zu treffen, daß die Abladung und Lagerung der
Abgänge nur auf deu polizeilich zugelassenen Stellen erfolge. Die Verordnung
erklärte den Hausbesitzer von dieser Verpflichtung auch dann nicht ohne weiteres
befreit, wenn er die Wegschafsung seiner Haus- und Wirtschastsabgänge einem
Abfuhr-unternehmer übertragen habe. Die Verantwortlichkeit falle nur fort, wenn
die ordnungsmäßige Beseitigung der Abgänge zur Bedingung der Fortdauer des
Vertrages gemacht sei und das Vertragsverhältnis sofort gelöst werde, wenn der
Eigentümer zuverlässige Kenntnis davon erhalte, daß die fraglichen Vorschriften
im Betriebe des betreffenden Unternehmers verletzt worden seien.
Diese Bestimmung, welche die Hauseigentümer aus eine bestimmte Formu
lierung des Kontrakts hindrängte und den Eigentümer sowohl wie den Unter
nehmer an der ordnungsgemäßen Beseitigung der Abfälle wirksam interessierte, hat
sich in der Praxis vorzüglich bewährt. Endlich führte die Verordnung, um zu
verhindern, daß die Bediensteten aus Indolenz kontra»enierten, eine Kontrolle der
selben durch polizeiliche Fahrkarten ein.
Mcht zuni wenigsten beruhte aber die Besserung der Verhältniffe darauf, daß
an Stelle der Stapelung der Müllumsse innerhalb des Berliner Weichbildes eine
andere Art ihrer Beseitigung gesucht und gesimden wurde. Es ließ sich auf die
Dauer nicht verkennen, daß die Konzentration der Hausabgänge auf Abladeplätzen,
obgleiel) sie der Versireunng der Abfallstoffe weitaus vorzuziehen ist, doch auch