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Abteilung I.
III. Handel mit Arzneien, Heilmitteln und Giften.
1. Apotheken.
Am Schlüsse des vorletzten Jahrzehntes betrug die Zahl der Apotheken in
Berlin 124. Am Schlüsse des Jahres 1900 war diese Zahl auf 163 an
gewachsen, wozu 12 Dispensieranstalten in Krankenhäusern und 18 homöopathische
Hausapotheken konimen. Läßt man die Militärbevölkerung, die im allgemeinen
ihr Arzneibedüfnis aus besonderen, hier nicht einbegriffenen Apocheken in den
Garmisonlazaretten befriedigt, außer Ansatz, so entfielen zu Ende 1900 auf eine
Civilbevölkerung von 1 888 326 Seelen im ganzen 193 Arzneiversorgungsstellen
in Berlin, mithin eine auf je 9784 Seelen, während 1890 auf 12 175 Seelen
eine Apotheke kam.
Daß trotzdem von Seiten der sogenannten Konzessionsanwärter, d. h. der
jenigen nicht besitzenden approbierten Apotheker, welche im Hinblick auf ihr Ap
probationsalter wie ihre bisherige Thätigkeit für Verleihung von etwa neu aus
geschriebener: Konzessionen zunächst in Betracht kamen, über das zu langsanre
Tempo der Apothekenvermehrung geklagt wurde, kann nicht Wunder nehmen.
Es würde aber verkehrt sein, wenn diesem Drängen der Konzessionsanwärter
seitens der Verwaltung allzusehr nachgegeben würde. Denn eine über das Be
dürfnis der Bevölkerung hinausgehende Vermehrung der Apotheken würde die
Unzufriedenheit der Anwärter nicht beseitigen, weil damit auch ein verstärkter Zu
drang zum Apochekerberus ins Leben gerufen werden müßte; und auf der anderen
Seite verdient auch das Interesse der durch Neugründurrgen in ihrer Existenz ge
fährdeten Besitzer bestehender Apotheken Berücksichtigung.
Aufgabe der Verwaltung mutz es sein, den richtigen Mittelweg zu finden,
der bei thunlichster Berücksichtigung berechtigter Interessen in erster Linie deni
öffentlichen Wohl und dem Bedürfnis des arzneisuchenden Publikums gerecht zu
werden geeignet ist.
Erwähnung verdient hier, daß infolge Allerhöchster Ordre vom 30. Juni
1894 seit dem 11. Juli 1894 die Konzessionen nur noch persönlich verliehen
wurden und nach dem Tode des Konzessionärs an den Staat zurückfielen, vor
ausgesetzt, daß nicht Wiüven oder minorenne Kinder (einschließlich etwaiger
Adoptivkinder) vorhanden waren, die dann rvährend ihrer Witwenschaft und
währerrd ihrer Minderjährigkeit die Apotheke verwalten lasten durften.
Die von 1886—1894 konzessionierten Apotheken, die erst zehn Jahre nach
chrer Eröffnung verkäuflich sind, wurden meist bei Ablauf des Termines verkauft,
auch dann, wenn in ihrer Nähe eine neue ?lpotheke gegründet und dadurch ihr
Verkaufswert gemindert worden war.
Bei Umbauten und sonstigen Veränderungen von Apothekenhäusern ini
Centrum der Stadt, wo viele Häuser ausschließlich in Kaufhäuser verwarrdelt
werden, wurde es immer schwieriger, auf Durchführung der Vorschrift in § 2 der
Ministerialanweisung vom 16. Dezember 1893 zu halten und zu erreichen, daß
der Apothekenvorstand in dem garnicht für Wohnzwecke eingerichteten Hause
Wohnung nahm. — Diesen veränderten Verhältnissen wurde Rechnung
getragen und verschiedenen Apothekenbesitzern zuerst durch Ministerial
erlass vom 18. Juli 1900 widerruflich gestattet, außerhalb des
Geschäftshauses unter Bedingung einer zweckmäßigen Regelung des Nacht
dienstes zu wohnen.
Die stets unvermutlichen amtlichen Besichtigungen der Geschäfte erfolgten
durch die beiden medizinischen Dezernenten des Polizei-Präsidiums, die mit je zwei
Apothekenbesitzern die Revisionskommissionen bildeten. — Von wenigen bedauer
lichen Einzelfällen abgesehen, wurden im allgemeinen befriedigende Zustände
festgestellt.