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Leichen - Kommissariat.
IV. Da» Erichen Ksnimrisariat.
Vom Jahre 1867 bis Ende Februar 1886 befand sich der polizeiliche Leichen
keller (Morgue) im Königlichen Anatomie-Gebäude. Am 1. März 1886 wurde das
neue fiskalische Leichenfchauhaus an der Kommunikation am Neuen Thor "Nr. 19,
jetzt Hannoversche Straße, eröffnet.
Der westliche Flügel deffelben enthält die Dienstwohnungen für den Leichen-
Kommiffar, zwei Leichendiener und einen Maschinisten, ein Wartezimmer für das
Trauergefolgc, ein Büreau, ein Telegraphen-Zimmer und ein Zimmer zur Aufbe
wahrung der bei Leichen vorgefundenen Sachen.
Der Mittelbau enthält im Erdgeschoß den Ausstellungsraum mit 7 Zellen
zur Aufnahme von 14 Leichen. Hier werden linbekannte Leichen zum Zwecke der
Rckognition mit der Kleidung öffentlich ausgestellt. Unter diesen Zellen befindet
sich im Kellergeschoß der Leichen-Ausbewahrungsraum init 13 Zellen zur Aufnabme
voll 39 Leichen. Ferner befinden sich hier ein Raum mit 2 Dampfkesseln,
1 Maschinenrauin, in welchem während der wärmeren Jahreszeit eine Kälte
erzeugungs-Maschine (System Linde) in Thätigkeit ist; eine Ventilations-Maschine,
ein Raum zum Leichenwaschcn, ein Raum zum Einsargen, ein Sarg-Magazin zur
Aufnahme der sogen. Armen-Särge und eine für Leichen-Feierlichkeiten hergerichtete
.Kapelle, mit einem Altar, einem dazu gehörigen Kruzifix, zwei Lellchtern und einem
Sarg-Podium.
Der östliche Flügel enthält im Erdgeschoß einen Obduktionssaal, ein Zeugen
zimmer, ein Arbeitszimmer für den bei den gerichtlichen Leichenöffnungen amtirenden
Richter, zwei Arbeitszimmer für die Gerichtsärzte und ein chemisches Laboratorium.
Im ersten Stock befinden sich ein Obduktionssaal, ein Hörsaal und die Arbeits
zimmer für den Direktor und den Assistenten des Instituts für Staatsarzneikundc.
Das Büreau des Leichen-Kommissars ist an das allgemeine Fernsprechnetz
angeschloffen.
Die Thätigkeit des Leichen-Kommiffars erstreckt sich aus die Sicherstellung der
Leichen solcher Personen, deren Tod nicht im natürlichen Verlauf der Dinge erfolgt
ist, besonders solcher, die durch Unglücksfälle, Selbstmord oder durch frenide Schuld
das Leben verloren haben. Er führt ferner die Aufsicht über das Leichenschauhaus,
über die ihm unterstellten zwei Schutzmänner (ein Schreiber und ein Telegraphist), drei
Leichcndicner, einen Maschinisten und bei größeren Beerdigungs-Feierlichkeiten über
das Trauergefolge (Handwerker-, Krieger-Vereine rc.). Er ertheilt, sobald die
Staatsanwaltschaft die Beerdigung der Leichen freigegeben hat, die polizeiliche Bc-
erdigungs-Erlaubniß und hat für Vervollständigung, bezw. Ergänzung der gericht
lichen Beerdigungsscheinc nach 8 59 des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875
Sorge zu tragen. Die Beschaffung der Personalien der Todten erfordert einen
recht' umfangreichen Schriftwechsel mit denjenigen Ortsbehörden, in deren Bezirk
der Verstorbene geboren ist. Nach Eingang der gewünschten Auskunft iverden
die Standesäniter um Berichtigung bezw. Vervollständigung der Sterberegistcr
ersucht.
Der Leichen-Kommiffarius hat auch die Liquidationen über entstandene Trans
port- und Beerdigungskosten anzufertigen und nachdem dieselben rechnerisch geprüft
worden sind, mit Hülfe der Polizei-Reviere, des Nachlaß-Gerichts bezw. der aus
wärtigen Polizei-Behörden, die Einziehung der Kosten zn betreiben und die verein
nahmten Beträge an die Polizei-Hauptkaffe abzuführen.