Verbrecher-Albuin.
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Auch die über Hochstapler, Püderasten, Spieler, Ordensschwindler, reisende
Taschendiebe, ungarische Gauner u. s. >v. geführten Sammelakten ergänzen das
Verbrecher-Album.
In den letzten 10 Jahren sind mehr als 1000 Gewohnheitsverbrecher, vorzugsweise
Schlafstellendicbe und Gauner, ausschließlich durch Rekognitionen der Photographien er
mittelt worden. Diese Einrichtung, welche von allen größeren Polizei-Verwaltungen
nachgeahmt worden ist, hat sich daher trefflich bewährt, doch muß auch bei Be
nutzung dieses Hülfsmittels große Vorsicht angewendet werden. Denn, wenn scbon
bei persönlicher Gegenüberstellung irrtbümliche Rekognitionen zu den täglichen Vor-
kommniffen gehören, so ist dies naturgemäß bei der Vorlegung von Bildern, die
häufig schon vor längerer Zeit angefertigt wurden, noch viel häufiger der Fall.
Da der Viagistrat den Antrag, in dem neuen Polizei-Dienstgebäude ein photo
graphisches Atelier einzurichten, abgelehnt hat, so geschehen die photographischen
' Aufnahmen in einem zu diesem Zweck hergerichteten Dienstzimmer mittels Blitzlichtes.
Das hat zwar den Vortheil, daß die regelmäßig nur sehr kurze Zeit im polizeilichen
Gewahrsam befindlichen Verbrecher ohne Rücksicht auf die Tagcs-Beleuchtung photo-
graphirt werden können, aber das Blitzlicht ist kein voller Ersatz für Helles
Tageslicht. Widerstand wird den photographischen Zwangs-Aufnahmen selten
entgegengesetzt, doch komint es vor, daß die Verbrecher das Gesicht verzerren, um die
Ähnlichkeit zu verhindern.
Das in Paris eingeführte antbropometrische System von Bertillon ist hier
bisher nur insofern in Anwendung gebracht worden, als zur Vervollständigung der
Personenbeschreibung mit den aus Paris bezogenen Instrumenten - compas d’epaisseur,
compas ä giissiere, petit compas ä glissiere — die Kopflänge, Kopfbreite, der
linke Mittelfinger und der linke Ellbogen der festgenommenen Gewohnheitsverbrecher
gemessen werden. Die Einrichtung eines Service d’identification in dem Umfange
wie es in Paris, angeblich mit großem Erfolge, eingeführt ist, würde einen großen
Apparat erfordern und kann als dringendes Bedürfniß wenigstens für jetzt noch
nicht anerkannt werden, da es nicht häufig vorkommt, daß Verbrecher in dem Laufe
der Voruntersuchung nicht identifizirt werden können.
Ein kriminalistisches Museum — eine Sammlung der zur Ausübung von Ver
brechen benutzten Werkzeuge — ist im Jahre 1890 angelegt worden.
Die Unterstützung des Publikums bei der Erforschung strafbarer Hand
lungen ist um so unentbehrlicher, je größer das Gemeinwesen ist. Dem Polizei-
Präsidium wird dieselbe nicht in dem wünschcnswerthen Umfange zu Theil. Nur
wenn Belohnungen auf die Ergreifung des unbekannten oder flüchtigen Thäters
ausgesetzt sind, geht reichliches aber meist wcrthloses Material ein, sonst fließen die
Mittheilungen spärlich, soweit nicht eigene Jnterefien im Spiel sind. Die Berliner
Bevölkerung verfolgt zwar mit Jntercfie die Ereignisse auf kriminalpvlizcilichem
Gebiet, aber ein großer Theil derselben hat eine entschiedene Abneigung vor der
Berührung mit Polizei- und Gerichtsbehörden. Das ist freilich begreiflich, denn
die gerichtlichen und polizeilichen Vernehmungen siiH nicht nur mit Umständen und
Versäumnissen verknüpft, sondern habe» wobl auck, Anfeindungen im Gefolge, die
nicht selten in der ungerechtfettigten Beschuldigung des Meineids oder anderen
Racheakten gipfeln. Daher kommt es, daß Wahrnehmungen, welche eine schnelle
und vollständige Aufklärung des Sachverhalts bewirken würden, den Behörden sehr
oft vorenthalten werden. Doch sollte die Rücksicht auf das gemeine Wohl,
welches verlangt, daß verbreck,erische Eingriffe in die Rechtssphäre Anderer nicht
ungesühnt bleiben, Besorgnific vor Unannehmlichkeiten der bezeichneten Art zurück
drängen.
Um die Unterstützung des Publikums zu gewinnen, bedarf es der Vermittlung der
Tagesprefie. Amtliche Bekanntmachungen werden in den breiten Schichten des
Volkes wenig gelesen; was zur allgemeinen Kenntniß gelangen soll, muß in dem