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Öffentliche Lustbarkeiten.
Diese wichtige Angelegenheit ist später anderweit geregelt worden, indem die
Polizei-Verordnung vom 31. Oktober 1889, betreffend die bauliche Anlage
und die innere Einrichtung von Theatern, Circus-Gebäuden und
öffentlichen Versammlungsräumen, in den §§ 78—81 und im § 85 vorschreibt,
daß die Besitzer von bestehenden Theatern rc. verpflichtet sind, den Anfor
derungen dieser Verordnling innerhalb der Frist eines Jahres nachzllkommen
und zu dem Zwecke revisionsfähige Zeichnungen rc. innerhalb drei Monaten einzureichen.
Aus Grund dieser Vorschrift in Verbindung mit § 60 der Verordnung wurden
die Besitzer von 265 Lokalen, in welchen öffentliche Lustbarkeiten, z. B.
öffentlicher Tanz, Vokal- und Instrumental-Konzerte rc., und öffentliche Ver
sammlungen stattfinden, und welche bei einer Grundfläche von wenigstens 70 gm
eine größere Anzahl (über 100) Personen allsnehmen können, zur Einreichung von
Zeichnungen rc. aufgefordert. Dieser Aufforderung ist, wenn auch oft niit Ver
zögerungen, fast durchweg Folge geleistet worden. Die eingereichten Zeichnungen
wurden sodann an die Abtheilung III abgegeben, welcher die weitere Bearbeitling der
Sache oblag. (Vergleiche auch, was darüber in den Berichten der Abtheilung I. 4.
und Abtbeilung III gesagt ist.)
Jil einigen Fällen, in lvelchen die Besitzer bis zum 30. November 1890 weder
Zcichnungcil eingereicht, noch die geforderten baulichen Änderungen in die Wege
geleitet hatten, lvurde die Benutzung der Lokale zu öffentlichen Lustbarkeiten und
öffentlichen Versammlungen untersagt.
Aber nicht allein öffentliche Lustbarkeiten jeder Art fallen unter die Vorschriften
dieser Polizei-Verordnung, sondern auch die von Vereinen veranstalteten, nicht
öffentlichen Theatervorstellungen, insofern, als das Aufschlagen von
Theater bühnen ohne feuersicheres Podium in öffentlichen Versammlungsräumen,
auch wenn diese nach Maßgabe der oben erwähnten Polizei-Verordnung revidirt
uild entsprechend eiilgcrichtet sind, aus allgemein scuer- und sicherhcitsvolizeilichen
Gründen deir Lokalinhabern untersagt ist. (Verfügung vom 30. Dezember 1890.)
Hinsichtlich der Veranstaltung von Vokalkonzerten, Singspielen und
ähnlichen Lustbarkeiten sind in den letzten zehn Jahren bedeutende Änderungen
eingetreten.
Durch tz 33 n der Gewerbr-Ordnungs-Novelle vom 1. Juli 1883 tvurde
bestimmt, dap zur gewerbsmäßigen Veranstaltung von Singspielen, Gesangs- und
deklamatorischen Vortrügen, Schaustellungen von Personen und von theatralischen
Vorstellungen, bei denen ein höheres Interesse der Kunst nicht obwaltet, eine
Erlaubniß erforderlich sei. Durch die Königliche Verordnung vom 31. Dezenibcr
1883 (Gesetzsammlung von 1884 Seite 7) wurde die Erthcilung dieser Erlaubniß
vom 1. April 1884 ab dem hiesigen Stadt-Ausschuß übertragen.
Zur Zeit sind in Berlin 53 Lokale vorhanden, in welchen das im § 33 a der
Gewerbe-Drdnung behandelte Gewerbe betrieben wird. Von denselben bestanden
12 bereits im Jahre 1880. Sonach sind in der Berichtsperiode 41 derartige
Gewerbebetriebe vom Stadt-Ausschuß neu konzessionirt worden.
Unter diesen 53 Lokalen lassen sich fünf verschiedene Klassen unterschelden:
1. Die Cafes Chantants oder sogenannten Tingeltangel, d. h. solche
Lokale, in denen die Gesangsvortrügc, vorwiegend durch weibliche Personen aus
geführt werden und die Bedienung durch eben solche geschieht. Bei diesen besteht
der Besuch lediglich aus jüngeren männlichen Personen. Die Zahl dieser Cafes
beträgt 9.
2. Lokale, welche vom beffercn Publikum, mcistentheils von Familien besucht
werden, in denen die Bedienung durch männliche Personen geschieht und die
Gesangsvorträge nur in harmloser Form durch männliche und weibliche Personen
ausgeführt werden, z. B. durch Tvroler Sänger oder größere Süngcrgesellschaften,
wie die Stettiner und Leipziger Sänger. Solcher Lokale giebt es 4.