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Sonntagsruhe.
Besondere polizeiliche Vorschriften bestehen daneben über das Verbot öffent
licher Lustbarkeiten an gewissen Tagen (Polizei-Verordnung vom 12. Juni 1856)
sowie über das Verbot des Hausirhandels an Sonn- und Festtagen (Polizei-Ver
ordnung vom 18. September 1858).
Die seit dem Jahre 1885 hervorgetretene strengere Handhabung dieser schon
längst bestandenen, aber theilwcisc in Vergesscnbcit gerathenen Vorschriften hat
scitdcnl lebhafte Erörterungen in der Presse, Petitionen k. in großer Anzabl zur
Folge gehabt unb ist auch mehrfach Gegenstand richterlicher Entscheidungen von
prinzipieller Bedctitung gewesen.
Eine durchgreifende Regelung des wichtigen Gegenstandes durch Erlaß einer
neuen, den heutigen gewerblichen und sozialen Verhältnissen überall Rechnung
tragenden Polizei-Verordnung ist einstweilen bis nach dem Inkrafttreten der neuesten
Abänderung der Gewerbeordnung (§§ 105 a bis 105 i) ausgesetzt.
Jedoch ist inzwischen zum Gebrauch für die Exekutivbeamten eine Instruktion
zusammengestellt worden, welche alle auf den gewerblichen Verkehr an Sonn- und
Festtagen bezüglichen Bestimmungen und die zur Erläutcnmg derselben erlassenen
besonderen Anordnungen enthält. Sic enthält folgende Bestimmungen:
I. Allgemeine Vorschriften.
1. Unter „öffentlichem Gewerbeverkehr" wird jede Ausübung des
Gewerbebetriebes verstanden, welche außerhalb der gewöhnlichen Betriebswerkstätten
aus öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen oder an solchen Orten stattfindet,
welche durch keine Gebäude, Mauern oder sonstige undurchsichtige Einfriedigungen
von der öffentlichen Straße getrennt sind, desgleichen gehört dazu das Offen
halten der Verkaufsstätten zur Betreibung des Handels.
2. Der Gewerbebetrieb innerhalb der Bctriebswerkstättcn, sowie die Aus
führung von Arbeiten in Häusern und auf Privatgrundstücken, die durch nndurch-
sichtige Einfriedigungen von der öffentlichen Straße getrennt sind, unterliegt an
Sonn- und Festtagen ziach 10 Uhr Vormittags nur insoweit dem polizeilichen
Verbote, als damit ein ungewöhnlicher Verkehr nach Außen oder ein lautes, die
allgemeine Sonntagsruhe störendes Geräusch verbunden ist; d. h. die Sonntags
ruhe soll allenthalben, jedem Einzelnen gegenüber, auch ohne besondere Beschwerde
gewährleistet sein.
3. Verboten ist ferner nach 10 Uhr Vormittags die Ausstellung oder das
Aushängen von Waaren, Verkaufsgegenständcn oder Geschäftsanpreisungen in oder
vor de» Schaufenstern und Thüren zur Anlockung Kauflustiger. Hiervon machen
nur die zur Schau oder als Verkehrszeichen dienenden Gegenstände eine Ausnahme,
welche niet- und nagelfest angebracht sind. Schaukästen, welche lediglich
gewerbliche Ankündiglingsmittel enthalten, z. B. der Zahnärzte, Photographen,
Schreiblehrer :c. brauchen nach 10 Uhr nicht verhüllt zu werden.
Schaukästen, welche Verkanssgegcnständc enthalten, z. B. der Buchhändler jc.,
sind wie die Schaufenster solcher Geschäfte zu behandeln, also verhängt zu halten.
1l. Ausnahmen, welche sich auf die ganze Tageszeit der Sonn- und Festtage beziehe».
A. Der Betrieb auf den Eisenbahnen uild Bahnhöfen, der Postbetrieb, der
Betrieb des öffentlichen Fubrwcsens, der städtischen Straßenreinigung, des Dienst-
mannsgciverbes und des Gewerbes der Reinigungsdiener ist an Sonn- und Fest
tagen rücksichtlich der Zeit'keiner Beschränkung unterworfen.
Das Ausladen von Milchvorräthen aus Bahnhöfen und das Fortschaffen der
selben zum Gcschästslokal ist auch während der Hauptkirchenstunden erlaubt.
Erlaubt ist auch das Feilhalte» von Druckschriften k. auf den Bahnhöfen
selbst, nicht aber auch auf den Vorplätzen, welche zur öffentlichen Straße zu
rechnen sind.