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Abdeckerei.
Die Aufsicht über die Abdeckerei, sowie der Abschluß des Pachtvertrages steht
dem Polizei-Präsidium zu. Der Pachtvertrag unterliegt der Genehmigung des
Ministeriums des Innern, ebenso die Wahl der Person des Pächters. Bei der
Auswahl des Letzteren wird besonders darauf Bedacht genommen, daß demselben
genügende Geräthschaftcn, Arbeitskraft und Geldmittel zu Gebote stehen, um die
tägliche Zufuhr an Thierleichen sofort verarbeiten zu können und daß er ferner
binreichende technische Kenntnisse besitzt, um die Vernichtung und Ausnutzung der
Kadaver in vorschriftsmäßiger und für ihn auch gewinnbringender Weise bewerk-
stelligen zu können. In der von dem an der Müllerstraße belegenen Wohnhaus
etwa 600 Schritt entfernten Betriebsstätte ist vorhanden:
1. ein mit Wasserleitung versehenes Schlachthaus mit asphaltirtem Fußboden,
festen, mit Ölanstrich versehenen Wänden und den nöthigen Abflußrinnen.
Daneben befindet sich ein Raum für etwaige Sektionen und Untersuchungen
der Kadaver. Ueber dem Schlachthause liegt der zum Aufhängen und
Trocknen der Häute bestimmte Bodenraum, welcher jedoch zu diesem Zwecke
seit einiger Zeit nicht mehr benutzt wird,
2. ein Kochercigebüudc mit verschiedenen Nebenräumen, in denen sich der
Dampfkessel die Digestoren, Kochkessel, Fettschmelzpfanne, Knochenbrecher,
Leimkondensationsgefäße, Klärbottige, Fleischhackmaschiuen u. s. w. befinden,
und in denen der wichtigste Theil der Beseitigung und gewerblichen Aus
nutzung der Kadaver betrieben wird, ferner
3. ein Haus zum Trocknen der nach dem Kochprozeß verbleibenden Abgänge,
Weichtheilc rc., dessen Fußboden durch eine unter demselben befindliche
Fcucrungsanlage erhitzt werden kann, endlich
4. eine Versuchsstation des Kaiserlichen Reichs-Gesundheits-Amts zu Jmpf-
versuchen mit Milzbrandcontagiuin an lebenden Thieren.
Das Bürcau ist im Wohnhaus untergebracht. Der Pächter ist für die pünkt
liche und vorschriftsmäßige Ausführung aller ihm vom Polizei-Präsidium und desien
Organen aufgegebenen Aufträge persönlich verantwortlich. Derselbe ist verpflichtet,
das krcpirte Vieh binnen 8 Stunden nach erfolgter Anmeldung, sowie Fleisch,
Schlachtvieh und Nahrungsmittel, welche auf polizeiliche Anordnung in der Roß
schlächterei, auf dem Viehhose, den Wochenmärkten oder sonst confiscirt werden,
desgleichen Schlachtvieh und Fleisch, welches polizeilich als zur menschlichen
Nahrung ungeeignet befunden wird, auf polizeiliches Anfordern unentgeltlich sofort
abholen zu lassen und zu beseitigen.
Das todte Vieh muß jederzeit bedeckt transportirt und unmittelbar zur Ab
deckerei geschafft werden; dies hat entweder in den frühen Morgen- oder späten
Abendstunden oder in solchen! Transportwagen zu geschehen, welcher den Kadaver
vollständig verbirgt. Zum Transport von ausgeschlachtetem Vieh, Fleisch und
anderen Nahrungsmitteln, die polizeilich als zur menschlichen 'Nahrung ungeeignet
erachtet sind, hat Pächter einen mit sicherem Verschluß versehenen Kastenwagen
zu benutzen.
Die Verarbeitung der Kadaver geschieht schon seit mehreren Jahren ausschließlich
auf chemischem bezw. thermochemischem Wege.
Sämmtliche Kadavertheile gehen zuvörderst im Kochereigebäude durch ein mit
Dampf getriebenes Walzwerk, wodurch die Knochen und Fleischtheile zerkleinert
werden; alsdann werden sämmtliche Massen in eiserne, mit dem Dampfkeffel
mittels Rohrleitung in Verbindung stehende, runde, etwa 10 Fuß hohe und 4 Fuß
im Durchschnitt messende Gefäße (Digestoren) gethan, letztere dicht geschloffen und
in diese Dampf von 3 Atmosphären Spannung geleitet. Der Erhitzungsprozeß wird
8 bis 10 Stunden unterhalten. Hierdurch werden die fett- und leimhaltigen Sub-