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Sanitätspolizeiliche Maßregeln.
Übertragung der Schwindsucht durch Tuberkelbacillen bereits im Jahre 1869 unter
Zustiminling der schon genannten Deputation für das Medizinalwesen für die
Strafanstalten und die denselben unterstellten Gefängnisse erlassen worden.
Endlich war auf Grund eines Ministerial-Erlafses vom 22. November 1888,
betreffend Maßregeln gegen die Verbreitung des Kindbettfiebers, den Hebeammen
aufgegeben worden, die in jenem Erlaß angeordneten Maßregeln genau zu beachten,
insbesondere sich bei Schwangeren und Wöchnerinnen der größten Reinlichkeit am
Körper und Kleidung zu befleißigen, in jedem Falle von der verdünnten drei
prozentigen Karbolsäure einen entsprechend allsgiebigen Gebrauch zu machen und
sich nach jedem verdächtigen Krankheitsfall in ihrer Praxis durch ein laues Bad,
welches die Stadt unentgeltlich den Hebeammen zur Verfügung stellt, zu reinigen.
Besondere sariitatspolizeitrche Maßregeln.
1. Gegen die abnorme Höhe der Kindersterblichkeit.
a) Im Allgemeinen.
Die im ersten Bericht Seite 256 erwähnten allgemeinen Maßregeln haben eine wesent
liche Aenderung zum Besseren dadurch erfahren, daß die später zu erwähnende Polizei-Ver
ordnung vom7.Juli 1887, betreffend die Regelung des Verkehrs mit frischerKuh-
milch, aufdicBeschaffenheit der Milch im Ganzen einen sehr günstigen Einfluß geübt hat.
Es sind inzwischen auch weitere Anstalten zur Beschaffung guter Kindermilch
entstanden. In erster Linie hat die bekannte großartige Molkerei von Bolle in
Alt - Moabit ihre Thätigkeit mit Erfolg auch auf die Verabreichung guter Kinder
milch ausgedehnt und liefert dieselbe zu dein verhältnißmäßig geringen Preise von
30 Pfennigen für den Liter. Eine zweite Anstalt ist in der Friedrich - Wilhelm
straße entstanden, welche ebenfalls eine gute Kindermilch, theils von hiesigen, theils
von Schweizerkühen für den Preis von 30 bezw. 50 Pfennigen abgiebt. Dieselbe
ist im Jahre 1887 eröffnet worden. Endlich ist im Jahre 1888 im „Victoriapark"
in der Kreuzbergstraßc ein sehr großes Etablissement als Milch-Kuranstalt eröffnet
worden, welches nur Milch von echten Schweizerkühen, die nach bestimmten Grund
sätzen gefüttert und sehr gut gehalten werden, für den allerdings hohen Preis von
60 Pfennigen für den Liter verabfolgt.
Die im Jahre 1881 errichtete Anstalt für Kindermilch in der Jnvalidenstraße
besteht weiter fort.
Eine Maßregel, welche für die Gesundheit der jungen Kinder nicht ohne Be
deutung geblieben sein dürfte, ist die unter dem 22. Februar 1883 eingetretene
Erleichterung für die Beförderung der Kinder aus der Stadt auf die freien Plätze
und in die Anlagen des Thiergartens.
Während in früheren Jahren das Fahren in Kinderwagen auf den Bürger
steigen bei Kindem bis zum vollendeten zweiten Lebensjahre von der Beibringung
eines privatärztlichcn oder amtsärztlichen Zeugnisses über die Nothwendigkeit der
Wagenbefördcrung abhängig gemacht wurde, bestimmte das Polizei-Präsidium unter
dem 18. Februar 1883, daß Kindern bis zum vollendeten zweiten Lebensjahre
das Fahren in Kinderwagen ohne ärztliche Begutachtung gestattet werden dürfe und
nur für Personen höheren Alters ein ärztliches Zeugniß für die Nothwendigkeit
der Benutzung eines Gefährtes fernerhin erforderlich sein sollte. Es geschah dies
in der Erwägung, daß die Kinder in Berlin meist eine längere Strecke gefahren
oder getragen werden muffen, bevor sie einen freien Platz, einen Park oder der
gleichen erreichen, und daß das Tragen der Kinder auf solche Entfernungen nicht
immer durchführbar ist; den Unbemittelten aber wurde durch die Forderung eines
ärztlichen Zeugnisses, das unter den obwaltenden Umständen kauni jemals verweigert
werde» konnte, eine drückende Steuer für die der Luft bedürftigen Kinder auferlegt.