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Allgemeiner Theil.
es demnach mit der Unsicherheit Berlins in der That nicht so schliinm bestellt sein,
als man nach den übertriebenen Reporterberichten anzunehmen versucht sein könnte.
Es läßt sich demnach in Betreff der allgemeinen Sicherheit behaupten, daß Berlin
besser ist als sein Ruf.
Ein Theil der iin Abgeordnetenhause gegen die Polizei gerichteten Angriffe bezog
sich auch auf das Bestehen eines besonderen Nachtwachtcorps und gipfelte haupt
sächlich in dem Antrage, daffelbe auszulösen iinb durch Schutzmänner zu ersetzen. Das
Polizei-Präsidium hat bei den desfallsigcn Verhandlungen die Mängel des Nachtwacht-
tvesens in seiner gegenwärtigen Berfassling gewiß nicht verkanilt. Dieselben sind
hauptsächlich darin zu finden, daß die Nachtwächter nicht im Stande sind, ohne Ab
lösung ihren Dienst während der ganzen Nacht mit der gleichen Frische und Auf
merksamkeit zu leisten, zumal sie in Folge ihres geringen Diensteinkommens gezwungen
sind, am Tage ein Gewerbe zu betreiben oder sonst einen Nebenerwerb zu suchen. —
Auch kann nicht verkannt werden, daß sie dem Publikum gegenüber nicht immer die
selbe Autorität besitzen, als die uniformirte Schutzmannschaft. Die Ausführung des
dem Abgeordnetenhanse gemachten Vorschlags, den nächtlichen Sicherheitsdienst eben
falls der Schutzmannschaft zu übertragen, ist aber nach den mit der Stadt darüber
gepflogenen Verhandlungen bisher leider an dem Umstande gescheitert, daß die aus
dieser Einrichtung erwachsenden bedeutenden Mehrkosten nicht haben flüssig gemacht
werden können. Andrerseits darf das Polizei-Präsidium wohl die Behauptung auf
stellen, daß die früheren Uebclständc durch die, im Jahre 1873 und 1874 angeordnete
neue Organisation des Nachtwachtcorps erheblich geinindert worden sind, seitdem die
Besoldung der Nachtwächter wesentlich erhöht worden ist und jetzt nur jüngere kräftige
Leute und meistens gediente Militairs in das Nachtwachtcorps eingestellt werden.
Die nächtliche Sicherheit ist in den letzten Jahren denn auch eine weit größere
gewesen als früher, und in zahlreichen Fällen sind bei vorkommenden Verbrechen und
Excessen auch die Nachtwächter nachdrücklich und sachgemäß eingeschritten.
Auch in London haben, wie oben erwähnt, trotz der nächtlichen Constablcr die
Garotters lange Zeit ihr schauderhaftes Unwesen getrieben, sind tausende von Ein-
brüchen in Häuser und Läden vorgekoinmcn und soll trotz derselben, wie Englische
Zeitungen erzählen, auch jetzt wieder seit einiger Zeit ein wahres Entsetzen unter den
Bewohnern Londons herrschen wegen der vielen Einbrüche, die ungeachtet der Con-
stabler, der zahlreichen Privatwächtcr und aller erdenklichen Vorkehrungen neuerdings
wieder vorgekommen sind und die Bewohner in Angst und Schrecken versetzen. Wenn
auch hier jetzt mehr Rohheiten, grober Unfug und nächtliche Excesse auf den Straßen
vorkommen, als sonst, so ist es wohl nicht Mangel an Aufsicht Seitens der Polizei,
nicht Säumigkeit der Beamten, was die Schuld daran trägt, es ist die allgemeine
Verrohung der Sitten, welche durch die Kriegsjahre hcrciitgebrochen ist, sonne die Lust
zu Excessen, die Nichtachtung gegen jede Autorität, der Mangel jeder Pietät und
Achtung vor Gesetz und Ordnung, die durch die Irrlehren der Sozialdemokratie über
die Volksmassen gekommen sind und denen nicht gesteuert iverden kann, wenn nicht die
Gesetzgebung und die Handhabung der Gesetze Seitens der berufenen Behörden die
Polizei in ihrem Bestreben unterstützt und den verloren gegangenen Respect vor der
verordneten Obrigkeit wieder herstellt.
Bei den Vergleichen zwischen den Cvnstablern Londons und den hiesigen Schutz
männern pflegt gewöhnlich auch darauf besonders hingewiesen zu werden, daß die Con-
stabler ruhiger, gemessener, aber auch bestimmter gegen etwaige Gesetzesübertrcter vorgehen,
mehr amtliche Würde bewahren, und daß sie deshalb bei ihrein Einschreiten weniger
Widerstand und Ungehorsam, und im Publikum mehr Unterstützung fänden, als hier
die Schutzmänner, welche in ihrem Auftreten gegen Uebelthäter mehr als Partei er
schienen, daher durch ihr Einschreiten mehr zum Widerstand anreizten, und deshalb
auch das Publikum meist gegen sich hätten. Diese Beincrkung und diese Ansicht »rag
vielleicht nicht ganz ohne Berechtigung sein, häufig mag es so erscheinen. Die Schuld