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Allgemeiner Theil.
haben könnte. In der Nacht wacht er darüber, daß die Thüren und Fenster der
Häuser geschlossen und verivahrt sind; er laßt sic schließen, wenn er sie offen findet,
oder schließt sie selbst, ivcnn er im Besitze der Schlüssel des Hauses ist und diesen
Auftrag vom Hausbesitzer erhalten hat. Auf der Straße sorgt er für die Regelung
und Freihaltung des Verkehrs; er läßt die Wagen halten, um das Publikum, das
sich an den Kreuzungen angesammelt hat, ungefährdet den Straßendamm überschreiten
zu lassen, er geleitet auch ängstliche Frauen und schwache Greise hinüber, trägt wohl
auch kleine Kinder über den Damm und versieht andere kleine Ritterdienste, die zu
den angenehmeren Seiten seines Berufs gehören. Er thut sie auch gern und immer
mit freundlicher Miene, denn er ist gut besoldet, im Dienst nicht überbürdet und folgt
dainit eben nur seinem Berufe und der Anweisung seines Dienstes.
Um etwas Weiteres haben sich die Constabler dort nicht zu kümmern; sie haben
Nichts mit deni Meldewesen, nichts mit Steuer-, Militair-, Fcuer-Vcrsicherungs-An-
gelegenheiten, nichts rnit Gesundheits-, Veterinair-, Feuer- und Bau-Polizei, nichts
mit Diebstahlsnntersuchungen und sonstigen Dingen zu thun, mit denen sich unsere
Schutzmänner beschäftigen müssen.
Wenn nun das Verlangen gestellt worden ist, die hiesige Polizei solle sich um
alle diese Dinge, die nichts mit der Sicherheit des Publikums zu thun haben, nicht
kümmern, das Meldewesen müsse abgeschafft oder doch vereinfacht und den Schutz
männern abgenommen werden, so würde damit in der That wenig gewonnen sein:
man müßte unser nützliches, geordnetes Meldewesen entweder ganz aufheben oder die
Arbeit durch andere Beamte thun lassen, und die Polizei wäre genöthigt, das für
ihre Zwecke Erforderliche von dieser neugeschaffenen Melde-Behörde zu erbitten, oder
die ihr nothwendigen Auskiinfte und Ermittelungen auf weiteren Umwegen und
mit großen Geldopfern und Zeitverlust sich auf andere Weise selbst zu be
schaffen, wie man dies auch jetzt in London thun muß. London besteht allerdings
ohne ein Melde-Amt, dafür ist aber auch dort Niemand ohne Weiteres zu ermitteln,
der nicht in dem Adreffen-Nachweis der Post steht, der, wie hier der Wohnungs-
Anzeiger von Privatpersonen, dort von der Postbchördc herausgegeben wird, aber
eben nur diejenigen Personen enthält, die ihre Adressen zu diesem Zwecke der Post
aufgegeben haben. Hunderttausende, die das nicht thun oder nicht thun wollen,
stehen in dein Post-Adreß-Buch eben nicht, sind demnach auch der Polizei nicht un
mittelbar bekannt, und ohne besondere Nachforschungen überhaupt nirgend zu erfragen
und zu ermitteln. Dort kann man nicht nach einem Bllreau, wie hier nach dem
Einwohner-Melde-Amt, gehen, wenn man Familienangehörige, einen verzogenen Ge
schäftsfreund, einen Schuldner oder irgend Jcniand sucht, dessen Wohnung man nicht
weiß oder dessen zeitige Wohnung, auch wenn sein Name im Adreßbuch steht, daraus
nicht zu ersehen ist, weil er seit der letzten Allsgabe des Buches vielleicht verzogen
ist; dort hat man kein Melde-Amt, das jederzeit bereit ist, auf einfache Anfrage die
Wohnung des Gesuchten gegen den Betrag von 25 Pfennigen nachzuweisen. Wer in
London in solchen Füllen Jemand suchen will, muß sich an einen Privat-Agenten oder
au eine» Dctectiv wenden, die durch Nachfragen, Combinationen und persönliche Nach
forschungen wohl auch die gesuchte Person ermitteln, jedoch nur gegen gute Bezah
lung. Dabei darf inan auch nicht vergessen, daß in London solche Mühewaltungen
sehr theuer sind, daß dort immer nach Pfunden, d. i. nach Doppelkronen, gerechnet
und bezahlt lvird. Der Arme, der Unbemittelte kann in solchen Fällen dort über
haupt nichts erreichen, er kailn z. B. sein Recht gegen einen Schuldner nicht verfolgen,
lvenn er dessen Aufenthalt nicht kennt und nicht so viel Geld hat, um einen Detectiv
oder Agenten zu bezahlen, der ihm denselben ermittelt.
Dies ist gewiß kein Vorzug Londons, sondern eher ein Mangel, der hier schwer
empfunden werden würde.
Auch um die Verfolgung von Verbrechern kümmert sich der Londoner Constabler
nicht oder doch mir beiläufig, wenn ihm ein Verbrecher bei Verübung des Verbrechens
oder bei Unterbringung des Raubes oder gestohlenen Gutes in die Hände fällt. Wer