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S. 1201) hatte der Herr Preußische Minister des Innern den Stadt-
und Landkreisen freigestellt, statt der auf den Inflationsbesitz be
schränkten Wertzuwachssteuer eine allgemeine Wertzuwachsbesteuerung
einzuführen. Die Einführung einer solchen Steuer erschien jedoch, so
lange die 'Möglichkeit der Erhebung erhöhter Zuschläge zur Gründer
iverbsteuer bestand, nicht empfehlenswert, und unsere bisherige Wert
zuwachsstcuervrdnung sah daher auch nur eine Besteuerung des Wert
zuwachses dann vor, wenn der Veräußerer oder sein Rechtsvorgänger
das Eigentum an dem veräußerten Grundstück erst nach dem 31. De
zember 1918 erworben hatte.
Im Hinblick auf den seit dem 1. April 1927 erfolgten Fortfall des
erhöhten GrundcrwcrbstcuerzuschlageS haben wir uns, dem Beispiel der
preußischen Mustersteuerordnung für die Erhebung einer Werkzuwächs-
fteuer im wesentlichen folgend, dazu entschlossen, zur allgemeinen Wert
zuwachsbesteuerung überzugehen. Die neue Ordnung trifft daher alle
Fälle, also auch den sogenannten Altbesitz. Die steuerliche Erfassung
dieses Altbesitzes wird aber zunächst wenig spürbar sein, solange uämlicy
die Friedenspreise hinter den jetzigen BeräußerungSpreisen zurückbleiben.
Den Gedanken, nach dein Beispiel anderer Städte bei der Errechnung
des Wertzuwachses nur das jeweilige Barkapital des Veräußerers zu be
rücksichtigen, haben wir fallen gelassen, weil wir eine derartige Movu
struktion eines fingierten „Wertzuwachses" als ungesetzlich erkannt haben.
Da bei Altbesitz der Nennbetrag der Hypotheken gemäß 8 2 dc^> Aufwcr-
tungSgesetzes vom 10. Juli 1925 älS Gvldmarkbctrag gilt, so wird sich die
Besteuerung des Altbesitzes — entgegen einer mehrfach in der Oeffem-
lichkeit geäußerten Ansicht — zunächst sehr schonend auswirken.
Wir haben die 'Neufassung der Wertzuivachssteuerordnung zum An
laß gcnonimen, die Steuerordnung gegenüber der bisherigen Fassung
in wesentlichen Punkten zu verbessern, sic der bisherigen rohen Form
zu entkleiden und sie an das Reichszuwachssteuergesetz vom 14. Februar
1911 anzugleichen. Auch wird die neue Steuerordnung viel schärfer als
bisher die sogenannten Steuerumgehungen ersassen, insbesondere die Per
Äußerungen von Grundstücken im Wege einer künstlich herbeigeführten
Zwangsversteigerung. Bisher war es nicht möglich, in diesen Fällen den
Erwerber für die Steuer haftbar zu machen, und der Stadt gelang es
in vielen Füllen nicht, die Steuer von dem Veräußerer hereinzubekommen,
insbesondere wenn dieser ein Ausländer oder eine Grundstücksgesellschaft
ivar. Durch die Einfügung des bekannten Umgehungsparagraphen 5 der
Rcichsabgabenordnung sowie durch eine Erweiterung der Haftung des
Erwerbers für die Steuer, die von dem Veräußerer nicht beizutreiben
ist, hoffen wir diesem Uebel in Zukunft abzuhelfen.
Hinsichtlich des Steuersatzes unterscheidet die neue Steuerordnung
zwisckzen dent sogenannten Jnflationsbesitz (Erwerb des Grundstücks in
der Zeit vom 1. Januar 1919 bis 31. Dezember 1924) und dem Alt- und
'Neubesitz. Bei dem Jnflationsbesitz ist es bei dem bisherigen Steuersatz
von Z!0 v. H. verblieben, während für alle übrigen Fälle grundsätzlich
ein Steuersatz von 20 v.H. vorgesehen ist. Dieser Satz von 20 v. H. ist
je nach der Besitzdauer gestaffelt; er beträgt ;. B. bei einer Besitzdauer
bis zu 4 Jahren 24 v. H., während er sich für das siebente und jedes
vollendete weitere Jahr um jedes Mal >4V. H., jedoch nicht unter l0 v. H.
des Wertzuwachses ermäßigt.
Die Zurückführung des noch in ausländischer Hand befindlichen
Großberliner Grundbesitzes in deutsche Hände ist in den letzten Jahren
nicht in dern erwünschten Maße fortgeschritten. Ilin hier dcni auslän
dischen Verkäufer einen starken Anreiz zum alsbaldigen Verkauf seines
Grundbesitzes zu bieten, haben wir uns zu einer vorübergehenden Sen
kung des Steuersatzes auf die Dauer eines Jahres entschlossen. Da in der
Oeffentlichkcit vielfach der Borwurf erhoben worden ist, daß die Berech
nung der Wertzuwachssteuer auf der Grundlage der Steuerordnung zu
schwierig sei, um dem verkaufswilligen Eigentümer und dem Käufer eine
schnelle und zuverlässige Kalkulation des Kaufpreises zu ermöglichen,
haben wir diesen ermäßigten Steuersatz nicht auf den Wertzuwachs,
sondern auf den der Grunderwerbsteuerberechnung zugrunde zu legenden
Steuerwert (gemeiner Wert des Gründstücks oder höherer Veräußerungs-
Preis) abgestellt. Hierdurch werden die Kauflustigen in die Lage versetzt,
die steuerliche Belastung des Grundstückserwerbs sich selbst mit hin
reichender Sicherheit zu berechnen.
Wir bitten daher zu beschließen:
„Der anliegenden Wertzuwachsstcuerordnung und dem anliegenden
Gemeindebeschluß wird zugestimmt."
Berlin, den 17. Februar 1928.
Magistrat.
Böß. Dr. Lange.