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Volume No. 20 (312-333), 1918/06/22

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1918 (Public Domain)

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behufs Verwendung für die Herrichtung leerstehender Kleinwohnungen 
und für den Umbau von leerstehenden Läden und sonstiger Ge 
werberäume zu Wohnungen verausgabt wird. 
Seit längerer Zeit sind wir in Ermittelungen und Erwägungen 
darüber eingetreten, welche Maßnahmen zur Behebung der bestimmt 
nach Friedensschluß zu erwartenden Wohnungsnot in- Berlin und 
darüber hinaus in Groß Berlin geboten sind. Nach Friedensschluß 
werde» nicht nur die verheirateten heimkehrenden Feldzugsteilnehmer, 
deren Frauen ihre bisherige Wohnung im Lause des Kriegs aufgegeben 
haben, sone-ern auch diejenigen, die vor ihrer Einberufung keine eigene 
Wohnung hatten, aber während des Krieges eine Ehe eingegangen 
sind, endlich auch diejenigen unverheirateten Feldzugsteilnehmer, 
die ihre Verheiratung während des Krieges aufgeschoben haben, 
die Möglichkeit der Wiederaufnahme ihres Hausstandes oder 
der Neugründung eines solchen in eigener Wohnung finden müssen. 
Ferner ist mit dem durch Heranwachsen der Jugend und Zuzug ent 
stehenden Anwachsen des normalen Bedarfs zu rechnen. Endlich aber 
ist nach Friedensschluß mit Einsetzen des Wiederauslebeus der Friedens- 
wirtsch rst ein sehr starker Zustrom Arbeit- und Verdienstsuchender nach 
Berlin und nach Groß Berlin zu erwarten, ohne daß dagegen wirt 
schaftlich überaus bedenkliche Maßnahmen empfohlen werden können. 
Der Direktor unseres Statistischen Aurts hat in eingehenden Dar 
legungen und Berechnungen, deren Ergebnis übrigens mit den Ergeb 
nissen der Aufnahme der leerstehenden Wohnungen vom Mai 1916 und 
Mai 1917 nahezu übereinstimme», den normalen Wohnungsbedarf ins 
besondere infolge von Eh Schließung n, nach Abzug des durch Haushalts- 
auflösu ig entstehenden Angebots für Berlin aus jährlich 5000, für 
Groß Berlin, unter Annahme mindestens der gleichen Steigerung des 
Verbrauchs wie in Berlin und in Würdigung des weit höheren Ergeb 
nisses der Abnahme leerstehender Wohnungen zwischen 1916 und 1917, 
aus gleichfalls 5000 Wohnungen, zusammen also auf 10 000 Wohnungen 
veranschlagt wobei er aber diese nach Friedensvrrhältnissen berechnete, 
ganz geringfügige Zahl nur auf die Dauer eines Jahres und für die 
ungewöhnlichen Verhältnisse der Kriegszeit anerkennt. Den Bedarf 
an Wohnungen für die heinikehrenden verheiratelen Krieger, deren 
Familien z,r Zeit ohne eigene Wohnung sind, hat er für Berlin 
aus 15 000, für Groß Berlin auf 30OM errechnet. 
Daß die bisher genannten Brdacsszahlen jedenfalls nicht zu niedrig 
gegriffen sind, ergibt sich u. a. auch daraus, daß der Direktor des 
Statistischen Amts der Stadt Schöneb.rg den Wohnungsbedarf in Groß 
Berlin während der ersten Friedensjahre auf mindestens 60 MO Woh 
nungen bemißt, der in jedem Jahr uni weitere 200-00 steigt. 
Der nach Friedensschluß einsetzende Zustrom Auswärtiger nach 
Berlin und Groß Berlin ist b i der Ungewißheit der wirtschaftlichen 
Entwicklung auch nicht annähernd zuverlässig abzuschätzen. 
Ergeben so die ermittelten Bedarfszahlen eine brauchbare 
Unterlage für die zur Abwendung der Wohnungsnot geboteilen Maß 
nahmen, so kann der in Berlin und Groß Berlin vorhandene Vorrat 
an leerstehenden Wohnungen, insbesondere an Kleinwohnungen erst nach 
Verarbeitung der seit Ende Mai dieses Jahres eingeleiteten Reichs 
wohnungsaufnahme genau angegeben werden. Immerhin ergibt schon 
ein Vergleich der Zahlen der Wohnungsaufnahme vom Mai 1916 und 
vom Mai 1917 ein uugänstiges Bild. Während 1916 in Berlin noch 
39 863 leerstehende Wohnungen, davon 29 221 kleine Wohnungen, in 
45 Vororten zusammen noch 21907 leerstehende Wohnung.'n, davon 
12 237 kleine Wohnungen, gezählt wurden, ergab sich 1917 in Berlin 
ein Bestand von 34 574, davon 26 052 kleinen Wohnungen, in den 
45 Vororten ein Bestand von 13 103, davon 8075 kleinen Wohnungen. 
In Berlin somit eine Abnahme von 13,z pCt., in den Vororten eme 
Abnahme von 40,s pCt. Die Höhe der seit 1917 weiter eingetretenen 
Abnahme wird erst die Reichswohnungszählung ergeben. Da Berlin 
keine isolierte Stadt im Lande unü insbesondere den Einflüssen einer 
scharfen Zmpitzung des Wohnungsmangels in den Vororten stark aus 
gesetzt ist, so muß eine weitere Abnahme von 1917 zu 1918 auch nur 
um dieselbe Zahl wie von 1916 zu 1917 bei der Knappheit des Vor 
ratsangebots schon von 1917 zu ganz und gar unzureichenden Ziffern 
führen. Einzelne Nachermittelungen machen es sehr wahrscheinlich, daß 
auch in Berlin der im Mai 1917 noch verhältnismäßig starke Vorrat 
seirdem wesentlich stärker als im Vorjahre abgebröckelt ist, so daß nun 
mehr auch für Berlin die Fürsorge für die Beschaffung von kleinen und 
miltlecen Wohnungen zunr dringenden Gebot geivorden ist. Direktor des 
Statistischen Amts schätzt die Zahl der heute noch in Berlin leerstehenden 
Kleinwohnungen auf etwa 14 OM, von denen nur ein bestimmter 
Bruchteil durch praktisch mögliche Maßnah neu wohnreis zu machen ist, 
die entsprechende Zahl in den 46 Bororten auf etwa 5 OM. 
Gegenüber den oben für Berlin und für Groß Berlin angegebenen 
Wohnungsbedarf kann jedenfalls der vorhandene Wohnungsvorrat als 
eine noch ausreichende Wohnungsreserve nicht mehr bezeichnet werden 
Wir haben nun für die Durchführung der notwendigen Maßnahme» 
ei» Programm ausgestellt, aus dem sich gleichzeitig, auch schon mit 
Rücksicht aus den bei den einzelnen Maßnahmen erforderlichen Auf 
wand, die Reihenfolge ihrer Inangriffnahme ergeben muß. In erster
	        
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