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behufs Verwendung für die Herrichtung leerstehender Kleinwohnungen
und für den Umbau von leerstehenden Läden und sonstiger Ge
werberäume zu Wohnungen verausgabt wird.
Seit längerer Zeit sind wir in Ermittelungen und Erwägungen
darüber eingetreten, welche Maßnahmen zur Behebung der bestimmt
nach Friedensschluß zu erwartenden Wohnungsnot in- Berlin und
darüber hinaus in Groß Berlin geboten sind. Nach Friedensschluß
werde» nicht nur die verheirateten heimkehrenden Feldzugsteilnehmer,
deren Frauen ihre bisherige Wohnung im Lause des Kriegs aufgegeben
haben, sone-ern auch diejenigen, die vor ihrer Einberufung keine eigene
Wohnung hatten, aber während des Krieges eine Ehe eingegangen
sind, endlich auch diejenigen unverheirateten Feldzugsteilnehmer,
die ihre Verheiratung während des Krieges aufgeschoben haben,
die Möglichkeit der Wiederaufnahme ihres Hausstandes oder
der Neugründung eines solchen in eigener Wohnung finden müssen.
Ferner ist mit dem durch Heranwachsen der Jugend und Zuzug ent
stehenden Anwachsen des normalen Bedarfs zu rechnen. Endlich aber
ist nach Friedensschluß mit Einsetzen des Wiederauslebeus der Friedens-
wirtsch rst ein sehr starker Zustrom Arbeit- und Verdienstsuchender nach
Berlin und nach Groß Berlin zu erwarten, ohne daß dagegen wirt
schaftlich überaus bedenkliche Maßnahmen empfohlen werden können.
Der Direktor unseres Statistischen Aurts hat in eingehenden Dar
legungen und Berechnungen, deren Ergebnis übrigens mit den Ergeb
nissen der Aufnahme der leerstehenden Wohnungen vom Mai 1916 und
Mai 1917 nahezu übereinstimme», den normalen Wohnungsbedarf ins
besondere infolge von Eh Schließung n, nach Abzug des durch Haushalts-
auflösu ig entstehenden Angebots für Berlin aus jährlich 5000, für
Groß Berlin, unter Annahme mindestens der gleichen Steigerung des
Verbrauchs wie in Berlin und in Würdigung des weit höheren Ergeb
nisses der Abnahme leerstehender Wohnungen zwischen 1916 und 1917,
aus gleichfalls 5000 Wohnungen, zusammen also auf 10 000 Wohnungen
veranschlagt wobei er aber diese nach Friedensvrrhältnissen berechnete,
ganz geringfügige Zahl nur auf die Dauer eines Jahres und für die
ungewöhnlichen Verhältnisse der Kriegszeit anerkennt. Den Bedarf
an Wohnungen für die heinikehrenden verheiratelen Krieger, deren
Familien z,r Zeit ohne eigene Wohnung sind, hat er für Berlin
aus 15 000, für Groß Berlin auf 30OM errechnet.
Daß die bisher genannten Brdacsszahlen jedenfalls nicht zu niedrig
gegriffen sind, ergibt sich u. a. auch daraus, daß der Direktor des
Statistischen Amts der Stadt Schöneb.rg den Wohnungsbedarf in Groß
Berlin während der ersten Friedensjahre auf mindestens 60 MO Woh
nungen bemißt, der in jedem Jahr uni weitere 200-00 steigt.
Der nach Friedensschluß einsetzende Zustrom Auswärtiger nach
Berlin und Groß Berlin ist b i der Ungewißheit der wirtschaftlichen
Entwicklung auch nicht annähernd zuverlässig abzuschätzen.
Ergeben so die ermittelten Bedarfszahlen eine brauchbare
Unterlage für die zur Abwendung der Wohnungsnot geboteilen Maß
nahmen, so kann der in Berlin und Groß Berlin vorhandene Vorrat
an leerstehenden Wohnungen, insbesondere an Kleinwohnungen erst nach
Verarbeitung der seit Ende Mai dieses Jahres eingeleiteten Reichs
wohnungsaufnahme genau angegeben werden. Immerhin ergibt schon
ein Vergleich der Zahlen der Wohnungsaufnahme vom Mai 1916 und
vom Mai 1917 ein uugänstiges Bild. Während 1916 in Berlin noch
39 863 leerstehende Wohnungen, davon 29 221 kleine Wohnungen, in
45 Vororten zusammen noch 21907 leerstehende Wohnung.'n, davon
12 237 kleine Wohnungen, gezählt wurden, ergab sich 1917 in Berlin
ein Bestand von 34 574, davon 26 052 kleinen Wohnungen, in den
45 Vororten ein Bestand von 13 103, davon 8075 kleinen Wohnungen.
In Berlin somit eine Abnahme von 13,z pCt., in den Vororten eme
Abnahme von 40,s pCt. Die Höhe der seit 1917 weiter eingetretenen
Abnahme wird erst die Reichswohnungszählung ergeben. Da Berlin
keine isolierte Stadt im Lande unü insbesondere den Einflüssen einer
scharfen Zmpitzung des Wohnungsmangels in den Vororten stark aus
gesetzt ist, so muß eine weitere Abnahme von 1917 zu 1918 auch nur
um dieselbe Zahl wie von 1916 zu 1917 bei der Knappheit des Vor
ratsangebots schon von 1917 zu ganz und gar unzureichenden Ziffern
führen. Einzelne Nachermittelungen machen es sehr wahrscheinlich, daß
auch in Berlin der im Mai 1917 noch verhältnismäßig starke Vorrat
seirdem wesentlich stärker als im Vorjahre abgebröckelt ist, so daß nun
mehr auch für Berlin die Fürsorge für die Beschaffung von kleinen und
miltlecen Wohnungen zunr dringenden Gebot geivorden ist. Direktor des
Statistischen Amts schätzt die Zahl der heute noch in Berlin leerstehenden
Kleinwohnungen auf etwa 14 OM, von denen nur ein bestimmter
Bruchteil durch praktisch mögliche Maßnah neu wohnreis zu machen ist,
die entsprechende Zahl in den 46 Bororten auf etwa 5 OM.
Gegenüber den oben für Berlin und für Groß Berlin angegebenen
Wohnungsbedarf kann jedenfalls der vorhandene Wohnungsvorrat als
eine noch ausreichende Wohnungsreserve nicht mehr bezeichnet werden
Wir haben nun für die Durchführung der notwendigen Maßnahme»
ei» Programm ausgestellt, aus dem sich gleichzeitig, auch schon mit
Rücksicht aus den bei den einzelnen Maßnahmen erforderlichen Auf
wand, die Reihenfolge ihrer Inangriffnahme ergeben muß. In erster