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Volume No. 50 (977-1001), 1912/11/23

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1912 (Public Domain)

des Gasverbrauchs angeführt. Der von den Antragstellern 
seinerzeit beim Magistrat eingelegte Protest sei ohne Erfolg 
geblieben, es wurde ihnen aber bedeutet, daß die Gaswerke 
die Verlegung der Röhren für das Auroinatengas hauptsächlich 
durch Privatunternehmer ausführen lassen würden. In der 
Tat seien auch damals vier Mitglieder der Innung zu den 
Arbeiten herangezogen worden. Aber nur ein Auftrag sei 
im ganzen erfolgt, alle ichrigen Arbeiten seien durch die Gas 
anstalten selbst angefertigt ivorden. Der Privatindnstrie bzw. 
den Privatunternehmern sei hierdurch viel verloren gegangen. 
Neuerdings hätten die Gaswerke auch beschlossen, die Flur- 
und Treppenbeleuchlnng in den Häusern gegen sehr geringes 
Entgelt überwachen und Ersatz von Glühstrümpfen und Zylin 
dern für den Selbstkostenpreis in Rechnung stellen zu wollen, 
sofern es von den Hauseigentümern gewünscht ivird. Die Kosten 
ivrrden hierfür so gering angesetzt, daß ein Privatunternehmer 
hierinil nicht konkurrieren könne. Ta auch hierdurch lvieder 
große Schädigungen den Umernehinern der Gas- und Wasser 
leitungsbranchen erwüchsen, sähen sich die Antragsteller ge 
zwungen, die Stadtverordnetenversammlung uni Inschutznahme 
ihrer Interessen zu bitten. 
Hierzu äußerte der Herr Magistratsvertreker in der Ausschuß 
sitzung, daß es im Interesse der Stadtgemeinde lüge, den Gaskonsuni 
zu heben, da sic in erster Linie das Interesse ihrer eigenen Gas 
anstalten wahrzunehmen habe. Er führte aus, daß die Verwaltung 
der Gaswerke bestrebt sei, alle Mittel und Wege zu ergreifen, die 
hierfür geeignet erschienen. Rach Darlegung des jetzigen Geschäfts- 
uinfanges der Gaswerke schloß er seine Ausführungen damit, daß, 
wo die allgemeinen Interessen in Frage kämen, die Interessen einer 
bestimmten Uniernehinergruppc zurückstehen müßten. 
Jin Anschluß hieran wurde von einer Seile beantragt, über die 
Petition zur Tagesordnung überzugehen. 
Von anderer Seite beantragte man jedoch, die Petition insoweit, 
als es sich um die Preise für den Unterhalt der Gasanlagen und 
uin die Preise des Verkaufs von Glühstrümpfen und Zylindern 
handelt, dem Magistrat zur Berücksichtigung zu übertveisen. 
Der Ausschuß beschloß in seiner Mehrheit, den Antrag aus 
teilweise Berücksichtigung abzulehnen und über die Petition zur 
Tagesordnung überz u geh e n. 
II. 
Vertagt. 
5. (P e t. - I. - N r. 66 12) Petition der Frau Elisabeth 
Vogler, XIV., Pank st r a ß e 26, u ui R ückzahlung von 
390 ,M c i n b e h a l t e n e r Pension f ü r unter s chl a g e n e 
Gelder. 
Ter Ehemann der Petentin ist verstorben. Er ivar als 
Steuererhcber 20 Fahre lang bei der Stadt Berlin beschäftigt. 
Tie Bittstellerin gibt an. daß ihr Ehemann an einem Nerven 
leiden erkrankt wäre, welches dazu geführt hätte, daß er am 
11. Juni zur Steuerkasse gegangen und wie gewöhnlich Quit 
tungen zum Kassieren übernommen hätte. Am 12. Juni hätten 
sich bereits, wie in dein Petitum näher ausgeführt wird, 
Wahnideen bei ihrem Ehemanne geltend gemacht. Auch habe 
er sich in einer fremden Wohnung sämtliche .Kleidungsstücke 
ausgezogen. Am 20. Juli wurde bei einer Revision ein Fehl 
betrag von 310 .6 festgestellt. Als am 22. Juli ihr Ehe 
mann in der Irrenanstalt gestorben wäre, seien ihr, wie die 
Petenti» angibt, die anfangs erwähnten 310 -ff und .ferner 
ein Betrag von 60 M bei der Gehaltszahlung abgezogen 
worden. Die Summe von 60 .6 rühre von im Frühjahr 
ausgetragenen Einschätzungsbriefen her, die immer erst im 
September zur Auszahlung gelange. Ta sich nun Leute ge 
meldet hatten, die dem Ehemann der Gesuchstellerill angeblich 
Steuern gezahlt, aber keine Quittung von ihm erhalten haben 
ivollten, wäre ihr auch dieser Betrag nicht ausgezahlt worden. 
Die Petenti», ivelche angibt, nicht nur völlig unbemittelt 
mit zivei Kindern und einer größeren Schuldenlast, aus der 
Krankheitszeit ihres Mannes datierend, dazustel)en, bittet die 
Stadtverordnetenversammlung, in Rücksicht dessen, daß es sich 
bei ihrem Ehemanne doch nicht um eine Unterschlagung, son 
dern um das Tun eines Geisteskranken handle, den Magistrat 
zu veranlassen, daß der Fehlbetrag von 390 - ff niedergeschlagen 
und der ihr bei der Gehaltszahlung gekürzte Teil ausgezahlt 
iverde. Hinsichtlich ihrer eigenen Lage crivähntc die Bitt 
stellerin noch, daß sie infolge der vielen Aufregungen von 
einem Nervensieber befallen und daher nicht in der Lage wäre, 
vorläusig zu arbeiten. Wegen des großen Altersunterschiedes 
mit ihrem Eheinanne sei ihre Pension so gering, daß sie gerade 
für die Miete ausreick>e. Ihre Stiefsöhne seien bereits 20 und 
16 Jahre alt, wären beide aber in der Lehre und bezögen noch 
nicht so viel, um damit durchzukommen. Ein Waisengeld für 
die Kinder bezöge sie nicht. 
Boni Magistrat >var die Petenti», für welche einer ihrer 
Söhne ein Petitum in gleichem Sinne eingereicht hatte, ab 
lehnend beschieden worden. 
Nachdem der Herr Magistratsvertreter den wesentlichen Inhalt 
des Petitums bestätigt und den rechtlichen Standpunkt des Magistrats 
vertreten hatte, äußerte man im Ausschuß, daß der Ehemann der 
Petentin wegen seiner Geisteskrankheit für seine Handlungsweise nicht 
verantwortlich gemacht iverden könne, und daß eine gewisse Härte 
darin liege, ivenn inan die Petentin zur Tilgung der angeblich 
unterschlagenen Summe heranziehen würde. Als der Herr Magistrats 
vertreter darauf hinwies, daß bei der Haussuchung in dein Pult 
des Ehemannes der Petenti» 300 M vorgefunden wären, über deren 
Herkunft man aber erklärt hätte, es seien Verwaltnngsgelder, welche 
aus der vom Verstorbenen, allerdings ohne Genehmigung des Ma 
gistrats, übernommenen Hausverwaltung stammen, bemerkte man 
von mehreren Seiten, daß diese Angabe aus tatsächlicher Grund 
läge beruhen könnte. Es iväre wesentlich für die Entscheidung des 
Ausschusses, zu erfahren, ob die Angabe hinsichtlich der 300 .W von 
der Petentin glaubhaft nachgewiesen werden könne. Als der Herr 
Magistratsvertreter aus eine Anfrage dahin, ob der Magistrat in 
diesem Sinne bereit wäre, dem Ausschuß in der nächsten Sitzling 
geeignetes Material zur Prüfung der erwähnten Angaben der Pe 
tentin zu unterbreiten, sich in zustimmendem Sinne geäußert hatte, 
beschloß der Ausschuß, die iveitere Beratung dieser Petition zu 
Verlagen. 
III. 
Die Einsender der nachstehend ausgeführten Petitionen 
haben den Jnstanzcnzug noch nicht erschöpft: die letzteren 
werden daher nach 8 31 Absatz 3 der Geschäftsordnung aus 
diesem formellen Grunde zur Erörterung im Plenum für 
ungeeignet erachtet: 
1. (P e t. - I. - R r. 69 12) Petition de s I u st i z r efer c n 
d a r S a. T. Rot h e n b u r g, 2 ch l e g e l st r a ß c 5, b e - 
bet res send Zahlung von 160 .ff vierteljährlich 
b z w. G e >v ä h r u n g von Entschädig u n g e ». 
2. l P et. - I. - N r. 65, 12) Petition des ehemaligen Kell 
ners T ska r Tritt, Gi vSst ra ße 16a, betreffend 
Erhöhung der lausenden Unterstützung ans 16.6 
oder Beschäftigung als Diener in der Stadt 
verwaltung. 
3. (Pet. -I. -N r. 63 12) Petition des Vorstandes de s 
Reichsverbandes der Hutdetaillisten D e n t sch- 
l a n d s , b e l r e f f e n d Q r t s st a t » t ü b e r d i e S o n n t a gs- 
r u h e. 
Die Petitionen zu 1 und 3 sind auch an den Magistrat gerichtet, 
dessen Bescheide zunächst abzuwarten sind. 
Tie Petition zu 2 ist zunächst an den Magistrat, und zwar an 
die Armendirektion bzw. das Generalbureau, zu richten. 
V. w. o. 
Cassel. 
966. Borlage (J.-Rr. 3735 L. II. 12) — zur Beschlntzfassung —, 
betreffend die Aufstellung einer Erfrischungshalle vor 
dem Bahnhof Friedrichstraße auf der Schutzinsel in 
der Georgenftratze durch den Berliner Frauenverein 
gegen den Alkoholismns. 
Ter Berliner Frauenvcrein gegen den AlkoholismuS ist bei 
uns wegen kostenloser Ueberlassnng von Tiraßenland vor dem Bahn 
hos Friedrichstraße zur Errichtung einer Ersrischnngshalle vorstellig 
geworben. Wegen des lebhaften Verkehrs am Bahnhof Friedrich 
straße und mit Rücksicht auf den dorr befindlichen Troschkenhalteplatz 
können wir die Errichtung der Halle nur empfehlen. Wir möchten 
daher in Uebereinstimmung mit der Park und Tiesbaudeputation 
dem Antrage des Vereins stattgeben. Als Äufstellungsort ist die 
Schutzinsel in der Georgenstraße vor dem Bahnbos Friedrichstraße 
in Aussicht genommen. Wir bemerken, daß für den Fall einer Um 
gestaltung des Jnselperrons wegen Erweiterung des Bahnhofs Frie 
drichstratze, der Verein sich verpflichtet hat, ans Erfordern der Eisen 
bahndirektion die Halle sofort zu entfernen. Mit Rücksicht ans den 
gemeinnützigen, von uns in unserer Vorlage vom 27. August 1910 
-- J.-Rr 3617 B. II. 10 dargelegten Zweck des Vereins, dessen 
Jnnehaltnng— wie überhaupt die Geschäftsführung des Vereins 
von uns dauernd kontrolliert wird, wird dem Gesuche unter den in 
der vorbezeichneten Vorlage enthaltenen Bedingungen entsprochen 
iverden können. 
Wir ersuchen um folgende Beschlußfassung: 
Die Versammlung ist damit einverstanden, daß dem Berliner 
Frauenverein gegen den Alkoholismus die Ausstellung einer Er- 
srischungshalle vor dem Bahnhof Fricdrichstraße, aus der Schutz- 
insel in der Georgcnstraße, widerruflich gestattet ivird. 
Berlin, den 13. November 1912. 
Magistrat hiesiger König!. Haupt- und Residenzstadt. 
Wermuth. 
J.-Rr. 1415 8t. V. I 12.
	        
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