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716. Antrag.
Die Stadtverordnetenversammlung ersucht den Magistrat unver
züglich Schritte zur Bekämpfung der herrschenden Fleischnot zu tun.
Berlin, den 31. August 1910.
Dr. Arons Basner. Dr. Bernstein. Boerner. Borgmann.
Bruns. Dr. Cohn. Dupont. Ewald. Fischer. Glocke.
Heimann. Hintze. Hoffmann. Kerfin. Koblenzer. Leid.
Dr. Liebknecht. Manasse. Mars. Metzke. Pfannkuch.
Ritter. Dr. Rosenfeld. Sassenbach. Schneider. Gottfr.
Schulz (II). Singer. Stadthagen. Tolksdorf. Voigt.
Wengels. Dr. Weyl. Wilke. Wurm. Dr. Zadek. Zubeil.
Zucht.
717. Vorlage(J.-Nr. 2506 ^Vasssr 10) — zur Beschlußfassung —,
betreffend die Ausführung von Erneuerungs- und Er
weiterungsbauten für die Wafferwerke.
Hierzu:
18 Blatt Zeichnungen in einer Mappe
1 Heft Kostenanschläge
1 Erläuterungsberichi
1 Gutachten.
Während der ungewöhnlich heißen Witterung im Monat Juni
d. Js. haben die Wasserwerke eine so unerwartete Verbrauchszunahme
erfahren, daß sie nur mit äußerster Anstrengung und unter Zuhilfe
nahme aller Reserven imstande waren, den, gesteigerten Wasserbedarf
gerecht zu werden.
Die bisherige größte Verbrauchsziffer hatte der 1. Juli 1905 mit
277 000 cbm aufzuweisen. In diesem Jahre ist der Verbrauch am
11. Juni (wie jener ein Sonnabend, an dem er erfahrungsgemäß
am größten ist) auf 296 000 cdm gestiegen und der Bedarf wäre an
diesem Tage sicher noch größer geworden und über 300 OM cbm
gestiegen, wenn er nicht infolge eine§ Gewitters in den Abendstunden
eingeschränkt worden wäre.
Die gelieferte Wassermenge von 296 OM cbm pro Tag. der —
mit Rücksicht auf den Eigenbedarf der Werke — eine Leistung der
Schöpfmaschinen von 309000 cbm entspricht, stellt nach der dies-
jährigen Erfahrung die Grenze der Leistungsfähigkeit unserer derzeitigen
Anlagen dar.
Das Werk Tegel, dessen Lieferung ursprünglich auf 1 scc./cdm
= 86 400 cbm pro Tag angenommen war, konnte am 11. Juni d. Js.
nur 84 000 cbm schöpfen, von denen nach Abzug des Eigenbedarfs
nur 77 OM cbm über Charlottenburg nach Berlin geleitet werden
konnten. Diese augenblickliche Minderleistung erklärt sich daraus, daß
z. Zt. der Wasserspiegel des benachbarten Sees, der auf die Ergiebig-
keit der A-Galerie von erheblichem Einflüsse ist. sehr niedrig ist und
daß von den in der Reinigung begriffenen 23 Doppelbrunnen der
A-Galerie bis dahin erst 2 entsandet waren.
Den Restbedarf des genannten Tages mit 219 OM cbm mußte
das Ostwerk Müggelsee decken, dessen Schöpfwerke mit Einschluß des
Eigenbedarfs des Werkes somit 225 0M cbm zu leisten hatten. An
dieser Menge war die Grundwasserabteilung mit 160 0M cbm und
die Seewasserabteilung mit 65000 cbm beteiligt. Diese Leistungen
des Werkes Müggelsee im Rahmen der bestehenden Anlagen noch zu
steigern, ist aus folgenden Gründen nicht möglich.
Die ursgrünglich 2.5 sec./obm d. i. 210000 cbm pro Tag
geplanten Brunnenanlagen haben zwar am 19. Januar
1910 bei hohem Winterwasserstand des Grundwassers bei einem
einige Stunden währenden Parforceversuch eine Leistung ergeben,
welche einer Tagesleistung von 202 0M cbm entsprach; bei dem
derzeitigen niedrigen Sommerwasserstand und der vorausgegangenen
wochenlangen hohen Inanspruchnahme war ihre Leistung
am Sonnabend, den 11. Juni, mit 160 0M cbm aber an derselben
Grenze (Wasserstand im Sammelbrunnen — + 28 N. N.) angelangt,
welche sie am 19. Januar erst bei 202 M0 cbm erreicht hatte. Mehr
als 65M0 cbm Seewasser zu fördern, fehlt es an der nötigen
Maschinenkrast und auch an Filtern. Endlich sind die beiden 12M mm
weiten Druckrohrstränge, welche das Wasser vom Müggelsee nach
dem Zwischenwerk Lichtenberg fördern, mit 219 0M cbm überlastet,
da sie nur für 179 0M cbm pro Tag berechnet sind, und infolge der
hohen Beanspruchung einen zu hohen Reibungsverlust zeigen, dem
die Fördermaschinen des Werkes nicht mehr gewachsen sind, so daß
sich ihre Tourenzahl und damit ihre Liefermenge vermindert.
Es muß niit der Wiederkehr so heißer Witterung wie sie 1905
und im Juni d. Js. dagewesen ist, und auch mit Rücklicht auf die
stetige Zunahme der Bevölkerungsziffer, mit einem noch höheren Bedarf,
als in diesem Jahre gerechnet, auch ein möglicher Unfall muß in
Betracht gezogen werden. Da die Wasserwerke aber jederzeit gerüstet
sein müssen, sowohl im wirtschaftlichen wie im hygienischen Interesse,
dem notwendigen Bedarf zu decken, so ist die schleunige Erschließung
neuer Wasserquellen und die entsprechende Vergrößerung der Förderungs-
anlagen dringend erforderlich.
Es wird darauf Bedacht zu nehnien sein, daß schon im nächsten
Sommer mehr Wasser geliefert werden kann, weil keine Gewähr
gegeben ist, daß nicht schon im nächsten Jahre ein ähnlicher Wasser
bedarf wie in diesem Jahre eintritt.
Schon bald nach der Hitzeperiode im Jahre 1905 sind seitens des
Direktors der Wasserwerke auf Grund eingehender Berechnungen über
den voraussichtlichen zukünftigen Wasserverbrauch Vorschläge zur Er
weiterung der Wasserversorgung gemacht, die darauf hinausgingen,
in der Wuhlheide ein kleineres und in den Feldmarken Heiligensee und
Tegel-Forst ein größeres Werk anzulegen. Zur Ausführung dieser
Werke oder auch nur eines derselben ist es bisher nicht gekommen.
Für das Wuhlheidewerk. das in erster Linie zur Ausführung
bestimmt war und für welches die Pläne seit geraumer Zeit fertig
liegen, fehlt das Land; die Ankaufsverhandlungen sind erst neuerdings
soweit gediehen, daß der Abschluß in nächster Zeit erwartet werden
kann. Für das Werk Heiligensee sind, infolge der Verzögerung des
Wuhlheidewerkes, die Entwürfe zwar seit längerer Zeit in Arbeit, doch
erfordert die Fertigstellnng noch einige Zeit, auch ist die Druckrohr
strecke wegen der beim Erwerbe der Inseln Scharfenberg und Baum
werder enistandenen Schwierigkeiten noch nicht frei Jedenfalls be
ansprucht die Ausführung eines derartigen Werkes bis zur Möglichkeit
der Wasserlieferung eine Zeit von mindestens 3 Jahren, so daß,
selbst wenn noch in diesem Herbst begonnen werden sollte, erst für
den Sommer 1914 mit der Lieferung von Wasser zu rechnen ist.
Bis dahin auf eine Vermehrung der Wasserquellen und der
Förderungsanlagen zu verzichten, ist aber nach dem Vorhergesagten
nicht möglich.
Wenn die Wasierwerksverwaltung trotz der Verzögerung der neuen
Werke mit Anträgen für anderweite neue Bauausführungen nicht
früher hervorgetreten ist, so ist der Grund hierfür darin zu
suchen, daß das Grundwafferwerk Müggelsee bei Aufstellung des
Bauprogrammes im Jahre 1906 eben erst fertig geworden war
und noch keine Erfahrungen darüber vorlagen, was es auf die Dauer
leisten würde. Zwar deuteten schon damals einige Anzeichen darauf
hin, daß die Leistungsfähigkeit des neuen Grundwasserwerks etwas
überschätzt worden sei, es mußte aber erst abgewartet werden, was
dasselbe zu liefern imstande sei.
Jetzt ist die Frage der Leistungsfähigkeit geklärt und es können
demnach bestimmle Vorschläge gemacht werden.
Um schnell die nötigen Wassermengen zu beschaffen, kann es sich
nur darum handeln, die Leistungen der vorhandenen Werke zu erhöhen.
In Tegel läßt sich nichts weiter erreichen als die beschleunigte
Erschließung der Brunnengalerie bei Saatwinkel, welche auf Grund
des Gemeindebeschlusses vom 3. Februar 1910 bereits in diesem
Frühjahr in Angriff genommen ist. Diese Brunnenanlage, welche
bereits einen Teil des Heiligenseeer Projektes bildet, wird nach
Fertigstellung die Leistung der vorhandenen Tegeler Brunnenanlagen
voraussichtlich auf M0M cbm pro Tag erhöhen.
Wie in dem anliegenden Erläuterungsbericht Teil 1 des näheren
ausgeführt ist. ist zur vollen Ausnutzung dieser Brunnengalerie der
Anschluß derselben an die Schöpfmaschinenabteilung A nach Her
stellung entsprechender neuer Maschinen notwendig. Außerdem muß
aber, um das Werk überhaupt leistungsfähig zu erhalten, ein
schleuniger Ersatz der alten verbrauchten Schöpfmaschinen der Ab
teilung A und gleichzeitig die Einschaltung eines Sammelbrunnens
in die Saugeleitung dieser Abteilung erfolgen Alle diese Aus
führungen. die nebst einer kleinen Nachforderung für die Brunnen-
galerie Saatwinkel nach dem beigefügten Kostenanschläge I einen
Gesamtkostenaufwand von 720 0M JC erfordern, können erfolgen,
obwohl für die nächste Zeit ein erheblicher Umbau des Werkes Tegel
geplant ist, das bei Ausführung des Werkes Heiligensee in ein
sogenanntes Stadtwasserwerk umgewandelt werden, d. h. sein Wasser
anstatt wie bisher über Charlottenburg direkt nach Berlin liefern soll.
Die jetzt vorgeschlagenen Aenderungen passen in ihrer vorliegenden
Form vollständig und auf alle Fälle in den Rahmen des neuen
Projekts. Sie müssen vorweg genomnien werden, weil die Not
wendigkeit neuer Wasserbeschaffung und der Zustand der alten
Maschinen die schleunige Ausführung erforderlich machen.
Bei dem Werk Müggelsee käme zunächst eine Vermehrung der
Brunnen in Frage. Eine solche erschein! möglich durch Verlängerung
der an der Chaussee Friedrichshagen-Erkner gelegenen Galerie 0 bis
zum Dorfe Rahnsdorf und durch Anlage von Brunnen auf dem
Ufergelände des Wasserwerksgrundstücks. Hierdurch ließen sich
25 -s-12 — 37 neue Brunnen schaffen, die mit einer Leistung von
15—20M0 cbm in Ansatz zu bringen sein werden. Diese Anlagen
werden aber, da noch keine Entwürfe vorhanden und noch keine
Grunderwerbsverhandlungen eingeleitet sind, zum nächsten Sommer
nicht fertig zu stellen sein. Das Bohren und Entsanden der Brunnen
ist eine zeitraubende Arbeit; besonders schwierig aber gestaltet sich
wegen der Tieflage der Heberrohre von mehr als 7 m unter Terrain
die Ausführung der Erdarbeiten. Auch ist der Ertrag zu gering, um
auf weitere Wasserquellen verzichten zu können.
Für die Ausführung dieser Brunnengalerien einschließlich Grund-
eriverb wird demnach eine besondere Vorlage gemacht werden.
Als einziges Mittel, schnell und nachhaltig den er
forderlichen Mehrbedarf an Wasser zu erhalten, muß die