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Stadtrat Dr. Münsterberg.
- Kalisch
Am Beginn der heutigen Sitzung machte der Vorsitzende darauf
aufmerksam, dost in der Magistratsvorlage die Entlassung von 12 Mit.
gliedern der 120. Armenkommisfion beantragt sei. und in dem dazu
beigefügten Verzeichnisse der Bezirksvorsteher Trutner und das neu
gewählte Mitglied, Lagerhalter Klein aufgeführt ständen. Da nun
Herr Trutner, dessen Wahlzeit als gewählles Mitglied ablaufe, nach
dem Berichte des Bezirksstadtverordneten sich zur Beibehaltung des
Amtes aber bereit erklärt hätte und Herr Klein, welcher bis jetzt noch
nicht als Mitglied eingeführt sei. einen Antrag auf Amtsenthebung
überhaupt nicht gestellt habe, so dürfte die Fassung des in der vorigen
Ausschußsitzung angenommenen Antrages dahin abzuändern sein, daß
nur die nachfolgend bezeichneten Mitglieder der IM. Armenkommission
aus diesen Aemtern entlasten würden:
1. Eigentümer Euen, Büschingstraße 27,
2. Magistratsbureauhilfsarbeiter Prollius, Büschingstraße 12,
3. Seifcnhändler Schwache, Büschingstraße 29,
4. Fabrikant Staack, Büschingstraße 22,
5. Eigentümer Dummert, Büschingstraße 24.
6. Schuhmachcrmeister Görn, Büschingstraße 13,
7. Lederhändler Görlitz, Büschingstraße 18,
8. Bilderfabrikant Rumpf, Büschingstraße 21,
9. Apothekenbcsitzer Traffehn, Büschingstraße 15,
10. Eigentümer Obst, Barnimstraße 45.
Der Ausschuß erklärte sich mit dieser Abänderung einverstanden.
Sodann teilte der Vorsitzende mit, daß von einem Ausschuß-
mitgliede folgender Antrag gestellt sei:
Die Versammlung ersucht den Magistrat,
1. die Vorsitzenden der Armen- und Schulkommissionen sowie der
Gemeindewaisenräte eine Anweisung dahin erteilen zu lassen,
daß gleichzeitig mit den Anträgen auf Neubesetzung von Mit
gliederstellen auch etwaige Wünsche wegen der eventl. bei der
Wahl zu berücksichtigenden Personen der Verwaltungsabteilung
mitgeteilt werden und
2. die Verwaltungsabteilungen veranlassen zu wollen, die unter 1
bezeichneten Wünsche der Kommissionsvorsitzenden dem dies-
festigen Bureau mit den darauf bezüglichen Wahlanträgen
zugehen zu lassen, damit dem Bezirksstadlverordneten und sodann
dem Ausschüsse für die Wahlen von unbesoldeten Gemeinde
beamten davon Kenntnis gegeben werden kann.
Der Vorsitzende bemerkte hierzu, daß in bezug auf das Ver
fahren bei der Wahl von unbesoldeten Gemeindebeamten der § 25
der Geschäftsordnung maßgebend sei.
Danach sei die Liste der vakanten Stellen von unbesoldeten Ge
meindebeamten durch Auslegung in der Plenarsitzung zur Kenntnis
der Versammlung zu bringen und die Bezirksstadtverordneten hätten
aus den ihnen zugefertigten Auszügen und den betreffenden Magistrats
anträgen bezw. auf den Origmalanträgen Vorschläge zu machen.
Nach erfolgter Feststellung der Personalien durch den Magistrat
würden die Vorschläge dem Ausschüsse für die Wahlen von unbesoldeten
Gcmeindebeamten vorgelegt, welcher sie einer Prüfung zu unterziehen
habe. Die vom Ausschüsse gemachten Vorschläge würden in einer
Liste zusammengestellt, und diese letztere dann in der Plenarsitzung
ausgelegt. Das Wahlrecht selbst stehe aber lediglich der Ver
sammlung zu.
Herr Stadtrat Dr. Münsterberg bemerkte darauf, daß er nicht
als offizieller Vertreter des Magistrats sondern nur als Vorsitzender
der Armendirektion heute anwesend sei, da Herr Stadtrat Kalisch
als Magistratsvertreter für die Wahlsachen abgeordnet wäre. Er
müsse es, so führte derselbe aus, freudig begrüßen, daß er Gelegenheit
habe, sich nicht nur formell, sondern auch von der inneren Seite aus
zu dieser Angelegenheit äußern zu können. Zunächst dürfte es
durchaus praktisch sein, nach dem vorliegenden Antrage zu verfahren.
Danach hätte die Armendirektion auch seit Jahren gehandelt, indem
die Kommissionsvorfteher der Armendireküon ihre Wünsche bezüglich
der Wahl von ihr geeignet erscheinenden Personen mitgeteilt hätten
und diese Wünsche dann an das Stadtverordnetenbureau weitergegeben
worden wären. Die Armendirektion habe sich durchaus keinen Ein
fluß auf die Wahl bestimmter Personen anmaßen wollen.
Anfangs dieses Jahres wäre nun auf einen vom Ausschüsse für
die Wahlen von unbesoldeten Gemeindebeamten geäußerten Wunsch
den Armenkommissionsvorstehern die Anweisung erteilt worden, bei
Besetzung freigewordener Stellen wegen der Personenfrage sich mit
ihren Wünschen direkt an den Bezirksstadtverordneten zu wenden.
Die Kommissionsvorfteher hätten also jetzt nur den Antrag wegen
Besetzung einer Vakanz an die Armendirektion zu richten.
Bei dem 2. Punkte handle es sich um die provisorische Be
schäftigung von Mitgliedern und Vorstehern. Es käme vor, daß bei
gleichzeitigem Ausscheiden mehrerer Mitglieder eine Kommission in
ihrer Mitgliederzahl derartig zusammenschrumpfe, daß eine Erledigung
der obliegenden Geschäfte sehr ins Stocken geraten würde. Da in
solchen Fällen Ersatzwahlen durch die Stadtverordnetenversammlung
sich nicht so schnell ermöglichen ließen, dürfte auf die Einberufung
provisorisch zu beschäftigender Mitglieder, wozu das Einverständnis
des betreffenden Bezirksstadtverordneten eingeholt werde, schwerlich
verzichtet werden können.
In dem Formular für eine derartige Beschäftigung sei für die
Vorsitzenden ausdrücklich vermerkt:
daß die Einberufung nur eine Notmaßregel ist, um die Geschäfte
der Armenkommission nicht ins Stocken geraten zu lassen, da sie
sonst aus Mangel an Mitgliedern nicht erledigt werden könnten.
Die Wahl zu dem Amte eines Mitgliedes der Armenkommission
selbst ist Sache der Stadtverordnetenversammlung, der wir durch
diese Maßregel weder vorgreifen wollen noch dürfen.
Wir ersuchen, die obengenannten Herren unter dieser Voraus-
setzung einberufen zu wollen.
Aehnlich werde auch bei Besetzung der Vorsteherstellen verfahren.
Sei aus der Zahl der Mitglieder niemand vorhanden, der die Vor-
stchergeschäfte zu führen imstande und bereit sei, so müßte sogar auf
Burcaubeamte zurückgegriffen werden.
Sobald mit den Wünschen der Kommissionen wieder ebenso wie
früher verfahren würde, dann dürfte es bei einigem guten Willen
gelingen, die Uneinigkeiten in den Kommissionen wieder auszugleichen,
weil diese sich jetzt beschwert fühlten, wenn sie bei der Besetzung von
Mitgliederstellen fast ganz beiseite gestellt würden.
Im Ausschüsse wurde zur Begründung des gestellten Antrages
angegeben, daß früher bei der Prüfung der Wahlvorschläge seitens
des Wahlausschusses in vielen Fällen diesem sowohl die Wünsche der
Kommission als auch die Vorschläge der Bezirksstadtverordneten vor-
gelegen hätten und daß der Ausschuß sich dabei hätte leichter ein
besseres Urteil bilden können, als es jetzt möglich sei, wo nur die
letzteren vorlägen. Nach diesen Erfahrungen werde es jedenfalls für
zweckmäßiger gehalten, das früher eingeführt gewesene Verfahren
wieder anordnen zu lassen, indem die Wünsche der Kommission
gleichzeitig mit den Wahlanträgen durch die betreffende Verwaltungs
abteilung bezw. den Magistrat der Stadtverordnetenversammlung
wieder zugänglich gemacht würden. Die Bezirksstadlverordneten
hätten doch nicht das Recht der Wahl sondern nur das Vorschlags-
reckt. Auch handle es sich nicht darum den Bezirksstadtverordneten
ein Recht zu nehmen sondern nur um dem Ausschuffe bei seiner
Prüfung der Wahlvorschläge eine Grundlage für ihre richtige
Beurteilung zu geben. Des Friedens und der Ordnung halber sei
die Annahme des Antrages nur zu empfehlen.
Gegen den Antrag wurde eingewendet, daß das Wahlverfahren
im Wahlausschüsse schon verschiedentlich erörtert und gerade das im
Antrage zum Ausdruck gekommene Verfahren bekämpft worden sei.
Vor einigen Jahren sei schon eine Aenderung dahingehend
getroffen worden, die Vorschläge der Kommissionen nicht in der
betreffenden Wahlvorlage aufzuführen, sondern auf einer besonderen
Anlage diese Wünsche dem Bezirksstadtverordneten zur Kenntnisnahme
vorzulegen. Das jetzige Verfahren, daß sich die Kommissionsvorsitzenden
wegen etwaiger Wünsche direkt mit dem Bezirksstadtverordneten in
Verbindung zu setzen hätten, halte man hier zweckmäßiger. Eine
schnellere Vollziehung der Wahl durch Annahme des gestellten An
trages werde bestritten.
Der § 25 der Geschäftsordnung sage klar und deutlich der
Bezirksstadlverordnete habe die Wahlvorschläge zu machen, von
Wünschen der Kommissionen sei dabei keine Rede. Würde dem
Antrage entsprechend verfahren, so werde der Wahlausschuß über-
Haupt überflüssig. Letzerer habe nach der Geschäftsordnung nicht wie
behauptet worden sei, ein besonderes Vorschlagsrecht, sondern den
ganz speziellen Auftrag im engeren Kreise nur die Qualität der in
Vorschlag gebrachten Personen zu -prüfen, wobei es sich meistenteils
um gerichtliche Strafen also um ganz intime Sachen handle.
Nach dem früheren Verfahren hätte sich bei den Kommissionen die
Ansicht herausgebildet, daß sie sich berechtigt fühlten, ihre Mitglieder
sich selbst auswählen, sich also kooptieren zu können. Danach würde
das Vorschlagsrecht der Bezirksstadtverordneten überhaupt illusorisch
gAnacht, da dann der Wahlausschuß nur jene Vorschläge anzunehmen
brauche. Eine Notwendigkeit zur Aenderung des bestehenden Wahl-
verfahrens lüge in keiner Weise vor.
Der Antrag verstoße gegen die Geschäftsordnung und zu einer
derartigen Aenderung habe der Ausschuß keinen Auftrag erhalten.
Von anderer Seite im Ausschüsse wurde darauf hingewiesen, daß
die ganzen grundlegenden Bestimmungen vom Jahre 1864 für das
Wahlverfahren zur Besetzung unbesoldeter Gemeindeämter veraltet seien
und die hierfür getroffene Einrichtung der Bezirksstadtverordneten
für die jetzigen Verhältnisse nicht mehr recht anwendbar erschienen.
Damals hätte wohl ein Bezirksstadtverordneter die für die Wahl
in Betracht gekommenen Personen auch persönlich gekannt, während
ihm jetzt fast ganz fremde und von seiner Wohnung abgelegene Bezirke
zugeteilt seien.
Eine hierzu gegebene Anregung, die Bezirksstadtverordneten
möchten sich mit der betreffenden Verwaluiugsdeputation wegen etwaiger
Wahlvorschläge in Verbindnng setzen, wurde von anderer Seite wohl
für erwägungswert, aber praktisch schwerlich für ausführbar bezeichnet
Hiernächst wurde aus der Mitte des Ausschusses noch darüber
Klage geführt, daß das Wahlversahren zu langwierig sei und daß
selbst die Wahlanträge der Kommissionen oft erst nach mehreren