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Volume No. 1 (1-14), 31. Dezember 1909 Anlage: ad No. 1 (15-20), Vorlagen, welche den Zeitungen nicht mitgeteilt ist

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1910 (Public Domain)

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Stadtrat Dr. Münsterberg. 
- Kalisch 
Am Beginn der heutigen Sitzung machte der Vorsitzende darauf 
aufmerksam, dost in der Magistratsvorlage die Entlassung von 12 Mit. 
gliedern der 120. Armenkommisfion beantragt sei. und in dem dazu 
beigefügten Verzeichnisse der Bezirksvorsteher Trutner und das neu 
gewählte Mitglied, Lagerhalter Klein aufgeführt ständen. Da nun 
Herr Trutner, dessen Wahlzeit als gewählles Mitglied ablaufe, nach 
dem Berichte des Bezirksstadtverordneten sich zur Beibehaltung des 
Amtes aber bereit erklärt hätte und Herr Klein, welcher bis jetzt noch 
nicht als Mitglied eingeführt sei. einen Antrag auf Amtsenthebung 
überhaupt nicht gestellt habe, so dürfte die Fassung des in der vorigen 
Ausschußsitzung angenommenen Antrages dahin abzuändern sein, daß 
nur die nachfolgend bezeichneten Mitglieder der IM. Armenkommission 
aus diesen Aemtern entlasten würden: 
1. Eigentümer Euen, Büschingstraße 27, 
2. Magistratsbureauhilfsarbeiter Prollius, Büschingstraße 12, 
3. Seifcnhändler Schwache, Büschingstraße 29, 
4. Fabrikant Staack, Büschingstraße 22, 
5. Eigentümer Dummert, Büschingstraße 24. 
6. Schuhmachcrmeister Görn, Büschingstraße 13, 
7. Lederhändler Görlitz, Büschingstraße 18, 
8. Bilderfabrikant Rumpf, Büschingstraße 21, 
9. Apothekenbcsitzer Traffehn, Büschingstraße 15, 
10. Eigentümer Obst, Barnimstraße 45. 
Der Ausschuß erklärte sich mit dieser Abänderung einverstanden. 
Sodann teilte der Vorsitzende mit, daß von einem Ausschuß- 
mitgliede folgender Antrag gestellt sei: 
Die Versammlung ersucht den Magistrat, 
1. die Vorsitzenden der Armen- und Schulkommissionen sowie der 
Gemeindewaisenräte eine Anweisung dahin erteilen zu lassen, 
daß gleichzeitig mit den Anträgen auf Neubesetzung von Mit 
gliederstellen auch etwaige Wünsche wegen der eventl. bei der 
Wahl zu berücksichtigenden Personen der Verwaltungsabteilung 
mitgeteilt werden und 
2. die Verwaltungsabteilungen veranlassen zu wollen, die unter 1 
bezeichneten Wünsche der Kommissionsvorsitzenden dem dies- 
festigen Bureau mit den darauf bezüglichen Wahlanträgen 
zugehen zu lassen, damit dem Bezirksstadlverordneten und sodann 
dem Ausschüsse für die Wahlen von unbesoldeten Gemeinde 
beamten davon Kenntnis gegeben werden kann. 
Der Vorsitzende bemerkte hierzu, daß in bezug auf das Ver 
fahren bei der Wahl von unbesoldeten Gemeindebeamten der § 25 
der Geschäftsordnung maßgebend sei. 
Danach sei die Liste der vakanten Stellen von unbesoldeten Ge 
meindebeamten durch Auslegung in der Plenarsitzung zur Kenntnis 
der Versammlung zu bringen und die Bezirksstadtverordneten hätten 
aus den ihnen zugefertigten Auszügen und den betreffenden Magistrats 
anträgen bezw. auf den Origmalanträgen Vorschläge zu machen. 
Nach erfolgter Feststellung der Personalien durch den Magistrat 
würden die Vorschläge dem Ausschüsse für die Wahlen von unbesoldeten 
Gcmeindebeamten vorgelegt, welcher sie einer Prüfung zu unterziehen 
habe. Die vom Ausschüsse gemachten Vorschläge würden in einer 
Liste zusammengestellt, und diese letztere dann in der Plenarsitzung 
ausgelegt. Das Wahlrecht selbst stehe aber lediglich der Ver 
sammlung zu. 
Herr Stadtrat Dr. Münsterberg bemerkte darauf, daß er nicht 
als offizieller Vertreter des Magistrats sondern nur als Vorsitzender 
der Armendirektion heute anwesend sei, da Herr Stadtrat Kalisch 
als Magistratsvertreter für die Wahlsachen abgeordnet wäre. Er 
müsse es, so führte derselbe aus, freudig begrüßen, daß er Gelegenheit 
habe, sich nicht nur formell, sondern auch von der inneren Seite aus 
zu dieser Angelegenheit äußern zu können. Zunächst dürfte es 
durchaus praktisch sein, nach dem vorliegenden Antrage zu verfahren. 
Danach hätte die Armendirektion auch seit Jahren gehandelt, indem 
die Kommissionsvorfteher der Armendireküon ihre Wünsche bezüglich 
der Wahl von ihr geeignet erscheinenden Personen mitgeteilt hätten 
und diese Wünsche dann an das Stadtverordnetenbureau weitergegeben 
worden wären. Die Armendirektion habe sich durchaus keinen Ein 
fluß auf die Wahl bestimmter Personen anmaßen wollen. 
Anfangs dieses Jahres wäre nun auf einen vom Ausschüsse für 
die Wahlen von unbesoldeten Gemeindebeamten geäußerten Wunsch 
den Armenkommissionsvorstehern die Anweisung erteilt worden, bei 
Besetzung freigewordener Stellen wegen der Personenfrage sich mit 
ihren Wünschen direkt an den Bezirksstadtverordneten zu wenden. 
Die Kommissionsvorfteher hätten also jetzt nur den Antrag wegen 
Besetzung einer Vakanz an die Armendirektion zu richten. 
Bei dem 2. Punkte handle es sich um die provisorische Be 
schäftigung von Mitgliedern und Vorstehern. Es käme vor, daß bei 
gleichzeitigem Ausscheiden mehrerer Mitglieder eine Kommission in 
ihrer Mitgliederzahl derartig zusammenschrumpfe, daß eine Erledigung 
der obliegenden Geschäfte sehr ins Stocken geraten würde. Da in 
solchen Fällen Ersatzwahlen durch die Stadtverordnetenversammlung 
sich nicht so schnell ermöglichen ließen, dürfte auf die Einberufung 
provisorisch zu beschäftigender Mitglieder, wozu das Einverständnis 
des betreffenden Bezirksstadtverordneten eingeholt werde, schwerlich 
verzichtet werden können. 
In dem Formular für eine derartige Beschäftigung sei für die 
Vorsitzenden ausdrücklich vermerkt: 
daß die Einberufung nur eine Notmaßregel ist, um die Geschäfte 
der Armenkommission nicht ins Stocken geraten zu lassen, da sie 
sonst aus Mangel an Mitgliedern nicht erledigt werden könnten. 
Die Wahl zu dem Amte eines Mitgliedes der Armenkommission 
selbst ist Sache der Stadtverordnetenversammlung, der wir durch 
diese Maßregel weder vorgreifen wollen noch dürfen. 
Wir ersuchen, die obengenannten Herren unter dieser Voraus- 
setzung einberufen zu wollen. 
Aehnlich werde auch bei Besetzung der Vorsteherstellen verfahren. 
Sei aus der Zahl der Mitglieder niemand vorhanden, der die Vor- 
stchergeschäfte zu führen imstande und bereit sei, so müßte sogar auf 
Burcaubeamte zurückgegriffen werden. 
Sobald mit den Wünschen der Kommissionen wieder ebenso wie 
früher verfahren würde, dann dürfte es bei einigem guten Willen 
gelingen, die Uneinigkeiten in den Kommissionen wieder auszugleichen, 
weil diese sich jetzt beschwert fühlten, wenn sie bei der Besetzung von 
Mitgliederstellen fast ganz beiseite gestellt würden. 
Im Ausschüsse wurde zur Begründung des gestellten Antrages 
angegeben, daß früher bei der Prüfung der Wahlvorschläge seitens 
des Wahlausschusses in vielen Fällen diesem sowohl die Wünsche der 
Kommission als auch die Vorschläge der Bezirksstadtverordneten vor- 
gelegen hätten und daß der Ausschuß sich dabei hätte leichter ein 
besseres Urteil bilden können, als es jetzt möglich sei, wo nur die 
letzteren vorlägen. Nach diesen Erfahrungen werde es jedenfalls für 
zweckmäßiger gehalten, das früher eingeführt gewesene Verfahren 
wieder anordnen zu lassen, indem die Wünsche der Kommission 
gleichzeitig mit den Wahlanträgen durch die betreffende Verwaltungs 
abteilung bezw. den Magistrat der Stadtverordnetenversammlung 
wieder zugänglich gemacht würden. Die Bezirksstadlverordneten 
hätten doch nicht das Recht der Wahl sondern nur das Vorschlags- 
reckt. Auch handle es sich nicht darum den Bezirksstadtverordneten 
ein Recht zu nehmen sondern nur um dem Ausschuffe bei seiner 
Prüfung der Wahlvorschläge eine Grundlage für ihre richtige 
Beurteilung zu geben. Des Friedens und der Ordnung halber sei 
die Annahme des Antrages nur zu empfehlen. 
Gegen den Antrag wurde eingewendet, daß das Wahlverfahren 
im Wahlausschüsse schon verschiedentlich erörtert und gerade das im 
Antrage zum Ausdruck gekommene Verfahren bekämpft worden sei. 
Vor einigen Jahren sei schon eine Aenderung dahingehend 
getroffen worden, die Vorschläge der Kommissionen nicht in der 
betreffenden Wahlvorlage aufzuführen, sondern auf einer besonderen 
Anlage diese Wünsche dem Bezirksstadtverordneten zur Kenntnisnahme 
vorzulegen. Das jetzige Verfahren, daß sich die Kommissionsvorsitzenden 
wegen etwaiger Wünsche direkt mit dem Bezirksstadtverordneten in 
Verbindung zu setzen hätten, halte man hier zweckmäßiger. Eine 
schnellere Vollziehung der Wahl durch Annahme des gestellten An 
trages werde bestritten. 
Der § 25 der Geschäftsordnung sage klar und deutlich der 
Bezirksstadlverordnete habe die Wahlvorschläge zu machen, von 
Wünschen der Kommissionen sei dabei keine Rede. Würde dem 
Antrage entsprechend verfahren, so werde der Wahlausschuß über- 
Haupt überflüssig. Letzerer habe nach der Geschäftsordnung nicht wie 
behauptet worden sei, ein besonderes Vorschlagsrecht, sondern den 
ganz speziellen Auftrag im engeren Kreise nur die Qualität der in 
Vorschlag gebrachten Personen zu -prüfen, wobei es sich meistenteils 
um gerichtliche Strafen also um ganz intime Sachen handle. 
Nach dem früheren Verfahren hätte sich bei den Kommissionen die 
Ansicht herausgebildet, daß sie sich berechtigt fühlten, ihre Mitglieder 
sich selbst auswählen, sich also kooptieren zu können. Danach würde 
das Vorschlagsrecht der Bezirksstadtverordneten überhaupt illusorisch 
gAnacht, da dann der Wahlausschuß nur jene Vorschläge anzunehmen 
brauche. Eine Notwendigkeit zur Aenderung des bestehenden Wahl- 
verfahrens lüge in keiner Weise vor. 
Der Antrag verstoße gegen die Geschäftsordnung und zu einer 
derartigen Aenderung habe der Ausschuß keinen Auftrag erhalten. 
Von anderer Seite im Ausschüsse wurde darauf hingewiesen, daß 
die ganzen grundlegenden Bestimmungen vom Jahre 1864 für das 
Wahlverfahren zur Besetzung unbesoldeter Gemeindeämter veraltet seien 
und die hierfür getroffene Einrichtung der Bezirksstadtverordneten 
für die jetzigen Verhältnisse nicht mehr recht anwendbar erschienen. 
Damals hätte wohl ein Bezirksstadtverordneter die für die Wahl 
in Betracht gekommenen Personen auch persönlich gekannt, während 
ihm jetzt fast ganz fremde und von seiner Wohnung abgelegene Bezirke 
zugeteilt seien. 
Eine hierzu gegebene Anregung, die Bezirksstadtverordneten 
möchten sich mit der betreffenden Verwaluiugsdeputation wegen etwaiger 
Wahlvorschläge in Verbindnng setzen, wurde von anderer Seite wohl 
für erwägungswert, aber praktisch schwerlich für ausführbar bezeichnet 
Hiernächst wurde aus der Mitte des Ausschusses noch darüber 
Klage geführt, daß das Wahlversahren zu langwierig sei und daß 
selbst die Wahlanträge der Kommissionen oft erst nach mehreren
	        
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