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Unter Bestreitung der Richtigkeit vorstehender Ansichten bat man
von anderer Seite den Herrn Stadtbaurat um Auskunft darüber, ob
wirklich die Bauverwaltung so langsam arbeite, daß der Magistrat
deshalb schon 3 Millionen Mark habe streichen können.
Der Herr Stadtbaurat führte ans, daß die Restsummen allein
kein zuverlässiges Bild gäben von dem Umfange der Bauausfüh-
rungen in den entsprechenden Etatsjahren. So seien von dem letzten
Restbeträge von 11590 000 Jt allein 6 776 000 Jt Beträge von
Bauten, die bereits fertiggestellt und in Betrieb genommen wurden.
Die Restbeträge wurden im Januar festgestellt, das Etatsjahr erstrecke
sich aber bis zum 1. April des Jahres.
Die 4 Schulbauten in der Pank-Wiesenstraße, in der Thorner
Straße, in der Tegeler Straße und in der Schöningstraße (snd 1 der
Vorbemerkungen) würden in diesem Herbste dem Betrieb übergeben
werden, bei den Schulen in der Scherenbergstraße und in der Goßler-
straße (Extraordinarium B 6a sab Nr. 7 und 5) sei mit der Aus
führung der Baulen begonnen worden. Auf die Frage, wie weit die
Vorentwürfc weiterer Schulbauten gediehen seien, könne er mitteilen,
daß die Vorentwürfe zur dreifachen Schule in der Antonstraße und
zur Doppelschule in der Zellestraße bereits genehmigt seien, daß die
Vorentwürfe zur Doppelschule in der Malplayuetstraße, in der Petten-
koferstraße (snb Nr. 9), in der Ofener Straße und in der Lütticher
Straße den Behörden zur Beschlußfassung vorliegen und daß nur der
Voreutwurf zur Doppelschule in der Dunckerstraße noch in Arbeit,
aber auch nahezu fertiggestellt sei. Von den im Etat aufgeführten
Schulbauten sei nur der Vorentwurf in der Pettenkoferstraße (sub
Nr. 9) von den städtischen Behörden noch nicht genehmigt worden.
Mit Rücksicht auf vorstehende Erklärungen des Herrn Stadtbau
rats ging von einer Seite des Etatsausschusses der Antrag ein:
<Antrag 1t) Die Versammlung beschließt, für die 4 Schulbauten
in der Zellestraße, Malplaguetstraße, Lütticher Straße und Ofener
Straße — für die Bauentwürfe vorliegen — je 100000 M, in
Summe also 400000 Jt als erste Baurate in den Etat einzusetzen.
Es wurde hervorgehoben, daß man es nicht verantworten könne,
jetzt, nachdem die Entwürfe vorliegen, den Beginn dieser Bauten wegen
fehlender Mittel zu verzögern, im übrigen halte man es kaufmännisch
für richtig, in jedem Jahre eine gleichmäßig hohe, dem Durchschnitt
der Bauzeit entsprechende Baurate einzustellen.
Nunmehr wurde wie folgt abgestimmt:
Antrag A:
Pos.
6:
100000 Jt
6 Stimmen,
streichen:
angenommen
mit
7
gegen
Pos.
7:
100 000 Jt
6 Stimmen,
streichen:
angenommen
mit
7
gegen
Pos.
9:
200000 Jt
4 Stimmen.
streichen:
angenommen
mit
9
gegen
Antrag L: 400000 Jt einließen; abgelehnt.
Nach dieser Beschlußfassung schließt das Extraordinarium nunmehr ab
mit 2 743 700 — 400000 = 2 343 700 Jt.
Bei Ausgabe Ordinarium Abschnitt B, Titel I sind sub. 1 wie
im Vorjahre 150000^ für Lehrbücher ec. für bedürftige Schulkinder
eingestellt. Von einer Seite wurde ausgeführt, daß die Jstausgabe
sich im Etatsjahre 1908 bereits auf 168 985 Jt belaufen habe, man
möge daher den Betrag auf 170000 Jt erhöhen. Auch bemerke man,
daß bei Bewilligung dieser Bücher so verfahren werde, als ob Armen
unterstützung bewilligt werden solle. Die Herren Magistratsvertreter
bestritten dies und erklärten, Einzelbeschwerden hier im Etatsausschusse
nicht prüfen zu können, jedoch sagen zu müssen, daß bei der Be
willigung der Bücher sehr liberal verfahren werde, was daraus zu
ersehen sei, daß nach Auskunft zuverlässiger Leute es auch nicht be
dürftigen Eltern nicht selten gelinge, Bücher für ihre Kinder zu er
langen. Der hohe Jstbetrag in 1908 rühre aus außerordentlichen
Erneuerungen ,>c. her, in den Vorjahren habe sich das Ist auf 109 788
bezw. 112 564 Jt belaufen.
Der Etatsausschuß empfiehlt nunmehr, in beiden Lesungen den Etat
in Einnahme auf -. 204 565 Jt,
. Ausgabe - 25134 200
also mit einer Mehrausgabe von 24 929 635 Jt
festzustellen.
Kapitel IV Abteilung 7 — Taubstummenschule —
für das Etatsjahr 1910.
Kapitel IV Abteilung 8 — Blindenanstalt nebst Betrieb
der Beschäftigungsanstalt — für das Etatsjahr 1910.
Beide Etats gelangten in beiden Lesungen en bloc zur Annahme,
sie können nach den Entwürfen festgestellt werden.
Kapitel VI Abteilung 1 — Krankenhäuser — für das
Etatsjahr 1910.
Von einer Seite des Etatsausschusses wurden Wünsche und Be
schwerden des Dienst- und Arbeitsperfonals vorgetragen in bezug auf
vielfach schon in früheren Jahren angeregte Verbefferung der Arbeits
bedingungen und der Löhne. Anträge wurden nicht gestellt mit Rücksicht
darauf, daß die Herren Magistratsvertreter eingehende ernstliche
Prüfung aller Wünsche und Beschwerden auf das Bestimmteste
zusicherten, sobald solche gehörig motiviert an zuständiger
Stelle vorgebracht würden. Bezüglich der Löhne erklärte der Herr
Kämmerer, daß bei allen Krankenanstalten in den letzten 10 Jahren
die Dnrchschnittslöhne der hauptsächlichen Klassen von Arbeitern ganz
erheblich gestiegen seien, insbesondere auch diejenigen der Wärter und
Wärterinnen, beim Rudolf Virchowkrankenhause seien sogar in den
wenigen Jahren seines Bestehens schon erhebliche Steigerungen erfolgt.
Mit dcn Lohnerhöhungen und sonstigen Verbesserungen müsse man
auch weiterhin nach Kräften fortfahren. Es dürfe aber dabei nicht
unberücksichtigt bleiben, daß jede Verbesserung den Krankenhausbetrieb
verteure, und daß bei wesentlicher Verteuerung der Rückschlag für die
Krankenhausbesucher in Gestalt einer Erhöhung der Kurkostensätze
nicht ausbleiben könne.
Bei 8 — Kaiser und Kaiserin Friedrich Kinderkrankenhaus —
Ausgabe Extraordinarium (Seite 39) sind für Ausbau des Kranken
hauses 200 000 für das Etatsjahr 1910 angesetzt. In den Etats
1903/08 der Spezialverwaltung 35, Extraordinarium v I11 sind
bewilligt 500 000 Jt, speziell veranschlagt sind
Verwaltungsgebäude 153 560 Jt,
Medizinischer Pavillon 211 490 -
General Insgemein 35 950 .
zusammen 401 000 Jt.
Da mithin die Mittel vorhanden sind, wurde beantragt
die 200 000 Jt zu streichen.
Der Antrag gelangte mit 8 gegen 4 Stimmen bei einer Anwesen
heit von 12 Mitgliedern zur Annahme.
Bei F — Rudolf Virchowkrankenhaus— sind in Ausgabe Ordi
narium Titel III sub 8 (Seite 45) für zahnärztliche Behandlung der
Kranken und Schwestern an Honorar für einen Zahnarzt 1000 Jt
vorgesehen. Von einem Ausschußmitgliede wurde beantragt, das
Honorar auf 1500 Jt zu erhöhen, weil die Tätigkeit des nicht in
der Anstalt wohnenden Zahnarztes ein sehr zeitraubende sei. Der
Herr Kämmerer erklärte, daß diese Angelegenheit noch der generellen
Regelung bedürfe, sie befinde sich jetzt noch im Zwischenstadium. Der
Antrag wurde abgelehnt.
Die Resolution des Vorjahres, welche lautet:
Spezialetat 25:
Die Versammlung ersucht den Magistrat, in Zukunft zu Ab-
weichungen von den etatsmäßigen Sätzen für Krankenhaus-
Verpflegung die Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung
durch besondere Vorlage einzuholen,
hat ihre Erledigung gefunden durch den Beschluß der Versammlung
vom 6. Mai 1909 — Protokoll 23 — folgenden Wortlautes:
Die Versammlung ist damit einverstanden, daß an Kur- und
Verpflegungskosten in den städtischen Krankenhäusern vom 1. Juli 1909
ab erhoben werden:
1. für einheimische Kranke 3,oo^,
2. für Kranke, die nicht in Berlin wohnen, 3,so Jt für den
Tag und Kopf. Für Kranke, die nicht in Berlin wohnen, und
deren Wohnsitzgemeinde für Berliner Kranke höhere Kur- und
Verpflegungskosten berechnet, wird ein gleich hoher Betrag
erhoben. (Vorlage 391.) —
Der Etatsausschuß empfiehlt in beiden Lesungen den Etat
in Einnahme auf 2 762 180 Jti
- Ausgabe - . 6 921 880 -
also mit einer Mehrausgabe von 4 159 700 Jt
festzustellen.
Kapitel VI Abteilung 2 — Irrenanstalten und An-
stall für Epileptische — für das Etatsjahr 1910.
Der Herr Kämmerer überreichte die anliegend abgedruckte Nach-
tragsvorlage, in welcher um nachträgliche Einstellung von weiteren
2000 Jt für Erneuerung von 3 Dynamomaschinen gebeten wird.
Der Etatsausschx-ß stimmte dem zu und erhöhte demgemäß im Etat
B — Irrenanstalt Herzberge — die Position Ausgabe Ertraordinarium
lfd. Nr. 2 (Seite 32) von 16 000 Jt auf 18 000 Jt-
Von einer Seite des Etatsansschusses wurde ausgeführt, daß die
großen Mittel, die die Irrenanstalten alljährlich forderten, allmählich
herabgemindert werden könnten, wenn man helfend eingriffe schon
bevor das Unglück geschehe, daß die Kinder verwahrlosen. Man
solle das Uebel an der Wurzel fassen und daher der Fürsorge für
Krippen und Kindergärten in ausgedehntem Maße seine Fürsorge
angedeihen lassen.
Demgegenüber ließen sich der Herr Kämmerer und andere Redner
des Etatsausschusies dahin aus, daß sich derartig ideale Zustände
nicht schaffen ließen. Der Grund der stetig steigenden Zahl der Irren
sei nicht bloß in der Vernachlässigung der Jugend sondern in den
allgemeinen Verhältnissen der Gegenwart und denjenigen der Großstadt
zu suchen, in der zudem alle Elemente zusammenströmen. Auch sei
der Einfluß der modernen Psychiatrie und der von ihr beeinflußten
Rechtsprechung sehr erheblich. Jedenfalls aber müsse jetzt für die
vorhandenen Irren gesorgt werden. Die Steigung der Zahl der
Jrrenpflegebedürftigen sei freilich geradezu eine enorme. Nach der
vorjährigen Etatsrede des Kämmerers sei in den letzten 11 Jahren
der Prozentsatz der Pflegebedürffigen auf 1000 Einwohner berechnet