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Volume No. 7 (80-94), 1907/02/09

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1907 (Public Domain)

die jetzt zu einem Säuglingskrankenhause mit 24 Betten ausgebildet 
worden ist. Da die Berliner Krankenhäuser nur unbedeutende 
Säuglingsabteilungen besitzen, so ist der Verein mit der Eröffnung 
seiner Anstalt einem lebhaft empfundenen Bedürfnisse nachgekommen, 
ohne es allerdings bei dem jetzigen Umfange des Hauses schon 
befriedigen zu können. Der tägliche Verpflegungssatz in dem 
Krankenhause beträgt 2,bo Jt, die wahren Kosten des Vereins sind 
aber 3,so Jt. Die Differenz hat der Verein mit den ihm zu 
fließenden Beiträgen nicht ganz zu decken vermocht, so daß er schon 
jetzt einem, wenn auch noch kleinen Fehlbeträge gegenübersteht, der 
aber zu steigen droht. Um die segensreiche Mitarbeit des Vereins 
im Kampfe gegen die Säuglingssterblichkeit, die auch die Armen 
direktion durch Zuweisung kleiner Patienten würdigt, zu erhalten 
und zu fördern, erscheint eine Unterstützung von 1 000 Jt aus 
städtischen Mitteln erwünscht. 
Seitens eines Mitgliedes des Ausschusses wurde es bedauert, 
daß sich überhaupt ein solcher Verein gebildet hätte, da man in den 
Krankenhäusern leicht eine derartige Einrichtung treffen könnte. 
Der Herr Magistratsvertreter wies darauf hin, daß nur noch 
das Säuglingsasyl in der Kürassierstraße und das Neumann'sche 
Asyl in der Blumenstraße in Frage kämen. Diese könnten aber 
lange nicht alle kranken Säuglinge aufnehmen. 
Diesen Ausführungen wurde von anderer Seite des Ausschusses 
zugestimmt und hinzugefügt, daß es garnicht vorteilhaft wäre, wenn 
die Säuglinge in die großen städtischen Krankenhäuser untergebracht 
würden, da je kleiner ein derartiges Säuglingskrankenhaus wäre, je 
sorgfältiger und individueller die Behandlung wäre und vor allem 
Epidemien, wie sie im Kaiser Friedrich-Kinderkrankenhaus vor 
gekommen wären, vollständig ausgeschlossen. 
Der Magistratsantrag wurde hierauf angenommen, 
w) Für den „Verein zur Speisung armer Kinder und Notleidender" 
4000./# (zur Zeit 8 000./#) mit der Begründung: 
Der Verein hat im Geschäftsjahr 1905/06 für arme Kinder, die 
von ihren Eltern nicht ernährt werden können, und sonstige Not 
leidende, deren Bedürftigkeit und Würdigkeit festgestellt war, be 
sonders für solche, die der öffentlichen Armenpflege noch nicht 
anheimgefallen waren, durch Bewilligung von Lebens- undSiärkungs- 
I Mitteln, Volkslüchenessen, Lieferung von wollenen Decken, Stroh 
säcken und Brennmaterial sowie durch Zahlung von Geldunter 
stützungen 11 913 Jt verausgabt: für Verabreichung von Mittagessen 
und Milch nebst Weißbrot in den Volkskindergärten wendete er 
2685*# auf: die Verteilung von Frühstück an arme Kinder in den 
Gemeindcschulen kostete 13 265 Jt. Trotzdem der Verein einen 
Fehlbetrag nicht gescheut hat, genügten die Ausgaben doch nicht, 
um das dem Verein bekannt gewordene Bedürfnis zu befriedigen. 
Durch Erhöhung des städtischen Beitrages auf 4 OM Jt wünschen 
wir dem Verein die ungeschmälerte Fortführung seines bedeutsamen 
Werkes zu erleichtern. 
Gegen den Antrag des Magistrats wurde kein Widerspruch er 
hoben. 
n) Für den „Deutschen Verein gegen den Mißbrauch geistiger Ge 
tränke" 500 Jt (bisher nicht unterstützt) mit der Begründung: 
Der Verein hat sich die Aufgabe gestellt, durch Versammlungen 
und Veröffentlichungen auf die vielen wirtschaftlichen Schäden und 
gesundheitlichen und sittlichen Verheerungen aufmerksam zu machen, 
die der Trunk im Familien- und Gemeindehaushalle hervor 
ruft. Zahlreiche Reformvorschläge haben die Aufmerksamkeit der 
Regierungen und vieler Städte, deren Armenverwallungen den 
wirtschaftlichen Niedergang der Trunksüchtigen am unmittelbarsten 
verspüren, auf die Bestrebungen des Vereins gelenkt. Die Stadt 
Berlin unterstützt bereits eine Unterabteilung des Deutschen Vereins, 
den Bezirksverein Berlin, mit jährlich 10M Jt. Während der 
Bezirksverein sich aber im wesentlichen auf die Heilung der Alkoholiker 
beschränkt, legt der Deutsche Verein selbst den Hauptwert auf die Auf- 
klärung der Bevölkerung, um dem Mißbrauch geistiger Getränke 
entgegenzuwirken und auf diese Weise vorbeugend zu wirken. Wir 
glauben, diese wichtige Aufgabe des Vereins durch eine Beihilfe von 
500 Jt unterstützen zu sollen. 
Von verschiedenen Seiten des Ausschusses wurde Ablehnung des 
Magistratsantrages beantragt, weil man unmöglich dem Alkohol 
genusse in irgend einer Weise vorbeugen könnte, und der Verein erst 
ernste Schritte unternehmen sollte, wie die Errichtung von Restaurants, 
in denen alkoholfreie Getränke ausgeschenkt werden, ehe man ihm 
weitere Zuwendungen machen sollte. 
Der Herr Magistratsvertreter bemerkte hierzu, daß der Verein 
sich sehr viel Mühe gäbe und durch Wort und Schrift zu den Trinkern 
spräche, indeni er sie auf die überaus schädlichen Folgen durch den 
übermäßigen Alkoholgenuß sowohl an der Gesundheit der einzelnen 
Individuen als auch in wirtschaftlicher Beziehung hinwiese. 
Bei der Abstimmung wurde der Magistratsantrag angenommen. 
o) Für den Zentralverein für Arbeitsnachweis 45 000 Jt (zur Zeit 
40000 Jt) mit der Begründung: 
Nach dem uns vorgelegten Haushaltsplan für 1907 wird der 
Verein für unabwendbare Ausgaben in Höhe von 16M Jt keine 
Deckung haben. Dabei ist aber die nicht länger zu umgehende Ge- 
haltsaufbefferung der Vereinsbeamten, die wenigstens 3 OM Jt be 
tragen wird, unberücksichtigt geblieben. Der Verein beabsichtigt aber 
auch die Verlegung des von ihm ins Leben gerufenen Dienstboten 
nachweises in eine geeignetere Stadtgegend und eine Ausgestaltung 
dieses Instituts, die voraussichtlich zunächst 10 OM Jt jährlich 
erfordern wird. Weiter bedarf er zur Errichtung von Fachardeits- 
nachweisen für gelernte Arbeiter noch 5 OM Jt. Da es dem Verein 
nicht möglich ist, seine Einnahmen zu steigern, hat er Erhöhung des 
städtischen Zuschuffes um 20 OM Jt beantragt. Wir können uns nur 
entschließen, Mittel zur Deckung des berechneten Fehlbetrages und zu 
den Gehaltserhöhungen von zusammen 5 OM Jt zu gewähren. Die 
Zahlung des städtischen Zuschusses bleibt wie bisher an die Bedingung 
geknüpft, daß für den Zutritt in die Vereinsräumc und den Arbeits 
nachweis keine höhere Gebühr als 20 -j für die Person erhoben 
werden darf. 
Von verschiedenen Seiten des Ausschuffes wurde beantragt, den 
Wagistratsantrag abzulehnen. In jedem Jahre käme der Verein mit 
Anträgen auf Erhöhung des Zuschuffes. Wenn der Verein mit dem. 
was er erhielte, nicht auskäme, so sollte man zunächst den Beschluß 
über die Erhebung der Beiträge aufheben bezw. abändern. Die ganze 
Sache scheine doch vom Verein falsch angefaßt zu werden. Die ge 
lernten Arbeiter hätten bereits in den Innungen ihren Arbeitsnachweis 
und auch die ungelernten Arbeiter hätten zum größten Teil ebenfalls 
jetzt schon den Arbeitsnachweis. Die Verlegung des Dienstboten 
nachweises könnte auch auf keinen Fall einen derartig hohen Kosten 
aufwand herbeiführen. Im übrigen könnten die Haussrauen, welche 
jetzt schon an Private 8—10 Jt für den Nachweis von Dienstboten 
zahlen müßten, auch ihrerseits einen geringen laufenden Beitrag zu 
den Betriebskosten entrichten. 
Demgegenüber wurde angeführt, daß der Verein entschieden vieles 
Gute gewirkt habe. Die Arbeitsvermittelungen wären früher sehr 
schlecht gewesen, namentlich für die ungelernten Arbeiter, und wenn 
nun noch der Dienstbotennachweis von dem Verein in die Hand ge 
nommen würde, so wäre dies entschieden mit Freuden zu begrüßen. 
Auch der Herr Magistratsvertreter stimmte diesen Ausführungen 
bei und fügte noch hinzu, daß der Verein einen Fehlbetrag von 
20 MO Jt hätte und die Beamtengehälter entschieden der Ausbesserung 
bedürftig wären. 
Bei der Abstimmung wurde der Magistratsantrag mit großer 
Mehrheit abgelehnt. 
* * 
* 
Der Ausschuß trat nunmehr in die Beratung der ihni durch Be 
schluß der Versammlung vom 10. Januar d. Js. — Protokoll 5 — 
überwiesenen Vorlage — 20 — vom 4. I. 07. 
Der Magistrat hatte in derselben beantragt, in den Etat 49 für 
1907 noch hinzuzusetzen: 
1. für den Berliner Asylverein für Obdachlose 12 0M Jt, statt 
wie bisher 10 0M Jt mit folgender Begründung: 
Infolge Niederlegung des Scheunenviertels ist der Verein 
gezwungen gewesen, sein Frauenasyl in der Füsilierstraße auf 
zugeben und ihm in der Kolberger Straße 30 ein neues Heim 
zu schaffen. Die Aufnahme der hierzu erforderlichen Summen 
hat dem Verein eine jährliche Zinsenlast von 30 0M Jt auferlegt. 
Dazu kommt, daß bei der allgemeinen Preissteigerung für Lebens- 
mittel und Bedarfsgegenstände die Ausgaben für die Verpflegung 
der Obdachlosen und die Gehälter und Löhne des Anstaltspersonals 
erheblich gestiegen sind. Der beim Abschlüsse des Jahres 1905 
bereits 57 284 Jt betragende Fehlbetrag hat sich deshalb weiter 
vergrößert und wird für 190.. wenn nicht erhebliche einmalige 
Zuwendungen erfolgen, auf 107 0M Jt veranschlagt. 
Durch Erhöhung des städtischen Zuschusses wollen wir dem Verein 
die Beschaffung der laufenden Mittel für seine gemeinnützige Wirk 
samkeit erleichtern. 
Von einer Seite des Ausschusses wurde beantragt, über den 
Magistratsantrag hinauszugehen und anstatt der vom Magistrat 
bewilligten 12 0M Jt einen Beitrag von 20000 Jt dem Asylvercin 
als Beihilfe zu gewähren. Der Asylverein hätte durch den Abriß des 
Scheunenviertels das Frauenasyl verlegen bezw. einen Neubau hierfür 
errichten müffen. Der Verkauf des alten Grundstücks hätte nicht so 
viel eingebracht, wie vorher angenommen war, vor allem wäre der 
Neubau dem Verein bedeutend höher zu stehen gekommen, als ver 
anschlagt worden war. Hierdurch wäre eine Ziiiscnlast von beinahe 
30 000 Jt entstanden, so daß der Verein jetzt mit einer Unterbilauz 
von 54287 Jt arbeitete. Auch die privaten Zuwendungen an Geld 
und Kleidungsstücken hätten im vergangenen Jahre gegen die früheren 
Jahre bedeutend nachgelassen. Man sollte ferner auch bedenken, daß 
der Verein die Not der Aermsten der Armen zu lindern und sie vor 
Unredlichkeiten zu bewahren versuchte. 
Vor allem würde der Stadt durch diese private Uueigennützigkeit 
eine große Arbeit und Last abgenommen. 
Demgegenüber führte der Herr Magistratsvertreter aus, daß man 
erst den Ablauf des neuen Geschäftsjahres abwarten sollte, dann wäre 
es ja immer noch Zeit, den Verein durch eine größere Summe zu 
unterstützen bezw. ihn von der drückendsten Schuldenlast zu befreien.
	        
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