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zu betreiben. Viel praktischer und billiger wäre es, zu den notwendigen
Fahrten Automobildroschken zu mieten und dann die Kosten hierfür zu
liquidieren. Der Anschaffungspreis sei viel zu hoch. Man bekomme
schon gute und leistungsfähige Fahrzeuge viel billiger. So ist z. B.
für die Kanalisationsverwaltung ein Automobil für 17 000 Jt an
geschafft worden, welches den gestellten Anforderungen vollständig
genügt und sich gut bewährt. Es könnte daher, auch in Anbetracht
der hohen Unterhaltungskosten für ein Automobil, die sich auf 12- bis
15000 Jt jährlich belaufen, ein billigeres Automobil angeschafft
werden, falls die Vorlage angenommen werden sollte. Aus diesem
Grunde wird der Antrag gestellt:
2. zum l. Oktober 1007 ein Automobil zur Benutzung durch die
Magistratsmitglieder zum Preise von 17 000 Jt zu beschaffen
und in eigener Regie zu betreiben.
Dem gegenüber wurde ausgeführt, daß die billigen Fahrzeugeminder,
wertig wären und daß die Ersparnis beim Kaufpreise ausgewogen
werde durch die höheren Reparaturkosten. Auch habe das Mieten
eines Automobils keinen Zweck, da sich dies nicht billiger stellen
würde. Die Miete für ein Automobil betragt 60 Jt pro Tag. Von
einem anderen Ausschußmitgliede wurde ausgeführt, daß es aller-
dings nicht genügt, ein Automobil für 34 Magistratsmitglieder an
zuschaffen. Es sei ratsam, dieses Automobil nur dem Herrn Ober
bürgermeister zur Verfügung zu stellen, um den Herrn Oberbürger
meister in die Lage zu bringen, auch die entfernt gelegenen Anstalten
der Stadt jederzeit besuchen zu können. Es wurde daher beantragt:
3. das anzuschaffende Automobil nicht allen Magistratsmitgliedern,
sondern nur dem Herrn Oberbürgermeister zur Verfügung zu
stellen.
Von einer anderen Seite des Ausschusses wurde die Magistrats-
Vorlage warm enipsohlen. Unzweifelhaft würde durch die Automobil
benutzung sehr viel Zeit erspart und dieses wäre ein großer Vorteil
für die Verwaltung der Stadt. Für den Versuch genüge die An
schaffung eines Automobils. Der zuerst gestellte Antrag wegen Be
schaffung zweier Automobile wurde zurückgezogen.
Von einem Ausschußmitgliede wurde schließlich noch angeführt,
daß es nicht nötig wäre, in dem Beschlusse einen genauen Preis an-
zugeben und demzufolge beantragt:
4. In der Magistratsvorlage hinter Magistratsmitglieder zu setzen
„im Preise bis zu 24 000 Jt“.
Bei der nunmehr erfolgenden Abstimmung wurde
a) der Antrag 2 gegen i Stimme abgelehnt,
b) der Antrag 3 gegen 2 Stimmen abgelehnt,
c) der Antrag 4 angenommen und schließlich die Magistratsvorlage
mit der Abänderung des Antrages 4 mit 13 gegen 2 Stimmen
angenommen.
Nunmehr wurde zur Beratung des zweiten Teiles der Vorlage
wegen Beschaffung von Fahrkarten auf der Straßenbahn für die
Mitglieder der beiden städtischen Behörden geschritten. Der Vorsitzende
verlas den zweiten Teil der Vorlage und zwei dazu eingegangene
Anträge, diese lauten:
a) Zusayantrag:
Ein Abonnement auf mehr als zwei Straßenbahnlinien steht
f.nienigen Magistratsmitgliedern und Stadtverordneten zu, welche
Grund ihrer Beschäftigung im städtischen Dienst darauf Anspruch
erheb, n;
und b) die Versammlung wolle beschließen:
unter Ablehnung der Nr. 2 der Magistratsvorlage den Magistrat
nochmals zu ersuchen, den Mitgliedern des Magistrats und der
Stadlvcrordnelenversainmluug Fahrkarten auf allen Linien der
Großen Berliner Straßenbahngesellschaft zugängig zu machen.
In der hierauf erfolgenden Debatte wurde von einem Ausschuß-
mitgliedc ausgeführt, daß durch die Annahme der Fahrkarten von
einer Vergütung für die ehrenamtliche Tätigkeit garnicht die Rede sein
kann, da ja schon jetzt die aufgewendeien Kosten liquidiert werden
könnten. Es werde immer notwendiger, durch persönliche Besichtigung
der städtischen Einrichtungen in allen Teilen des Stadtgebietes,
namentlich auch von zu erwerbenden Terrains sich schneller ein klares
Bild von den verschiedenen städtischen Verwaltungen und ihren Er
fordernissen zu bilden.
In letzter Zeit sei ja durch die Anfertigung von Skizzen schon
versucht worden, einen besseren Ueberblick zu gewähren Dies Mittel
reiche aber nicht aus. Die Möglichkeit vielseitiger persönlicher
Besichtigungen rechtfertige vollauf die Verwendung städtischer Mittel.
Den Mitgliedern der beiden Körperschaften würde durch die Fahrt
erleichterung ein Sporn gegeben, nach Tunlichkeit alle Anstalten und
Bauten der Stadt Berlin'persönlich zu besichtigen. Danach sei eine
Fahrkarte, die nur für 2 Linien Gültigkeit habe, völlig unzureichend,
cs müßte vielmehr eine Karte gegeben werden, die für alle Linien
Gültigkeit habe.
Dagegen wurde zu Gunsten des Antrages a hervorgehoben, daß
der gleiche Erfolg erreicht würde, wenn die Herren, welche durch ihre
besondere Tätigkeit zu vielen Fahrten gezwungen seien, mehr als
zwei Abonnements erhielten, während für die große Mehrzahl der
Magisiralsmitglieder und Stadtverordneten zwei Abonnements ge
nügten. Es sei zu vermuten, daß dieser Vermittlungsvorschlag allge-
meinen Anklang finden werde.
Von einem anderen Ausschußmitgliede wurde erklärt, daß ein
Abonnement für die Straßenbahn von manchen Mitgliedern der
Körperschaften garnicht verwendet Werden könnte, da deren Wohnungen
so gelegen seien, daß sie keine Straßenbahn benützen, sondern nur
auf die Stadt- und Ringbahn angewiesen seinen. Es wurde deshalb
beantragt:
c) in der Nr. 2 der Magistratsvorlage hinter dem Worte „Straßen-
bahn" einzuschalten „oder für die Stadt- und Ringbahn".
Der Herr Magistratsvertreter erklärt, daß nach seiner Ansicht
kaum Aussicht für die Annahme des Antrages durch den Magistrat
vorhanden sei. Ueber die Art der Freikarten sei mit der Straßen-
bahngesellschaft verhandelt worden. Nach den Erklärungen der Ge
sellschaft gibt es in deren Betriebe nur die allgemein üblichen
Abonnements, keine Blockkarten und dergleichen. Ein Vollabonnemcnt
koste jährlich 240 Jt. Es seien also täglich mehr als 8 Fahrten
notwendig, um das Abonnement vollständig auszunutzen. Da die
Freikarte ein tatsächlicher Ersatz für die baren Auslagen sein soll, sei
der Magistrat zu dem Beschluß gekommen, der Versammlung die
Vorlage mit zwei Linien, die im allgemeinen genügen werden, zu
unterbreiten. Die Fahrten, die mit diesen beiden Linien nicht ausge-
führt werden können, könnten nach wie vor liquidiert werden. Diese
Liquidationen unterstehen keiner Kontrolle, sie werden sofort, ohne
daß sie durch besondere Belege erhärtet seien und ohne Prüfung bezahlt.
Von einem Ausschußmitgliede wurde hierauf ausgeführt, daß
derartige Einrichtungen in anderen Städten schon längst eingeführt
seien. Der Verlust, der dadurch entstehe, daß ein Vollabonnement
nicht vollständig abgefahren würde, wäre nichts, im Vergleich zu dem
Vorteil, der durch die Einführung der Freikarten geschaffen werde.
Uebrigens gäbe es verschiedene Abonnements bei der Großen Straßen
bahn z. B. für Schutzleute, Postbeamte und Andere.
Gegen das Liquidieren von Auslagen wurde angeführt, daß cs
zu unliebsamen Bemerkungen führen würde, wenn einzelne Mitglieder
alle Unkosten liquidieren würden und andere gar nichts. Von anderer
Seite wurde eingewendet, daß eine Freikarte gewiß auch für Privat
zwecke verwendet werden könnte. Dies sei dann ein Geschenk oder
eine Vergütung für die ehrenamtliche Tätigkeit. Im Widersprüche
hierzu wurde darauf hingewiesen, daß selbst eine Verwendung der
Freikarten für Privatzwccke noch lange kein Aequivalcnt für die im
Interesse der Stadt aufgewendete Zeit und Arbeit sei. Sie könne
also niemals ein Geschenk oder eine Vergütung vorstellen. Ein
weiterer Redner führte aus, daß einerseits die Anschaffung von Voll-
adonncmenls für sämtliche Mitglieder beider Körperschaften zu teuer
werden würde, andrerseits ein Abonnement für 2 Linien seinen Zweck
vollkommen verfehlen würde und stellte daher den Antrag:
d) den Teil der Vorlage, die Straßenbahn betreffend, pure abzu
lehnen und von den Abonnements überhaupt Abstand zu nehmen.
Nachdem noch verschiedene Mitglieder für und wider die Vorlage
gesprochen hatten, wurde zur Abstimmung über die 4 Anträge a—d
geschritten und zunächst über den Antrag d als den weitgehendsten
abgestimmt. Die Abstimmung ergab die Annahme des Antrages b
mit 8 gegen 7 Stimmen.
Da durch die Annahme dieses Antrages sämtliche anderen An
träge hinfällig werden, schlägt der Ausschuß der Versanimluug folgende
Beschlußfassung vor:
Die Versammlung ist damit einverstanden:
1. daß zum 1. Oktober 1907 ein Automobil zur Benutzung durch
die Magistratsmitglieder im Preise bis zu 24 000 Jt beschafft
und in eigener Regie betrieben wird:
dagegen lehnt die Versammlung den Antrag des Magistrats'zu 2:
jedem Mitgliede des Magistrats und der Stadtverordneten
versammlung ein Abonnement für zwei Linien der Großen
Berliner Straßenbahn vom 1. Oktober 1907 ab zur Verfügung
zu stellen,
ab und ersucht den Magistrat,
den Mitgliedern des Magistrats und der Stadtocrorducteu-
versammlung Fahrkarten auf allen Linien der Großen Berliner
Straßenbahngesellschaft zugängig zu machen.
Ferner ist die Versammlung damit einverstanden,
daß die Kosten des Kaufpreises für das Automobil, für den
halbjährlichen Betrieb desselben und für die Straßenbahn-
abonnements dem Spezialetat 49 -- Ertraordinarium 1 — zu
entnehmen sind.
Der Druck des Protokolls wurde beschlossen und als Bericht
erstatter der unterzeichnete Vorsitzende gewählt.
V. w. o.
Kyllmann.
887. Vorlage (J.-Nr. 1331 0.6.1.07) — zur Kenntnisnahme —,
betreffend die Besichtigung desstädtischenUntersuchungs-
amts für Nahrungs- und Genutzmittel sowie Gebrauchs
gegenstände.
In Fortsetzung der Besichtigung städtischer Anstalten haben mir