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Volume No. 38 (879-888), 1907/09/28

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1907 (Public Domain)

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zu betreiben. Viel praktischer und billiger wäre es, zu den notwendigen 
Fahrten Automobildroschken zu mieten und dann die Kosten hierfür zu 
liquidieren. Der Anschaffungspreis sei viel zu hoch. Man bekomme 
schon gute und leistungsfähige Fahrzeuge viel billiger. So ist z. B. 
für die Kanalisationsverwaltung ein Automobil für 17 000 Jt an 
geschafft worden, welches den gestellten Anforderungen vollständig 
genügt und sich gut bewährt. Es könnte daher, auch in Anbetracht 
der hohen Unterhaltungskosten für ein Automobil, die sich auf 12- bis 
15000 Jt jährlich belaufen, ein billigeres Automobil angeschafft 
werden, falls die Vorlage angenommen werden sollte. Aus diesem 
Grunde wird der Antrag gestellt: 
2. zum l. Oktober 1007 ein Automobil zur Benutzung durch die 
Magistratsmitglieder zum Preise von 17 000 Jt zu beschaffen 
und in eigener Regie zu betreiben. 
Dem gegenüber wurde ausgeführt, daß die billigen Fahrzeugeminder, 
wertig wären und daß die Ersparnis beim Kaufpreise ausgewogen 
werde durch die höheren Reparaturkosten. Auch habe das Mieten 
eines Automobils keinen Zweck, da sich dies nicht billiger stellen 
würde. Die Miete für ein Automobil betragt 60 Jt pro Tag. Von 
einem anderen Ausschußmitgliede wurde ausgeführt, daß es aller- 
dings nicht genügt, ein Automobil für 34 Magistratsmitglieder an 
zuschaffen. Es sei ratsam, dieses Automobil nur dem Herrn Ober 
bürgermeister zur Verfügung zu stellen, um den Herrn Oberbürger 
meister in die Lage zu bringen, auch die entfernt gelegenen Anstalten 
der Stadt jederzeit besuchen zu können. Es wurde daher beantragt: 
3. das anzuschaffende Automobil nicht allen Magistratsmitgliedern, 
sondern nur dem Herrn Oberbürgermeister zur Verfügung zu 
stellen. 
Von einer anderen Seite des Ausschusses wurde die Magistrats- 
Vorlage warm enipsohlen. Unzweifelhaft würde durch die Automobil 
benutzung sehr viel Zeit erspart und dieses wäre ein großer Vorteil 
für die Verwaltung der Stadt. Für den Versuch genüge die An 
schaffung eines Automobils. Der zuerst gestellte Antrag wegen Be 
schaffung zweier Automobile wurde zurückgezogen. 
Von einem Ausschußmitgliede wurde schließlich noch angeführt, 
daß es nicht nötig wäre, in dem Beschlusse einen genauen Preis an- 
zugeben und demzufolge beantragt: 
4. In der Magistratsvorlage hinter Magistratsmitglieder zu setzen 
„im Preise bis zu 24 000 Jt“. 
Bei der nunmehr erfolgenden Abstimmung wurde 
a) der Antrag 2 gegen i Stimme abgelehnt, 
b) der Antrag 3 gegen 2 Stimmen abgelehnt, 
c) der Antrag 4 angenommen und schließlich die Magistratsvorlage 
mit der Abänderung des Antrages 4 mit 13 gegen 2 Stimmen 
angenommen. 
Nunmehr wurde zur Beratung des zweiten Teiles der Vorlage 
wegen Beschaffung von Fahrkarten auf der Straßenbahn für die 
Mitglieder der beiden städtischen Behörden geschritten. Der Vorsitzende 
verlas den zweiten Teil der Vorlage und zwei dazu eingegangene 
Anträge, diese lauten: 
a) Zusayantrag: 
Ein Abonnement auf mehr als zwei Straßenbahnlinien steht 
f.nienigen Magistratsmitgliedern und Stadtverordneten zu, welche 
Grund ihrer Beschäftigung im städtischen Dienst darauf Anspruch 
erheb, n; 
und b) die Versammlung wolle beschließen: 
unter Ablehnung der Nr. 2 der Magistratsvorlage den Magistrat 
nochmals zu ersuchen, den Mitgliedern des Magistrats und der 
Stadlvcrordnelenversainmluug Fahrkarten auf allen Linien der 
Großen Berliner Straßenbahngesellschaft zugängig zu machen. 
In der hierauf erfolgenden Debatte wurde von einem Ausschuß- 
mitgliedc ausgeführt, daß durch die Annahme der Fahrkarten von 
einer Vergütung für die ehrenamtliche Tätigkeit garnicht die Rede sein 
kann, da ja schon jetzt die aufgewendeien Kosten liquidiert werden 
könnten. Es werde immer notwendiger, durch persönliche Besichtigung 
der städtischen Einrichtungen in allen Teilen des Stadtgebietes, 
namentlich auch von zu erwerbenden Terrains sich schneller ein klares 
Bild von den verschiedenen städtischen Verwaltungen und ihren Er 
fordernissen zu bilden. 
In letzter Zeit sei ja durch die Anfertigung von Skizzen schon 
versucht worden, einen besseren Ueberblick zu gewähren Dies Mittel 
reiche aber nicht aus. Die Möglichkeit vielseitiger persönlicher 
Besichtigungen rechtfertige vollauf die Verwendung städtischer Mittel. 
Den Mitgliedern der beiden Körperschaften würde durch die Fahrt 
erleichterung ein Sporn gegeben, nach Tunlichkeit alle Anstalten und 
Bauten der Stadt Berlin'persönlich zu besichtigen. Danach sei eine 
Fahrkarte, die nur für 2 Linien Gültigkeit habe, völlig unzureichend, 
cs müßte vielmehr eine Karte gegeben werden, die für alle Linien 
Gültigkeit habe. 
Dagegen wurde zu Gunsten des Antrages a hervorgehoben, daß 
der gleiche Erfolg erreicht würde, wenn die Herren, welche durch ihre 
besondere Tätigkeit zu vielen Fahrten gezwungen seien, mehr als 
zwei Abonnements erhielten, während für die große Mehrzahl der 
Magisiralsmitglieder und Stadtverordneten zwei Abonnements ge 
nügten. Es sei zu vermuten, daß dieser Vermittlungsvorschlag allge- 
meinen Anklang finden werde. 
Von einem anderen Ausschußmitgliede wurde erklärt, daß ein 
Abonnement für die Straßenbahn von manchen Mitgliedern der 
Körperschaften garnicht verwendet Werden könnte, da deren Wohnungen 
so gelegen seien, daß sie keine Straßenbahn benützen, sondern nur 
auf die Stadt- und Ringbahn angewiesen seinen. Es wurde deshalb 
beantragt: 
c) in der Nr. 2 der Magistratsvorlage hinter dem Worte „Straßen- 
bahn" einzuschalten „oder für die Stadt- und Ringbahn". 
Der Herr Magistratsvertreter erklärt, daß nach seiner Ansicht 
kaum Aussicht für die Annahme des Antrages durch den Magistrat 
vorhanden sei. Ueber die Art der Freikarten sei mit der Straßen- 
bahngesellschaft verhandelt worden. Nach den Erklärungen der Ge 
sellschaft gibt es in deren Betriebe nur die allgemein üblichen 
Abonnements, keine Blockkarten und dergleichen. Ein Vollabonnemcnt 
koste jährlich 240 Jt. Es seien also täglich mehr als 8 Fahrten 
notwendig, um das Abonnement vollständig auszunutzen. Da die 
Freikarte ein tatsächlicher Ersatz für die baren Auslagen sein soll, sei 
der Magistrat zu dem Beschluß gekommen, der Versammlung die 
Vorlage mit zwei Linien, die im allgemeinen genügen werden, zu 
unterbreiten. Die Fahrten, die mit diesen beiden Linien nicht ausge- 
führt werden können, könnten nach wie vor liquidiert werden. Diese 
Liquidationen unterstehen keiner Kontrolle, sie werden sofort, ohne 
daß sie durch besondere Belege erhärtet seien und ohne Prüfung bezahlt. 
Von einem Ausschußmitgliede wurde hierauf ausgeführt, daß 
derartige Einrichtungen in anderen Städten schon längst eingeführt 
seien. Der Verlust, der dadurch entstehe, daß ein Vollabonnement 
nicht vollständig abgefahren würde, wäre nichts, im Vergleich zu dem 
Vorteil, der durch die Einführung der Freikarten geschaffen werde. 
Uebrigens gäbe es verschiedene Abonnements bei der Großen Straßen 
bahn z. B. für Schutzleute, Postbeamte und Andere. 
Gegen das Liquidieren von Auslagen wurde angeführt, daß cs 
zu unliebsamen Bemerkungen führen würde, wenn einzelne Mitglieder 
alle Unkosten liquidieren würden und andere gar nichts. Von anderer 
Seite wurde eingewendet, daß eine Freikarte gewiß auch für Privat 
zwecke verwendet werden könnte. Dies sei dann ein Geschenk oder 
eine Vergütung für die ehrenamtliche Tätigkeit. Im Widersprüche 
hierzu wurde darauf hingewiesen, daß selbst eine Verwendung der 
Freikarten für Privatzwccke noch lange kein Aequivalcnt für die im 
Interesse der Stadt aufgewendete Zeit und Arbeit sei. Sie könne 
also niemals ein Geschenk oder eine Vergütung vorstellen. Ein 
weiterer Redner führte aus, daß einerseits die Anschaffung von Voll- 
adonncmenls für sämtliche Mitglieder beider Körperschaften zu teuer 
werden würde, andrerseits ein Abonnement für 2 Linien seinen Zweck 
vollkommen verfehlen würde und stellte daher den Antrag: 
d) den Teil der Vorlage, die Straßenbahn betreffend, pure abzu 
lehnen und von den Abonnements überhaupt Abstand zu nehmen. 
Nachdem noch verschiedene Mitglieder für und wider die Vorlage 
gesprochen hatten, wurde zur Abstimmung über die 4 Anträge a—d 
geschritten und zunächst über den Antrag d als den weitgehendsten 
abgestimmt. Die Abstimmung ergab die Annahme des Antrages b 
mit 8 gegen 7 Stimmen. 
Da durch die Annahme dieses Antrages sämtliche anderen An 
träge hinfällig werden, schlägt der Ausschuß der Versanimluug folgende 
Beschlußfassung vor: 
Die Versammlung ist damit einverstanden: 
1. daß zum 1. Oktober 1907 ein Automobil zur Benutzung durch 
die Magistratsmitglieder im Preise bis zu 24 000 Jt beschafft 
und in eigener Regie betrieben wird: 
dagegen lehnt die Versammlung den Antrag des Magistrats'zu 2: 
jedem Mitgliede des Magistrats und der Stadtverordneten 
versammlung ein Abonnement für zwei Linien der Großen 
Berliner Straßenbahn vom 1. Oktober 1907 ab zur Verfügung 
zu stellen, 
ab und ersucht den Magistrat, 
den Mitgliedern des Magistrats und der Stadtocrorducteu- 
versammlung Fahrkarten auf allen Linien der Großen Berliner 
Straßenbahngesellschaft zugängig zu machen. 
Ferner ist die Versammlung damit einverstanden, 
daß die Kosten des Kaufpreises für das Automobil, für den 
halbjährlichen Betrieb desselben und für die Straßenbahn- 
abonnements dem Spezialetat 49 -- Ertraordinarium 1 — zu 
entnehmen sind. 
Der Druck des Protokolls wurde beschlossen und als Bericht 
erstatter der unterzeichnete Vorsitzende gewählt. 
V. w. o. 
Kyllmann. 
887. Vorlage (J.-Nr. 1331 0.6.1.07) — zur Kenntnisnahme —, 
betreffend die Besichtigung desstädtischenUntersuchungs- 
amts für Nahrungs- und Genutzmittel sowie Gebrauchs 
gegenstände. 
In Fortsetzung der Besichtigung städtischer Anstalten haben mir
	        
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