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Volume No. 34 (749), 1907/08/31

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1907 (Public Domain)

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das nächste Etatjahr auf das Soll der Gemeindegrundsteuer zu 
verrechnen. 
Zu § 14 der Magistratsvorlage wurden Ausführungen nicht 
gemacht. 
Zum Antrage A ist generell zu bemerken, daß derfelbe bereits 
vom vorigen Ausschüsse als neuer ß 12 beschlossen worden, daß er 
jedoch fortgefallen sei, nachdem bei der Schlußabstimmung der § 7 
abgelehnt war (Protokoll IX vom 20. Februar 1907 — Druck 
sache 191 — Seite 188). 
Materiell wurde der Antrag auch heute damit begründet, daß 
nian durch ihn die Wertzuwachssteuer in ihrer Wirkung abschwächen 
wolle, weil man erstens eine neue Steuer nickt für nötig und weil 
man zweitens eine Wertzuwachssteuer neben der Umsatzsteuer für 
ungerechtfertigt halte, da eine Kommune von einer Veräußerung des 
Grundbesitzes nicht doppelt Steuern erheben dürfe: man könne daher 
in ihrer Formulierung einen Fortschritt nicht erblicken und man könne 
es nicht zugeben, daß der Grundbesitz, der heute schon mehr als die 
Hälfte der gesamten Steuern aufbringe, noch weiter belastet werde. 
Etwas anders wäre es allerdings, wenn der Magistrat eine Vorlage 
bringen würde, unter Aufhebung der Umsatzsteuer eine Wertzuwachs- 
steuer einzuführen, dann ließe sich hierüber ganz anders reden. Das 
gerechteste wäre cs, die Umsatzsteuer gänzlich zu beseitigen, denn diese 
sei, als Verkehrssteuer eine der rohesten Steuern, da sie rücksichtslos 
erhoben werde auch bei Verkäufen mit Verlust. Es sei indes un 
möglich, hier im Ausschüsse nach dieser Richtung hin Amendements 
zu stellen, dazu gehörten umfangreiche Berechnungen, man könne nur 
sagen, daß man gewünscht hätte, daß der Magistrat auf diesem Wege 
vorgegangen wäre. Ta man also vorläufig mit dem Weiterbestehen 
der Umsatzsteuer rechnen müsse, so könne man sich nicht anders helfen, 
als auf sie die Wertzuwachssteuer gemäß Antrag A anzurechnen. 
Der Herr Oberbürgermeister erklärte, daß er nicht glaube, daß 
der Magistrat irgend einem Antrage zustimmen würde, der auf die 
Beseitigung der Umsatzsteuer, die sich bewährt habe, abziele. Würden 
die Anträge A und B angenommen, dann habe die ganze Steuer- 
ordnung für den Magistrat keinen Wert mehr. Beide Steuern, Umsatz- 
und Wertzuwachssteuer, könnten sehr gut nebeneinander bestehen. 
Würde man die Wertzuwachssteucr aus die Umsatzsteuer anrechnen 
wollen, so wäre dies ungerecht, da dann der mit Verlust oder ohne 
Gewinn Verlausende genau so viel bezahlen müsse als derjenige, der 
beim Verkauf einen Gewinn erhalte. Ter Herr Oberbürgermeister 
verwies nochmals auf die als Anlage zum Protokoll VI von> 19. No- 
vembcr 1906 — Drucksache 191 — Seite 184 abgedruckte Zusammen 
stellung von Beispielen, nach welcher die Werlzuwachssteuer knapp V 4 
der zu entrichtenden Umsatzsteuer betragen würde, und hob hervor, 
daß nach der Skala des Magistrats ein Wertzuwachs von 45 pCl. 
erfolgen müßte, wenn überhaupt ein Mehr über die Umsatzsteuer 
binaus erzielt werden sollte. Er bitte daher, die Anträge A und B 
rundweg abzulehnen, dagegen den Kompromißantrag C anzunehmen, 
der deni gesamten Grundbesitz, wenn auch nicht sogleich, so doch später, 
außerordentlichen Gewinn bringen werde. 
Zur Begründung des Antrages B überreichte Antragsteller 
jedem Mitgliede des Ausschusses eine Berechnung, nach welcher bei 
Annahme des Antrages B (Anrechnung nur bei bebauten Grund- 
stucken) die Wertzuwachssteuer nur einen Ueberschuß von 400 000 M 
ergeben würde: wollte man aber die Umsatzsteuer von bebauten 
Grundstücken nur halb anrechnen, so ergäbe dies einen Wertzuwachs- 
steuercrtrag von rund 2 Millionen Mark, während bei Annahme des 
Antrages A (Anrechnung bei allen Grundstücken» garnichts heraus- 
kommen würde, dieser Antrag A sei somit gleichbedeutend mit völliger 
Streichung der gesamten Wertzuwachssteuer. Der jährliche Umsatz 
an Grundstücken betrage etwa 2 000, davon seien 1200 bebaut und 
500 unbebaut. 
Gegner dieses Antrages B führten an, daß man die soeben er 
haltene komplizierte Berechnung unmöglich innerhalb weniger Minuten 
nachprüfen könne, man müsse es sich daher versagen, auf dieselbe 
einzugehen; soviel aber stehe jedensalls sest, daß der Antrag A doch 
wenigstens das Mehr der Wcrtzuwachsstcuer über die Umsatzsteuer 
einbringen müsse. 
Ein weiterer Redner äußerte sich dahin, daß man ja nichts da 
gegen habe, daß unbebaute Grundstücke schärfer genossen würden als 
bebaute, daß man aber andererseits darüber wachen müsse, daß der 
reelle Bauunternehmer dadurch nicht geschädigt werbe, man müsse )id) 
in dieser Beziehung seine Entschließungen noch vorbehalten. 
Zum Antrage 6 wurde ausgeführt, daß er nur Kompromiß- 
bcdeuinng habe, da man in erster Linie unter Ablehnung der Anträge 
A und B für die unveränderte Annahme der ganzen Magistratsvorlage 
eintrete, daß man aber, um der gänzlichen Vernichlung der Wert- 
zuwachsstkiicr durch den Antrag A vorzubeugen, der Strömung, den 
Grundbesitz zu entlasten, beispringen und durch Antrag 0 jedem 
Grundbesitzer wieder etwas zugute kommen lasten wolle. Man habe 
fick berechnet, daß bei einer Grundsteuer von 28% Millionen Mark, 
einer Umsatzsteuer von 6 Millionen und einer Wertzuwachssteucr von 
IV.j Millionen Mark, die Umsatz- und die Wertzuwachssteuer mit 
7% Millionen Mark etwa % des jetzigen Ertrages der Grundsteuer 
ausbringen würden. Alles, was darüber hinaus einkomme, solle dem 
' Grundbesitz wieder zugute kommen, und das werde kein geringer 
Betrag sein, wenn man berücksichtige, daß z. B. in Köln mit seiner 
verstümmelten Wertzuwachssteuer das zehnfache des Voranschlages 
erreicht sei, so daß in Berlin statt 1% Millionen etwa 4 Millionen 
Mark Wertzuwachssteuer einkommen werden, wenn man die Magistrats 
oorlage unverkürzt annehme. Da von der Wertzuwachssteuer nicht 
der gesamte, sondern nur der rollierende Grundbesitz getroffen werde, 
so sollte eigentlich jeder einzelne Grundbesitzer ein Interesse daran 
haben, die Wertzuwachssteuer möglichst kräftig auszugestalten, daniit 
er in Gemäßheit des Antrages 0 möglichst viel an der Grundsteuer 
erspare, indes, man wolle, wie ein anderer Redner ergänzend bemerkte, 
durch diesen Antrag nach außen zeigen, daß man nicht einer über 
mäßigen Steigerung der Wertzuwachssteuer zustrebe, sondern daß 
man sie in angemessenen Grenzen zu halten bestrebt sei. Wenn es 
gelänge, durch diesen Antrag die Magistratsvorlage zur Annahme zu 
bringen, so könnte man für ihn stimmen trotz prinzipieller und logischer 
Bedenken. 
Diesem Antrage wurde entgegengehalten, daß kein Grundbesitzer 
auf diese so verlockend erscheinende Brücke treten werde. Es werde 
die Zeit kommen und sie sei teilweise schon da, in der der Ertrag der 
Umsatzsteuer wieder gewaltig zurückgehen werde, und dann werde 
eben die Wertzuwachssteuer herhalten müssen um wenigstens das 
Gleichgewicht wieder herzustellen, ja, man werde sie bedeutend ver 
schärfen, denn das wisse doch ein jeder, daß die jetzigen Sätze nur 
Anfangssätze seien. 
Ein anderer Redner führte aus, daß dieser Antrag 0 eine bc- 
denkliche Aebnlichkeit mit der Theorie des heiligen Florian habe, so daß 
man ihm recht zustimmen könne. 
Von dritter Seite wurde hervorgehoben, daß man auch gegen 
diesen Antrag stimmen müffe, weil man nach wie vor auf dem Stand 
punkte stehe, daß der Grundbesitz durch die Gesamtheit Vorteile erhalte, 
für diese solle er die Wertzuwachssteuer zahlen. Man gebe nicht zu, 
daß der Grundbesitz etwa zu hoch besteuert sei, so daß er keine Be- 
rechtigung habe zu verlangen, daß ihm durch Mehrerträge bei der 
Wertzuwachssteuer wieder etwas zugute komme bei der Grundsteuer; 
wollte man den Antrag 6 annehmen, dann käme statt der Grund- 
steuer höchstens die Gemeindeeinkommensteuer in Frage. Man halte 
aber die ungeschmälerte Annahme der Magistratsvorlage für höchst 
notwendig. 
Die Beratung war hiermit erschöpft. Bei der Abstiiumung wurde 
Antrag A: angenommen mit 8 Stimmen, 
8 14 mit Antrag A: angenommen mit 8 Stimmen. 
Zu § 15, welcher lautet: 
8 15. 
Die Veranlagung der Steuer geschieht namens des Magistrats 
durch die Steucrdeputation 
wurde beantragt, folgenden Absatz 2 einzufügen: 
Durch Beschluß der Steucrdeputation können veranlagte Umsatz- 
und Wertzuwachssteucrbeträge ganz oder teilweise niedergeschlagen 
werden, wenn durch deren Beitreibung unbillige Härten nach Lage 
der besonderen Verhältnisse entstehen würden. (Vergleiche steno 
graphischen Bericht vom 14. März 1907 Seite 106.) 
Antragsteller führte aus, daß diejenige Stelle, welche die Ver 
anlagung selbst vorgenommen habe, die Steuerdeputation, am meisten 
berufen erscheine, darüber zu entscheiden, ob u. a. durch ihre Vera»- 
lagung besondere Härten hervorgerufen seien, auch hätten in der 
Steuerdeputation beide Behörden, Magistrat und Stadtverordnete, ihre 
Vertretung. Von anderer Seite hielt man es für unzulässig, eine 
Niederschlagung durch Deputationsbeschluß herbeizuführen, die Depu 
tation könne höchstens eine Niederschlagung beantragen, die Entschei 
dung aber müsse einem Gemeindebefchlusse vorbehalten bleiben. Dein- 
entsprechend wurde der Antrag geändert. 
Der Herr Magistratsvertreter wies darauf hin, daß ein Antrag 
fast gleichen Inhalts bereits bei der Beratung der Steuerordnung I 
— Grundsteuer — gestellt, nach gehöriger Widerlegung jedoch abge 
lehnt worden sei. (Protokoll von 18. Oktober 1906 — Drucksache 191 
von 1907 Seite 177 — 
Auch heute wurden allerseits große Bedenken gegen den Antrag 
geäußert namentlich in bezug auf seine äußerst schwierige Ausführung. 
Die Steuerdeputation, so hieß es, werde mit einer Unsumme von 
Anträgen überschüttet werden, da ja der Begriff „unbillige Härten" 
sehr dehnbar sei. Derartige Fälle, denen kern Recht zur Seite stehe, 
könnten nur im Petitionswege ihre Erledigung finden. 
Bei der Abstimmung wurde der Antrag gegen 3 Stimmen ab 
gelehnt. 
Zu 8 16, welcher lautet: 
8 16. 
Die zur Entrichtung der Steuer Verpflichteten haben innerhalb 
zweier Wochen nach dem Erwerbe der Steuerdeputation hiervon, 
sowie von allen sonstigen für die Festsetzung der Steuer in Betracht 
kommenden Verhältnisse schriftliche Mitteilung zu machen, auch die 
die Steuerpflichtigst betreffenden Urkunden vorzulegen. 
Auf Verlangen der Steucrdeputation sind die Steuerpflichtigen 
verbunden, über bestimmte für die Veranlagung der Steuer erheb-
	        
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