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JVs 34.
(749.)
Morkage
für die
Stadtverordnetenversammlung zu Berlin.
748. Protokolle des Ausschuffes zur weiteren Borberatung
des Restes der Vorlage (Drucksache 50 von 1906), betreffend
die Wertzuwachssteuer - § 7 Absatz S und folgende
der Steuerordnung II.
I.
Berlin, den 29. April 1907.
Anwesend:
Stadtverordneter Cassel. Vorsitzender,
M o m m s e n, Vorsitzenderstellvertreler,
Barth,
Borgmann,
Deutsch,
Fähndrich,
Heimann,
Iden,
Dr. Kuhlmann,
Modler,
Sassenbach,
Singer,
Sonnenfeld,
Weiß,
Werner.
Anwesend als Vertreter des Magistrats:
Oberbürgermeister Kirschner,
Sladtrat und Kämmerer Dr. Steiniger,
- Tourbiö.
Zu Beginn der heutigen Sitzung wählte der Ausschuß den
Stadtverordneten Mommscn zum Stellvertreter des Vorsitzenden an
Stelle des erkrankten, aus dem Ausschuffe ausgeschiedenen Stadt
verordneten Wallach.
Hierauf trat der Ausschuß sogleich in die Beratung des § 7
Absatz 2 der Steuerordnung II ein, welcher lautet:
Bei der Veranlagung dieser Zuschläge ist es belanglos,
ob der frühere Eigentumswechsel, vor oder nach dem
Inkrafttreten dieser Ordnung stattgefunden hat.
Es wurde beantragt,
diesen Absatz 2 wieder zu streichen.
Der Antrag aus Streichung wurde damit begründet, daß es
durchaus nicht belanglos sein könne, ob ein Eigentumswechsel vor
oder nach dem Inkrafttreten dieser Ordnung stattgefunden habe. Man
sei der Ansicht, daß mau der Ordnung eine sogenannte rückwirkende
Kraft — der juristische Begriff sei ein anderer — nicht beilegen
dürfe um deswegen, weil bisher eine Besteuerung des Wertzuwachses
noch niemals stattgefunden habe und weil mau bei früheren Er
werbungen mit einer solchen Besteuerung nicht rechnen konnte. Diese
Sreuerart sei eben ein Novum und könne gerechterweise nur die
jenigen treffen, welche nach deren Bekanntwerden Grundeigentum
erworben hätten, bezw. welche beim Erwerbe damit rechnen mußten,
daß eine solche Steuer eingeführt werden könne. Erschwerend komme
hinzu, daß es garnicht möglich sei, die in Gemäßheit des § 9 zwecks
Anrechnung von Aufwendungen erforderlichen Belege auf eine weit
zurückliegende Zeit beizubringen. Aus diesen Gründen wurden ver
schiedene Vorschläge gemacht zur Beschränkung des Zeitpunktes, bis
auf welchen zurückgegriffen werden solle. Von der einen Seite wollte
man die nach der Magistratsvorlage unumschränkte Rückwirkung ein-
schränken bis zum Jahre 1893, in welchem das Kommunalabgaben
gesetz in Kraft getreten sei. weil erst durch dieses die Kommunen zur
Einführung einer solchen Steuer ermächtigt worden seien. Der Herr
Magistratsvertreter wies — in erster Linie die Vorlage vertretend —
auf den 1. April 1895 als Stichtag hin, da von diesem Tage ab die
Vermögenssteuer eingeführt sei. zwecks deren Veranlagung die Werte
der Grundstücke zum ersten Male amtlich festgestellt worden seien.
Von anderer Seite wurde der 1. Januar 1908 genannt als der Tag,
von welchem ab die Veranlagung der Grundsteuer nach dem gemeinen
Wert eingeführt werden solle. Die beiden erstgenannten Zeitpunkte,
1893 und 1895, wurden bemängelt, weil dann wieder eine rück
wirkende Kraft gegeben wäre für diejenigen Eigentümer, welche von
diesen Stichtagen ab ihre Grundstücke erworben hätten — während
ein längerer Besitz frei ausginge —, ganz abgesehen davon, daß auch
die für die Stichtage 1893 und 1895 angegebenen Gründe durch nichts
denen gegenüber gerechtfertigt seien, welche eine solche Sleuer be
zahlen sollen. Berechtigt wäre vielmehr allein der 1. April 1907,
weil zu diesem Zeitpunkt jedermann aus den darüber schwebenden
Verhandlungen missen konnte, daß die Einführung einer solchen Werl
zuwachssteuer jeden Augenblick zu erwarten sei, zumal die dies-
bezügliche Vorlage des Magistrats bereits vom 11. Januar 1906
datiere.
Was die formelle Seite angeht, so wurde ausgeführt, daß eine
bloße Streichung des Absatzes 2 nicht genüge, daß vielmehr positiv
zum Ausdruck gebracht werden müsse, daß Rückgriffe auf frühere
Eigentumsübergänge zum Zweck der Ermittlung des Steuerbetrages
ausgeschlossen sein sollen.
Demzufolge wurde folgender Antrag formuliert und eingebracht:
A. Absatz 2 zu tz 7 soll folgende Fassung erhallen:
Falls der frühere Eigentumswechsel vor dem Inkrafttreten dieser
Ordnung liegt, ist der Zuschlag von dem Unterschiede zwilchen dem
Erwerbspreise bezw. dem gemeinen Werte des Grundstücks zur Zeit
des Steucrfalls und dem gemeinen Werte zur Zeit des 1. April 1907
zu erheben.
Gleichzeitig wurde der bereits in erster Lesung angenommene
Antrag zu 8 8 wieder eingebracht, welcher ebenfalls die Entfernung
der rückwirkenden Kraft aus der Steuerordnung erstrebt, mit dem
Bemerken, daß er zurückgezogen werden würde, falls der Wegfall der
rückwirkenden Straft bereits ini § 7 durch Annahme des Antrages A
beschlossen werden sollte.
Zur Geschäftsordnung wurde wegen der nun bereits vorliegenden
mehrfachen Anträge beantragt: zwei Lesungen statifinden zu lassen.
Der Ausschuß beschloß demgemäß.
Gegen die Streichung des Absatzes 2 wurde hervorgehoben, daß.
wenn der von der Versammlung durch Beschluß vom 21. März cr.
— Protokoll 7 — angenommene Absatz 1, welcher lautet:
B. Wertzuwachssteuer.
§ 7-
Zu der Steuer des § 1 (Umsatzsteuer) wird eine Wert
zuwachssteuer erhoben, wenn der gegenwärtige Erwerbs-
preis bezw. der gemeine Wert des Grundstücks den für
den früheren Eigentumswechsel in Betracht kommenden,
zuzüglich der Anrechnungen des tz 9 um mehr als zehn Pro
zent übersteigt.
allein bestehen würde, es sich ganz von selbst verstände, daß aus den
früheren Besitzwechsel zurückzugreifen sei, der Absatz 2 wäre also gar
nicht nötig gewesen; da er aber im Entwürfe vorgesehen sei und jetzt
seine Entfernung angestrebt werde, so würde entgegengesetzt interpretiert
werden, wenn er jetzt wegfalle. Um diese gegenteilige Interpretation
zu verhüten, müsse er nunmehr bestehen bleiben, und dies möge man
ausdrücklich beschließen. Von einer rückwirkenden Straft könne iin
steuerlichen Sinne gar keine Rede sein, man müsse doch, wenn man
einen Zuwachs ermitteln wolle, zu diesem Zwecke einen Zeitpunkt aus
der Vergangenheit festlegen. Würde man erst von der Gegenwart ab
rechnen wollen, dann würde man eine Steuerordnung schaffen, die
erst in der Zukunft einen Ertrag bringe, >vas nicht in der Absicht der
städtischen Behörden liegen dürfte.
Die Debatte nahm hierauf einen immer mehr generellen Charakter
an. In dieser vom Ausschüsse gebilligten Generaldebatte wurde von
den Herren Magistratsvertrctern darauf hingewiesen, daß die Wert-
zuwachssteuer bereits in einer ganzen Reihe von Gemeinden eingeführt
worden und daß es sicher sei. daß die Zahl dieser Orte stetig wachse.
Wenn einige Orte, wie Charlottenburg und Schöneberg, die Wert-
zuwachssteuer abgelehnt hätten, so sei dies wohl darauf zurückzuführen,
daß diese Städte sich in günstiger Vermögenslage befänden. Die
Ausgaben der Stadt Berlin wüchsen aber derartig, daß es unmöglich
sein werde, den Etat künftig niit IM pCt. zu balancieren. Man sei
daher genötigt, neue Einnahmequellen zu erschließen. Alle bisher
gegen die Wertzuwachssteuer angeführten Argumeiue seien früher auch
gegen die nahverwandte Umsatzsteuer geltend gemacht worden, und
keine der damals gehegten Befürchtungen sei eingetreten, im Gegeiueil,
die Umsatzsteuer sei ertragreicher geworden, als man voraussehen
konnte, ohne daß sie die befürchteten Nachteile im Grundstücksverkehr
und für das Baugewerbe mit sich gebracht hätte, auch die Mieten
seien ihretwegen nicht erhöht worden. Wenn eine Seile des Aus
schusses nun glaube, daß eine gewisse Härte damit verbunden sei, daß
man gemäß Absatz 2 aus den früheren Besitzivechsel zurückgreife, dann
sei man irriger Ansicht, da der Entwurf jeder etwaigen Härte bereits
Rechnung trage durch die Abstufungen im tz 8. Der Herr Ober