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Lohner-Porsche ganz besonders geeignet für den Umbau der vor-
handenen bespannten Dampfspritzen und mechanischen Leitern in
Automobilfahrzeuge, weil der Chassis vollständig frei bleibt von
Konstruktionsteilcn. Es ist möglich, die vorhandenen Dampfspritzen
und Leitern aus ihren Wagengestellen herauszunehmen und sie ohne
weiteres in die Automobilchassis einzusetzen. Außerdem aber sprechen
ffür die Wahl des elektrischen Antriebes noch die einfachere Bedienung
und Unterhaltung, die größere Sauberkeit, ferner die Geräusch- und
Geruchlosigkeit, sowie nicht zuletzt die größere Rentabilität dem Dampf
betriebe gegenüber. Die Sicherheit ununterbrochener Stromliefcrung
würde bei allgemeiner Einführung des elektrischen Betriebes in der
in der Denkschrift auf Seite 7 zweiter Absatz, dargelegten Weise ge
währleistet werden.
Die Abteilung glaubt, die in Vorschlag gebrachte Lösung für
Berliner Verhältnisse als eine zweckmäßige und glückliche bezeichnen
zu können. Der elektrische Antrieb hat sich bei den Versuchen, und
auch schon früher anderwärts, für den Stadtbetrieb als sehr zweckmäßig
erwiesen, und das Versuchsdampfautomobil hat den Beweis erbracht,
daß es sich für Fernfahrten sehr gut eignet. Selbstverständlich wird
sich die Abteilung die bei den Proben gewonnenen Erfahrungen bei
dem späteren Bau von Dampfwagen zunutze machen, denn in der
gegenwärtigen Anordnung einzelner Hauptkonstruktionsteile ist das
Dampfautomobil für Feuerlöschzwecke nicht ohne weiteres verwendbar.
So müßte z. B. der Kessel eine andere Lage erhalten, die Wasserbehälter
wären zu verlegen, das Pumpwerk müßte direkt von der Maschine
angetrieben werden, das Gewicht des Fahrzeuges wäre zu vermindern
und dergleichen mehr.
Ueber die bei den Versuchen gewonnenen Resultate, sowie über
die als notwendig erkannten Konstruklionsänderungen soll, wie bereits
erwähnt, nach Beendigung der Versuche ein eingehender Bericht erstattet
werden. Zu dem „vorläufigen" Bericht wird die Abteilung durch den
Umstand veranlaßt, daß die neu erbaute Zugwache in der Schönlanker
Straße bereits am 1. April 1908 dem Betriebe übergeben werden soll.
Die Beschaffung eines kompletten Automobillöschzuges für die Zug
wache 4 muß daher schon jetzt beantragt werden', andernfalls würde
der Zug nicht rechtzeitig fertiggestellt werden können. Nach den Aus
führungen — Seite 13, Absatz 2 — der Denkschrift soll übrigens der
Frage der allmählichen Umwandlung des Pferdebetriebes in Automobil-
betrieb erst näher getreten werden, wenn sich der auf der Zugwache 4
zu stationierende Automobillöschzug in jeder Hinsicht bewährt hat.
Ein eingehend begründeter Antrag auf Umwandlung des gesamten
Pferdebetriebes bei der Berliner Feuerwehr in Automobilbetrieb wird
-eventuell seinerzeit von der Abteilung gestellt werden.
Die Abteilung, die davon überzeugt ist, daß sich der elektrische
Betrieb ausgezeichnet bewähren wird, hat bereits Entwürfe angefertigt
für den auf der Zugwache 4 zu stationierenden elektrischen Automobil
löschzug, und zwar unter Berücksichtigung der bei den Versuchsfahrten
bisher gesammelten Erfahrungen.
Eine genaue Beschreibung dieses Löschzuges enthält die Anlage II;
Anlage III gibt Aufschluß über die durch Einstellung des Zuges ent
gehenden Kosten.
Berlin, den 4. Juli 1907.
Abteilung für Feuerwehr,
gez. Reichel.
Z« 89«. Anlage II.
Beschreibung
des elektrisch betriebenen Automobillöschzuges.
Der für die Zugwache 4 bestimmte, elektrisch betriebene Automobil-
löschzug besteht, entsprechend den bisherigen bespannten Zügen, aus
4 Fahrzeugen, nämlich
einer Gasspritze,
einem Tender,
einer mechanischen Leiter und
einer Dampfspritze.
Die Beilagen A bis D enthalten genaue Beschreibungen nebst
Zeichnungen der vorstehend aufgeführten Fahrzeuge. Hier soll nur
kurz erwähnt werden, daß die Chassis der Gasspritze, des Tenders
und der Dampfspritze genau die gleichen Abmessungen haben, auch
sind sie so eingerichtet, daß bei weiterer Einführung des Automobil-
betriebes die vorhandenen Dampfspritzen und Leitern in die Chassis
eingebaut werden können. Alle 4 Fahrzeuge des Löschzuges erhalten
Vorderradantrieb. System Lohner-Porsche. Die Batterien bestehen
aus Masseplatten, sie wiegen zirka 880 kg. Der Aktionsradius beträgt,
je nach der Beschaffenheit des Terrains, 50 bi§ 60 km; die größte
Geschwindigkeit 36 km pro. Stunde. Das Gewicht der Fahrzeuge,
ausschließlich der Leiter, stellt sich auf 4 500 kg. Für die Leiter, deren
Gewicht etwa 6 OM kg betragen wird, wurde das verbesserte System
Schapler gewählt, das sich anderwärts bereits sehr gut bewährt hat
und das sich für Berliner Verhältnisse ganz besonders eignen dürfte.
Die Fabriken beanspruchen eine Lieferzeit von 5 bis 6 Monaten. Die
Bestellung der Fahrzeuge müßte daher spätestens im September d. Js.
erfolgen, wenn sie bis 1. April 1908 geliefert werden sollen.
Schließlich wird noch bemerkt, daß das Versuchselektromobil für
eine eventuelle Einstellung in den Auromobillöschzug nicht in Betracht
kommen kann, weil die Abteilung über ein elektrisches Fahrzeug ver-
fügen muß, mit dem die Mannschaften im Fahren ausgebildet werden
können. Auf eine gründliche Ausbildung des Fahrpersonals ist der
allergrößte Wert zu legen.
Berlin, den 4. Juli 1907.
Abteilung für Feuerwehr.
Reichel.
Zu «9«.
Anlage HI.
Kostenberechnung
für einen aus 4 Fahrzeugen bestehenden elektrisch betriebenen
Automobillöschzug.
Die laufenden jährlichen Ausgaben für die Bespannung der
Fahrzeuge der Berliner Feuerwehr betragen laut Beilage A 324 182 JC.
Hiervon entfallen laut Beilage B auf einen aus 4 Fahrzeugen
bestehenden bespannten Zug an laufenden jährlichen Unterhaltungs
kosten 17 281 JC.
Dieser Betrag steht zur Verfügung für die Deckung der durch
den Automobilbetrieb auf der Zugwache 4 entstehenden laufenden
jährlichen Ausgaben, sowie für die Amortisation und Verzinsung des
Anlagekapitals.
I. Das Anlagekapital beträgt:
4 Elektromobile und zwar:
1 Dampfspritze 36000 JC,
1 Gasspritze 26 000 -
1 mechanische Leiter .... 36 OM -
1 Tender 25 000 -
Reserveteile
Elektrische Ladeeinrichtung
123000 JC,
5 500 -
5 000 -
12 336
2 690
zusammen 133 500 JC.
Hiervon ist in Abzug zu bringen daS für
die Beschaffung von 4 bespannbaren Fahr
zeugen erforderliche Kapital und zwar:
1. Für 1 Dampfspritze .... 17 160 JC,
für 1 Gasspritze 5 200 -
für 1 mechanische Leiter... 15 800 -
für 1 Tender 4 500 •
42660 -
2. Ersparnisse, die durch den Fortfall der Pferde
bespannung bei der Bauausführung der
Zugwache 4 entstehen (Stallungen. Fahrer»
stuben, Futtergelasse usw.) nach Angabe der
Bauleitung 6 716 «
3.*) Ersparnisse für die Beschaffung von 9 Pferden,
von Geschirren, Stallutensilien usw. . . .
4. Ersparnisse für erstmalige Beschaffung der
Bekleidung und Ausrüstung von 6 Fahrern,
sowie für Einrichtung der Fahrerstuben . .
zusammen 64 402 JC.
Durch Einstellung eines Automobillöschzuges würden demnach
einmalige Mehrkosten im Betrage von
133 5M JC — 64 402 JC = 69 098 JC entstehen.
Wäre die Wache in der Schönlanker Straße ursprünglich als
Automobilwache projektiert worden, so würden die vorgenannten Mehr
kosten infolge kleineren Bauplatzes und geringerer bebauter Grund
fläche noch mehr herabgemindert, vielleicht gänzlich aufgewoge»
worden sein. Bei weiteren Neubauten von Automobilwachen werden
solche Ersparnisse wesentlich ins Gewicht fallen.
II. Die jährlichen Betriebskosten betragen:
Für 4 elektrische Fahrzeuge:
Instandhaltung der Batterien .
Elektrischer Strom
Unterhaltung der Gummireifen
Unterhaltung des Gleitschutzes .
Reparaturen und Ersatzteile. .
Schmiermaterialien . . . .
4X1 200 JC = i 800 JC.
Die laufenden Gesamtkosten für die Belegung der Zugwache 4
mit Kraftfahrzeugen würden demnach pro Jahr betragen:
I. Amortisation und Verzinsung,
a) Amortisation der bei der Beschaffung von Kraft
fahrzeugen entstehenden einmaligen Mehrkosten
von 60098 JC mit 5pCt. (bei Annahme einer
*) Es ist der bisherige Preis von 1 200 JC pro Pierd angenommen
worden: für diesen Preis sind jedoch brauchbare Pferde jetzt nicht mehr zu
haben. Der Lieferant ist bereits um Erhöhung des Preises auf 1 300 JC
vorstellig geworden.
4 X
500 JC —
2 000 .JC,
4 X
200 - =
800 -
4 X
250 - —
1000 -
4 X
100 . ---
400 -
4 X
100 - =
400 -
4 X
50 - —
200 -